Ich werde noch 2 Stunden im Raum sitzen gelassen, vermutlich als Strafe, vielleicht auch einfach weil ich eh nicht wichtig bin. Es ist ja nicht so, dass ich noch was vorhätte. Irgendwann kommt nochmal ein Polizist und nimmt meine Aussage auf, danach darf ich sie in Handschellen unterschreiben. Danach sitze ich nochmal eine Stunde bevor ich zurück gebracht werde. Meine Hände und Füße sind eingeschlafen, steif wie ein Roboter laufe ich über die Gänge, jeder Schritt deutlich hörbar. Im Zellenblock angekommen, bekomme ich die Ketten abgenommen und werder zurück in die Zelle gebracht. Es ist ungefähr 13 Uhr, die Häftlinge sind im Aufthentaltsraum oder in den Zellen, bevor sie weiter arbeiten müssen. Ich habe wohl heute noch frei. Maria ist gerade nicht da, Lea arbeitet gerade an der Kette und erledigt wieder nonsense Aufgaben. Ich hole mein Handy hervor. Vielleicht kann ich jetzt alles mit Dennis beenden und das Handy loswerden. Ich rufe ihn direkt an.
"Hallo, Nathalie?",fragt er überrascht.
"Hallo Dennis, ich wollte dich anrufen, um ein paar Sachen zu klären." "Das passt gut, ich wollte dir auch noch ein paar Sache wegen West sagen, wenn du ihn dann anrufst.."
"Vergiss es...", sage ich trocken. "Ich werde nicht anrufen. Die Sachen hier drin haben sich geändert... Ich brauch deine Zahlungen nicht mehr. Ich riskiere meinen Arsch nicht mehr für deinen Scheiß." Es tut so gut, das so direkt zu sagen. Ich höre ein lautes Stöhnen von der anderen Seite. "Nath, bitte... Ich brauche jetzt deine Hilfe. West will 4 Millionen investieren, aber ich kann ihn nicht so überzeugen. Du bist eine Frau und er lässt sich von dir leichter einlullen. Bitte! Hilf mir! Ich packe 500.000 Dollar auf ein sicheres Konto an das nur du kommst."
Dieses Angebot klingt nicht schlecht. Und Geld werde ich nach meiner Zeit hier auf jeden Fall brauchen. Warum also nicht diese Chance nutzen... Ich stecke jetzt doch sowieso schon drin...
"Ich helfe dir dieses Mal... Danach ist Schluss. Ich riskiere meinen Arsch hier drin nicht mehr für dich, Dennis, ist das klar. Aber deine Zahlungen werden weitergehen, verstanden?!"
Ich höre kurz nichts mehr auf der anderen Seite, dann eine resignierenden Dennis:"Gut... Ok du hast gewonnen. Ich werde dich danach in Ruhe lassen... Am Samstag ist das Telefonat mit West angesetzt, ich werde alles nötige veranlassen..."
Es ist still. "Gut, Dennis...und danke, dass du mir Miranda auf den Hals gehetzt hast, du weißt wie sehr ich sie hasse." Mit diesem Satz lege ich sofort auf.
Ich rolle mich kurz auf den Rücken...und fühle mich gut. Irgendwie bin ich für einen Moment glücklich. Auch wenn 1 Meter neben mir die stinkenden Knasttoilette ist, dieses Glücksgefühl ist besonders.
Ich stehe auf, richte meinen Jumpsuit und schnappe mir ein paar Instant-Nudeln, die ich mir zur Feier des Tages in den Mikrowellen im Aufenthaltsraum warm machen will. Das Gefängnis hat meine Ansprüche wirklich gesenkt.Die nächsten zwei Tage normalisiert sich der Knast Alltag wieder. Zwar sehe ich immer wieder die FBI Agents auf den Gänge des Zellblocks, aber Befragungen bleiben erstmal aus. Es fühlt sich alles wie die Ruhe vor dem Sturm an. Und obwohl Dee tot ist, ist die Spannung innerhalb der Häftlinge immer größer, alle bringen sich in Stellung Dees Erbe anzutreten.
