Alles verläuft viel zu schnell. Ich werde von einer Wärterin abgetastet, dann in den Aufenthaltsraum geführt. Dort stehen schon einige Häftlinge, einige nur im BH und Unterhose, scheinbar wurden alle aus dem Schaf gerissen. "Hände hinter den Kopf und Beine auseinander!!!", blafft mich die Wärterin an. Alle Frauen hier stehen bereits in dieser Haltung in einer Reihe, ich werde dazu gestellt. Mehrer Wärter beaufsichtigen uns. "Kein Mucks von euch, Häftlingen, wer nur einen Ton von sich gibt wandert ins Loch!!!" Ich bin noch im Halbschlaf und schaue mich um. So viele Wärter wie hier im Einsatz sind, sie haben wohl sämtliches Wachpersonal der anderen Zellblöcke aktiviert. Einige Wärter kenne ich noch aus Zellblock A, andere sind mir komplett unbekannt.
Die nächsten 5 Stunden sind wir mit Warten beschäftigt. Keine Gefangene wagt es sich zu regen. Niemand hustet, niemand gähnt, alle sind hellwach... Meine Gedanken drehen sich nur um das Handy. Sie werden es finden... Ich habe gehört wie diese Razzien ablaufen, alles, wirklich alles wird gefilzt. Selbst die kleinsten Verstecke werden gefunden, die Wärter suchen nach allem, seien es Drogen oder der Löffel, den man beim Essen eingesteckt hat. Ich werde also in Block B kommen... Hoffentlich erhöhen sie meine Strafe nicht nochmal. Am Ende sitze ich 10 Jahre hier... Hätte ich auf Miranda hören sollen... Vielleicht wäre ich jetzt schon im anderen Gefängnis und könnte dort sinnvollere Sachen machen. Kurse besuchen, sinnvolle Arbeit oder Bücher lesen. Eagle Rock bietet diese Dinge alle nicht an... Meine Gedanken kreisen nur darum.
Als 5 Stunden vorbei sind kommen die ersten Wärter und holen sich Häftlinge. Sie werden direkt in Handschellen abgeführt, teilweise in Unterwäsche. Ich rechne felsenfest damit, dass ich auch dran bin... Aber niemand kommt zu mir. Die Handschellen klicken sehr oft, doch bei mir bleibt niemand stehen. Ich atme auf... Dann werden wir nach und nach wieder zu unseren Zellen gelassen. Als ich ankomme, kniet Maria schon über dem Boden und sammelt die Sachen, welche die Wärter über den Boden verteilt haben. Unsere 3 persönlichen Kisten wurden ausgeschüttet, alles darin durchsucht. Kissen und Matratzen sind in einer Ecke übereinander, selbst unsere Zahnbürsten liegen woanders. Maria sammelt ihre Kiste schon wieder zusammen. Ich hebe den Pullover auf, in dem das Handy zuletzt versteckt war... Es ist weg... Sie haben es also. Dann werden sie mich wohl wie Rose damals ein paar Tage später holen. Langsam fange ich an die Sachen von mir zusammenzusammeln. "Die Nudeln gehören mir!", sage ich zu Maria, als sie gerade eine Packung in ihre Kiste befördert. "Nicht, dass ich wüsste! Die habe ich mir gekauft!", sagt sie sofort leicht aggressiv. Ich bin nur müde und frustriert, keine Lust mehr mit Maria zu diskutieren. Ich hole mit meiner flachen Hand aus und gebe ihr eine Ohrfeige. Maria zuckt zusammen, sie hat scheinbar genauso wenig wie ich damit gerechnet. Sie rutscht ängstlich zurück. "Das werde ich melden...",sagt sie aufgeregt. Ich stehe auf und packe ihre Kiste. Ich leere sie vor ihren Augen aus. "Hör mir zu. Du wirst hier nicht lange überleben! Alle Frauen hier hassen dich. Und dich bei den Wärtern einschleimen wird dir nicht immer helfen. Wenn ich dir jetzt nicht den Arsch aufreise, dann wird es eine andere machen. Aber du wirst hier nicht lange durchhalten. Ich weiß wovon ich rede!" Maria gibt keinen Ton mehr von sich. Ich schaue ihre Sachen durch und entdecke weitere Sachen, die mir oder Lea gehören.
