Die Wahrheit

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Die Handschellen sind schwer, meine Schritte kurz. Ich laufe den Gang entlang, links und recht befinden sich zwei Wärter, die mich führen. Ich trippel in meinen unbequemen Gefängnisschuhen, welche mir vor kurzem gegeben wurden. Mein Gang endet vor einer schönen Holztür. "Bereit, Sträfling?", fragt mich ein Wärter. Ich nicke. Die Tür wird aufgeschoben und ich trete ein. "Hallo, Mrs. Walker, bitte setzen Sie sich! Es freut mich mit ihnen persönlich zu sprechen." Ein braunhaariger Mann im Anzug kommt auf mich zu. Er ist Mitte 50, hat einen Bart und einen kleinen Bauch, welchen der Anzug zu kaschieren versucht. Er reicht mir eine Hand und schüttelt meine Hände in den Handschellen. Dann setzt er sich hinter den Schreibtisch.
"Ich bin zwar erst seit kurzem hier, aber ein paar Sachen wollte ich dann doch priorisiert erledigen. Es tut mir wirklich leid, dass sie so lange im D-Block saßen...aber die Ermittlungen des FBIs sind vorrüber und ohne Täter eingestellt, damit sind sie unschuldig und ich glaube an die Unschuldsvermutung. Sie werden also in ihre alte Zelle zurückkehren." "Danke, Mister...", beginne ich. "Winfield...Chester Winfield", antwortet er. "Danke , Mister Winfield. Was ist mit Mrs. Valentine?" "Sie wird als meine Stellvertreterin fungieren, ich werde erstmal die Mängel, die das FBI und die Aufsichtsbehörde benannt hat, beseitigen. Wenn sie irgendetwas dazu beisteuern wollen, lassen sie mich es wissen. Das ist zwar ein Gefängnis hier, aber wir müssen sie hier nicht wie Tiere behandeln!" Ich bin erleichtert über seine Worte. Vor 20 Minuten wusste ich noch nicht mal wo ich hinkommen werde. Und nun bin ich scheinbar die erste Person, die aus Block D wieder zurückkommt. "In 5 Tagen ist Weihnachten, ich hoffe, dass wir bis dahin etwas Ruhe in das Gefängnis bekommen werden. Ich muss das Personal etwas umbauen, aber das wird schon klappen! Aber ich werde in Zukunft versuchen, die Belange der Häftlinge etwas mehr zu berücksichtigen." Mal sehen wie lange diese Einstellung bleibt. Aber wenigstens ist die Aufseherin jetzt weg, bzw wenigstens degradiert. "Bringen Sie Mrs. Walker in ihre alte Zelle zurück", sagt Winfield, nachdem er die beiden Wärter in sein Büro gerufen hat. "Wir sehen uns, Mrs. Walker!" "Ich kann ja schlecht weg!", sage ich und lache. Ein Lächeln kommt auf seine Lippen. Erstmals habe ich Hoffnungen, dass dieser Ort besser werden könnte. Die Wärter bringen mich in einen der Umkleideräume, wo ich wieder in mein gewohntes Orange gesteckt werde. Dann bekomme ich Handschellen angelegt und werde über das Gefängnisgelände wieder zurück zu Block C gebracht. Auf halber Strecke kommt uns Wright entgegen. "Ich übernehme die Gefangene", sagt er kurz zu den Wärtern, diese reichen mich sofort an Wright weiter. Wir gehen zusammen zum Zellenblock. "Hab gehört du durftest zum neuen Chef", beginnt er provokant. "Ja, habe gehört , er will bei den Wärtern ordentlich aufräumen...", gebe ich zurück. "Na, da muss ich mir keine Sorgen machen, während der Razzia wurden in meinem Spind keine Drogen gefunden, wie bei anderen. Ich muss nichts befürchten."
"Dann hoffe ich, das keine interne Beschwerden über Sie eingehen, Sir. Ich habe gehört, dass der neue Aufseher da sehr empfänglich für ist", sage ich und gucke ihn böse an. Bei unserem Größenunterschied muss ich etwas nach oben schauen.
"Ich denke, ich muss mir keine Sorgen machen, die Frauen mögen mich doch. Es wäre doch auch tragisch, wenn bei der Hauptverdächtigen in Dees Mordfall noch weiterer ihrer persönlichen Gegenstände gefunden werden. Oder glaubst du, Dee hatte nur einen Ring?"
Wir stehen vor einer schweren Tür, die auf Wrights Anfrage geöffnet wird. "Habe gehört, du warst frech zu Maria, ich hatte dir doch gesagt, dass du das lassen sollst!"
"Sie ist ne dumme Schlampe und das wissen Sie", sage ich bissig. "Ja, aber eine nützlich Schlampe. Aber jetzt wo Dee weg ist, hast sie keinen Wert mehr für mich. Es gibt jetzt andere Personen, die wichtiger geworden sind, aber das wirst du noch merken...dein Handy war sehr hilfreich." Ich antworte nicht, ich kann mir den Rest zusammenreimen. Wir sind nun im Zellengang. Unsere gemeinsamer Spaziergang endet an meiner Zelle. Wright nimmt mir die Handschellen ab. "Weißt du was, Walker...", beginnt er fast sentimental. "Ich respektiere dich. Du warst am Anfang für mich nur eine von viele Knastnutten, aber mittlerweile hast du gezeigt, dass mehr in dir steckt als man denkt. Und das schaffen nicht viele!" "Und wissen Sie was, Sir...", antworte ich. "Sie waren am Anfang nur ein dummes, übergriffiges Arschloch...und das werden SIe für mich immer bleiben!" Er lächelt mich kurz an, dann dreht er sich um und geht, während er dabei noch eine Frau anpfeift. Hoffentlich lässt er mich in Zukunft in Ruhe.
Ich drehe mich um und gehe in meine Zelle. Maria sitzt in ihrem Bett am Boden, Lea springt sofort von ihrem Bett und stürmt mir entgegen, um mich an sich zu drücken.
"Du bist wieder hier! Ich wusste es!"Sie gibt mir einen langen Kuss. Ich drücke sie ebenfalls fest und lang." Sie meinten du würdest wegen dem Mord verurteilt werden und im D-Block bleiben. Ich hab den FBI Agenten gesagt, dass wir zusammen waren, aber die konnten beweisen, dass ich lüge. War eine Woche im Loch dafür, aber für dich war es mir das Wert." Sie küsst mich nochmal, Maria sieht von der Seite genervt demonstrativ weg, ich ignoriere sie sowieso. "Danke, Lea", sage ich und werde ein bisschen rot. "Das bedeutet mir wirklich etwas. Aber alles ist ok, ich bin wieder hier, die Aufseherin ist weg und hoffentlich beruhigt sich hier auch alles in Zellenblock."
"Das hat es eh schon...",murmelt Maria von der Seite. Erst jetzt erkenne ich, dass sie ein blaues Auge hat. "Halt die Klappe... Wer hat dir erlaubt zu reden...",herrscht Lea sie an. "Ja, in den 3 Wochen in denen du weg warst hat sich sich eine neue Person durchgesetzt und kontrolliert nun den Zellenblock."
"Ich habe schon eine Vermutung wer es sein könnte...", sage ich und denke an Wrights Worte. "Ich muss mal ein Gespräch mit ihr führen."