Mir selbst ist das herzlich egal, ich habe nie vor einen ganzen Zellenblock zu kontrollieren oder großartig Drogenschmuggel zu betreiben. Es ist nur eine Frage der Zeit wann die Agents Dees nebenberufliche Tätigkeiten bemerken und den ganzen Laden hochgehen lassen.
Am Freitag sitze ich nach einem weiteren sinnlosen Tag bei der Chain Gang in meiner Plastikwanne und schaue an die Decke. "Häftling Walker?!", sagt eine Stimme durch die Klappe. Ich stehe sofort auf: "Ja, Sir?"
Die Tür geht auf und der Wärter holt mich mit einer Geste nach draußen. "Mitkommen", sagt er, während er mir eine Kombination aus Handschellen und Fußfesseln anlegt. Nicht ganz so viele Ketten wie letztes Mal, aber trotzdem sehr einschränkend beim Gehen und Bewegen. Wieder verlassen wir den Zellblock und gehen in einen der Verhörräume. Ich werde wieder an den Tisch gekettet und darf mich setzen. Was wollen die FBI Deppen von mir nun schon wieder... Ich warte ganze 20 Minuten als die Tür aufgeht. Diesmal kommt eine hübsche Frau mit langen, roten Haaren herein. Sie trägt ein teures Kostüm und strahlt Selbstsicherheit aus.
"Hallo, Nathalie."
"Hallo, Miranda...", sage ich genervt zu meiner Schwester. Sie setzt sich mir gegenüber, in der Hand hat sie einen Kaffee. Ich rieche den Duft zum ersten Mal seit längerem.
"Wie hast du das denn schon wieder hinbekommen...", frage ich sie.
"Mir war klar, dass nichts machen würdest um ein Treffen zwischen uns zu ermöglichen... Also habe ich ein paar meiner Kontakte spielen lassen. Zum Glück kenne ich jemanden in der Justizbehörde, die haben mir dieses Treffen ermöglicht."
"Wie immer, die große Miranda mit ihren vielen Möglichkeiten und Kontakten, die alles in Bewegung setzen kann, wenn sie es will. Ich habe aber keine Lust mit dir zu sprechen."
"Tja...", sagt Miranda und schaut abfällig an mir herab. "Du bist nicht gerade in der Position, um irgendwelche Ansprüche zu stellen. Du kannst ja aufstehen und gehen, wenn es für dich so unerträglich mit mir ist." Sie berührt die Ketten, an die ich gefesselt bin und zieht einmal kräftig daran. "Sieh dich doch an. Du sitzt in einem orangenen Jumpsuit in Ketten gelegt, du hast nichts mehr in deinem Leben zu bestimmen und wirst wahrscheinlich erst in 9 Jahren rauskommen... Warum tust du uns das allen an...?"
"Ich habe mir das nicht ausgesucht!", brülle ich wütend und möchte aufstehen, doch die Ketten hindern mich daran und halten mich unsanft auf meinem Stuhl. "Es war immer eine Qual in deinem Schatten zu stehen. Was glaubst du warum ich damals mit 18 abgehauen bin... Nicht weil ich es so schön bei uns fand, ich mir hatte es satt wie unsere Eltern dich vergöttert haben. Das machen sie wahrscheinlich immer noch. Ich habe getan was nötig war um ein gutes Leben zu führen. Und bis ich dabei erwischt wurde ging es mir gut... Du bist die letzte die über mich urteilen kann."
"Ja, das haben die Gerichte ja schon erledigt und dir deine Strafe gegeben",sagt Miranda unbeeindruckt. "Ich möchte dir doch helfen, Nathalie. Ich will, dass du aus dieser Sache so schnell wie möglich rauskommst. Egal eas passiert ist, du bist meine Schwester. Und ich sorge auch weiterhin für dich, egal ob du eine Kriminelle bist oder nicht."