"Du Schlampe hast geklaut. Das wird die anderen Frauen beim Essen sicher interessieren. Du wärst sowas von fällig. Wir werden jetzt unsere Sachen zusammenräumen und alles was übrig bleibt darfst du aufsammeln. Aber jetzt schläfst du unten auf dem Boden. Wehe du wagst es irgendwas zu erzählen, wir machen dich alle fertig!" Maria sitzt versteinert am Boden, ihr Blick gesenkt. Ich bin wieder mal von mir selber überrascht... Aber wenn ich eh bald weg bin kann ich ja nochmal auf den Putz hauen. Ich packe meine Sachen in meine Kiste zurück, ein paar Süßigkeiten von Maria stecke ich auch ein. Wahrscheinlich werde ich sie eh wieder abgeben müssen, wenn ich in den B-Block komme, aber jetzt ist mir das egal. Nach 15 Minuten drehen uns die Wärter das Licht ab. Vielleicht bleiben uns jetzt 3 Stunden Schlaf...aber ich bin zu aufgeregt. Ich liege auf meiner dünnen Matratze, meine Gedanken kreisen nur um das Handy... Werden sie herausfinden, was ich damit gemacht habe... werden sie mich wieder vor Gericht bringen, wird Dennis wieder ins Gefängnis wandern. Ich habe Bauchschmerzen, ich wälze mich mehrmals bevor ich dann endlich einschlafe.Der Tag beginnt wie jeder andere. Egal, ob letzte Nacht noch der ganze Zellblock für 5 Stunden durchsucht wurde oder nicht. Ich stehe auf, schlüpfe in meinen Jumpsuit und mache mich bereit jederzeit abgeführt zu werden. Wahrscheinlich kommt bei mir die Aufseherin persönlich vorbei, wie damals bei Rose. Mit der Chain Gang draußen zu arbeiten erweist sich sogar als entspannend, immerhin ist das Risiko hier nicht so hoch jederzeit abgeführt zu werden. Wir dürfen heute sogar mal etwas sinnvolles erledigen und Schnee von Straßen räumen. Anschließend geht es im stinkenden Gefängnisbus wieder zurück nach Eagle Rock.
Ich sitze an einem der Tische und stochere in meinem Essen rum. Das weiche Toast und die geschmacklosen Bohnen hängen immer mir mittlerweile so zum Hals raus, aber jede Woche bekommen wir das Gleiche zu essen. Durch meine Arbeit verpasse ich das warme Essen am Mittag...auch so ein "Zufall" der sicher nicht vom Gefängnis beabsichtigt ist. Meine Gedanken werden unterbrochen: "Na, noch da", sagt Smith und setzt sich zu mir. "Scheinbar...", sage ich matt. "Hast du es noch verstecken können?" Ich schüttel bloß den Kopf. "Hast du wenigstens die Sache erledigen können, über die wir gestern gesprochen haben?" Ich schüttel wieder den Kopf.
"Das ist schlecht... dann bist du wohl bald weg vom Fenster!", sagt Smith und heuchelt etwas Mitleid. "Ja, scheinbar... Wenigstens seh ich dann Rose wieder", sage ich und seufze. "Ihr beide, du denkst auch nur an sie oder? Vielleicht seht ihr euch mal kurz bei der Essensausgabe oder beim Duschen, aber näheren Kontakt könnt ihr vergessen. Du wirst nur noch unglücklicher."