Die Häftlinge drängen sich wieder am Essenswagen um möglichst schnell ihr Tablett zu bekommen und mit dem Essen zu beginnen. Als ich mir meins abgeholt habe, schaue ich mich um. Smith sitzt mit einer Gruppe Frauen am Tisch, sie essen, aber ich kann sehen wie einige Smith ihren Nachtisch zuschieben- eine Sache die hier oft gehandelt wird. Ich laufe langsam zu ihr. "Können wir reden?", sage ich stumpf. "Walker... Bist du wieder draußen...", beginnt Smith beinah herablassend. Dann macht sie ein paar Handbewegungen und die anwesenden Frauen stehen auf und gehen. Ich setze mich zu ihr.
"Du und Wright also...", sage ich trocken. "Hey, eine Sache kam zur anderen. Dees Ableben, dein wertvoller Gegenstand... Jetzt kontrolliere ich hier den Handel... Und die Frauen hier brauchen ihren Stoff", sagt Smith gönnerhaft. "Du hast es ja weit gebracht, wenn man bedenkt, dass du vor ein paar Monaten noch am Boden gekniet bist und aus einem Napf gegessen hast..."
"Tja, Dee ist weg und irgendwer muss die Show ja hier leiten. Und ich kenne mich mit diesem Gefängnis ja am besten aus, immerhin habe ich hier gearbeitet. Und Drogenabhängigen ist es am Ende egal, ob sie von einem ehemaligen Wärter kaufen. Der Rest musste nur etwas eingeschüchtert werden uns Voila... Die neue Königin von Zellblock C ist geboren." Ich klatsche langsam. "Bravo und dafür musstest du nur Dee umbringen und dich mit Wright verbünden..." "Wright und ich waren immer schon Freunde, nur damals waren wir eben Wärter. Unsere Partnerschaft geht auf andere Ebene eben weiter... Hey, ich verdanke dir eine Menge. Ohne dein Handy wäre das alles nicht so glatt gelaufen."
"Ach deshalb mag mich Wright neuerdings...", sage ich abfällig.
"Nicht mögen... Wright wird dich in Ruhe lassen, genauso wie deine Freundin. Und um deine nervige Mitbewohnerin haben wir uns auch gekümmert. Du siehst, alles ist jetzt besser. Und daran hast du einen großen Anteil!" Ich weiß nicht ob ich mich darüber freuen soll oder nicht...
Smith streckt mir ihre Hand entgegen.
"Ich lasse dich in Ruhe, keine Sorge, wir beide waren uns doch immer irgendwie ähnlich." Ich zögere, dann nehme ich ihre Hand. "Gut, nach all den Strapazen mit Dee... Da kann etwas Ruhe doch angenehm sein. Wie heißt du eigentlich mit Vornamen?", frage ich. "Mallorie... Aber Smith reicht völlig aus", sagt sie und lacht.
"Ok Mallorie", sage ich und lache. Dann wage ich mich an das heutige Essen im sicheren Wissen auch heute davon enttäuscht zu werden.

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