Ihre Bevormundung ging mir schon immer auf den Sack. Sie mag zwar 6 Jahre älter sein als ich, trotzdem wollte ich nie so sein wie sie oder mit ihr verglichen werden. Ich hatte meine Familie lange genug hinter mich gelassen, auch als klar war, dass ich ins Gefängnis gehe, wollte ich weder Kontakt noch Hilfe. Und trotzdem steht Miranda nun hier und bietet mir mir ihre selbstlose Hilfe an, mit der sie nur wieder unsere Eltern beeindrucken will und mich in ihre Heile-Welt zurückziehen will.
"Also, Nathalie... Ich möchte dich in meiner Nähe haben. Ich kann dich in ein anderes Gefängnis verlegen lassen, eins in der Nähe unserer Heimatstadt, Blueberg County Prison, falls du dich noch daran erinnerst. Es ist nur mittlere Sicherheit, das heißt es geht dir dort wesentlich besser als hier. Wir wären in deiner Nähe und würden dich besuchen, ich würde mich für eine vorzeitige Entlassung stark machen, wenn du dich besserst und wieder nach Hause kommst. Ich schlage dir das nur einmal vor, ich könnte dich auch einfach verlegen lassen, du hast als Häftling da eh nichts zu melden... "
Das hätte sie wohl gerne... Mich vorzeitig entlassen lassen und dann gerichtlich unter ihre Obhut stellen... Ich muss über diesesn Vorschlag nicht lange nachdenken.
"Miranda, mir ist in meiner Zeit im Knast schon einiges passiert: Ich wurde von meiner Zellengenossin mehrfach zum Sex genötigt, Wärter haben das gleiche gemacht, ich wurde beim Duschen gedemütigt, angegriffen, angefeindet, erpresst, zum Dienstmädchen der Aufseherin gemacht, war Psychospielen von Häftlingen ausgesetzt und das waren nur die besonderen Sachen neben dem normalen Knastalltag in dem wir schlechtes Essen, hässliche Kleidung und demütigende Arbeiten verrichten müssen... Aber all das ist mir lieber als auch nur einen Fuß nach Hause zu setzen und dieselbe scheiße wie früher zu ertragen. Lieber trage ich noch 8 Jahre dieses Jumpsuit. Ich lehne ab. Und versuch gar nicht erst mich verlegen zu lassen, ich habe genug Mist gemacht, damit ich hier nicht wegkomme!" Ich habe mich in Rage geredet, mein Kopf ist rot und passt farblich zu meinem Jumpsuit. Miranda wirkt trotz allem immer noch unbeeindruckt.
"Ich hätte gedacht, dass dir die 6 Monate im Knast ein wenig Einsicht und Verstand gegeben hätten. Aber leider ist das nicht so. Naja, ich habe es versucht. Du willst scheinbar nicht ein normales Leben führen. Du hängst lieber mit deinen Sträflingsfreunden im Hof rum. Wie du willst... Wir sind fertig..." Sie steht auf und öffnet die Tür. Sie dreht sich zum Wärter hinter der Tür.
"Bringen Sie Sträfling Walker zurück in ihre Zelle und sorgen Sie dafür, dass ihre Zeit hier in den nächsten Jahren besonders hart wird... Sie lernt sonst nie wo ihr Platz ist!" Mit diese Worten geht Miranda. Ich sitze am Tisch und schaue auf meine Ketten. Obwohl ich gerade gefesselt bin, habe ich mich noch nie so befreit gefühlt.
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Orange Jumpsuit
RandomDie junge Nathalie Walker beginnt ihr Haftstrafe im Frauengefängnis Eagle Rock. Als Häftling 452-869 muss sie sich in ihrem neuen Gefängnisleben zurecht finden. Die Geschichte beschreibt den Alltag in einem Frauengefängnis, es kommen aber immer wied...