Smith steht auf, nimmt ihr halbfertiges Essen und läuft damit zum Servierwagen zurück, um es abzugeben. Ihr Blick zu mir deutet mir, dass ich ihr folgen soll. Sofort stehe ich auch und laufe los, sie verlässt den Aufenthaltsraum in Richtung der Zellen und betritt ihre. Ich folge mit etwas Abstand. Smith hat scheinbar das Glück nur zu zweit in einer Zelle zu sein. Es steht zwar eine Wanne in der Zelle, aber darin befindet sich weder Bettzeug noch eine Matratze. "Was willst du?", frage ich ungeduldig. In anderen Zellen erwischt zu werden bedeutet meistens Ärger.
Smith kramt in ihrer Kiste und holt eine Socke heraus, aus dieser zieht sie das Handy.
"Schau mal, was ich gefunden habe...", sagt sie grinsend. Mein Mund ist vor erstaunen offen.
"Wie..wie hast du das...", stammel ich. "Nun, es gibt immer noch Wärter, die nicht vergessen haben, dass wir mal Kollegen waren und vielleicht ein Interesse daran haben, dass es mir gut geht. Ich habe ihnen gesagt, wo sie das Handy finden können. Ich würde sagen, es gehört mir, dafür, dass ich dir den Arsch gerettet habe. Du kannst also aufhören im Selbstmitleid zu baden, du wirst den schönen C-Block erstmal nicht verlassen." Mittlerweile habe ich realisiert, dass ich aus dem Schneider bin. Ein Stein fällt mir vom Herzen, ich würde jubeln, doch ich bin immer noch im Gefängnis. "Ok, behalt es, ich sag dir auch gerne den Pin...aber voher würde ich noch gerne damit etwas machen", sage ich und nehme es in die Hand. Ich aktiviere es, google die Nummer einer größeren Zeitung. Ich wähle die Nummer und verstecke den Hörer beim Telefonieren hinter meiner Hand. "Hallo, ich habe einige Informationen zum Fall Eagle Rock und dem Mord. Die Aufseherin und die Wärter arbeiten mit einigen Häftlingen zusammen, um das Gefängnis mit Drogen zu beliefern. Denise Walters war eine davon, außerdem soll sie Zeugin in einem wichtigen Prozess gewesen sein. Das FBI ermittelt deswegen auch. Scheinbar ist die Aufsicht sehr fahrlässig, was Eagle Rock betrifft....Das ist alles was wir wissen." Bevor eine Antwort kommt lege ich auf. Immer mehr Häftlinge kommen vom Essen zurück und das Risiko ist mir zu hoch. "Ich hoffe, sie können damit was anfangen...", sage ich zu Smith während ich alle Nummern aus dem Handy lösche. Dann übergebe ich es ihr: "Bitteschön, ich will damit nichts mehr zu tun haben..." Smith lässt es sofort wieder verschwinden. "Hoffentlich reicht der Druck, damit die Aufseherin abgesetzt wird. Das würde dem Gefängnis hier gut tun. Mit dem Handy kann ich vielleicht noch ein bisschen was erreichen." "Was auch immer, tu was du nicht lassen kannst", sage ich und gehe aus der Zelle. "Wir sehen uns", rufe ich ihr hinterher. Ich folge dem Strom an Frauen, welche alle in ihre Zellen gehen. An meiner Zelle erwarten mich aber zwei bekannte Gesichter.: Die FBI Agenten. Ein Wärter begleitet sie. "Mrs. Walker... wir müssen uns nochmals unterhalten...Sie stehen unter Verdacht Denise Walters ermordet zu haben!"
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Orange Jumpsuit
DiversosDie junge Nathalie Walker beginnt ihr Haftstrafe im Frauengefängnis Eagle Rock. Als Häftling 452-869 muss sie sich in ihrem neuen Gefängnisleben zurecht finden. Die Geschichte beschreibt den Alltag in einem Frauengefängnis, es kommen aber immer wied...