(38) Zeit danach

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Amy POV

Das war jetzt schon eine Woche her. Ich fühlte mich immer noch wie nach einem Bombenangriff. Die anderen aus meinem Rudel hatten in der Heilung nach dem Kampf schon eine Woche Vorsprung. Man sah bei ihnen, wenn es hoch kam ein paar vereinzelte Kratzer. Sie waren halt gut auf das vorbereitet und Alf tat sein Übriges. Ich hatte keine offensichtlichen Verletzungen, aber ich schaffte es nur beim ersten Mal am Tag eine Treppe bis ganz oben hoch. Jared hatte sämtliche Alphaaufgaben übernommen, sodass ich mich trainieren und aufbauen konnte. Aber ich hatte ihm unmissverständlich klar gemacht, dass er sich daran nicht gewöhnen sollte. Es lief ganz gut zwischen uns, wenn ich denn mal nicht trainierte oder Jared arbeitete. Die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren. Sie wollten zwar alle warten bis ich wieder auf der Höhe war, aber dann sollte schon alles fertig sein. Alle Rudel planten gemeinsam die Alphazeremonie von Marc jr. und unsere Rudelzusammenführung, bei der ebenfalls eine etwas abgewandelte Alphazeremonie im Kleinen stattfinden musste. Jared und ich waren zwar beide schon Alpha, aber nicht von dem Rudel, dass jetzt entstehen sollte. Nachdem ich aufgewacht war, hatte sich Jareds Rudel dazu entschieden doch noch nicht komplett zu uns zu ziehen. Sie hatten es tatsächlich geschafft, alles umzubauen. Jedoch fanden sie es in dem neuen Kontext angemessener alles vorzubereiten und nach der offiziellen Rudelzusammenführung umzuziehen. Es war so unwirklich. Noch vor wenigen Wochen hatte ich allesamt hochkant rausschmeißen wollen und nahm dabei keine Rücksicht auf Verluste. Und heute? Heute hatte ich vorgeschlagen, dass sie alle bleiben sollen. Wir hatten ja das größere Territorium und es hatten sich alle hier eingelebt. Ich fand es auch noch toll. Ich schüttelte lachend meinen Kopf über mich selbst. Ich konnte mir meinen Wandel nur mit einer Gehirnwäsche erklären. Und sie war sehr erfolgreich und glaubhaft gewesen. Ich fühlte mich wohl in meinem Leben, was sich jedoch morgen ändern könnte. Morgen war mein erster Schultag nach längerer Zeit. Obwohl mir noch nicht einmal vor dem Verpassten Bange war, ich wurde von genügend Leuten auf den aktuellen Stand gebracht. Mir wurde eher übel, wenn ich an die ganzen Treppen in der Schule dachte.

„Na, Schwesterchen. Schon fertig mit trainieren?"
Ich schnaubte und blickte die Treppe hoch. Ich wollte sie heute zweimal hintereinander schaffen und saß gerade nicht mal auf der Hälfte der Treppe und blickte verzweifelt hoch.
„Ich glaube, euer Rudel kann es jetzt mit mir aufnehmen", sagte ich gequält und musste lachen.
„Ich glaube auch heute würden wir das nicht schaffen. Du bist uns immer noch meilenweit voraus", Jo setzte sich neben mich und stützte die Unterarme auf seine Beine. Jo war einfach der beste Bruder, den man sich vorstellen konnte. Ich lehnte mich bei ihm an. Und so saßen wir einige Minuten einfach schweigend nebeneinander. Ich war so froh, dass Jo unter anderen schon mit Mia zusammen hierhergezogen war.
„Aber ich glaube nicht, dass du den ganzen Tag hier auf der Treppe sitzen willst."
„Ach, und da bist du dir so sicher, weil?", ich blickte hoch.
„Weil wir uns gedacht haben, dass bevor du wieder in den Alltag gestürzt wirst, einmal Zeit mit deinem Mate genießen können solltest."
„Wir?"
„Du stolperst über das Wir, aber nicht über Zeit mit deinem Mate?", Jo lachte und blickte mich wie früher mit diesem großer-Bruder-Blick an.
„Vielleicht habe ich mich an dieses Wir schon gewöhnt", schließlich waren Jared und ich jetzt bei den Rudelangelegenheiten ein Wir und eben auch Mates. Da war ein Wir doch normal.
„Wow. Du bist echt... WOW!"
„Lenk nicht ab, wer ist wir?"
„Abbey, Alex und ich. Und Mia hat eventuell auch mitgeholfen", er kratzte sich unbeholfen am Hinterkopf.
„AHA", mehr sagte ich nicht, während ich mir ein grinsen unterdrückte und ernst dreinblickte.
„Naja, ihr habt halt viel um die Ohren und das muss man doch auch mal ändern."
„Aha."
„Ja. Und Abbey hat da so eine abgelegene Lichtung erwähnt, vielleicht wollt ihr da in alten Erinnerungen schwelgen und neue beginnen", es klang wie eine Frage.
Ich sprang auf, soweit ich das nach anderthalb Treppen noch konnte und fing an weiter hochzusteigen. Ich drehte mich nochmal um und erblickte einen knallroten Jo. Ich konnte nicht anders: „Du kannst Ab sagen, sie ist eine olle Petze." Dann lief ich die nächsten zwei oder drei Stufen. Nicht mehr ganz so mit viel Luft fügte ich dann hinzu: „Aber... war eine... gute... Idee... von euch."
„Echt?", Jo drehte sich ebenfalls zu mir um.
„Ja."
„Aber warum war?", er blieb skeptisch und ich musste stehenbleiben. Na super, so wurde das nie was mit einem Marathon.
„Weil es... keine Idee mehr ist."
„Wie es ist keine Idee mehr?"
„Weil ich, wenn ich die Treppe geschafft habe, ... zu Jared gehen und... ihn überzeugen werde."
„Aber die Idee war heute Abend?"
„Was hattest du denn gedacht?", ich lachte, auch wenn dafür immer noch die Luft fehlte.
„Du Biest", rief Jo und rannte damit auf mich zu. Ich war leider so dumm und fiel darauf rein. Ich rannte ebenfalls nach oben. Auf der letzten Stufe brach ich nach vorne hin zusammen und dachte das wars jetzt ein für alle Mal mit Luft bekommen.
„Ach, du scheiße. Das wollte ich nicht. Ey, sorry. Ich hatte es vergessen."
Ich versuchte ohne Luft zu lachen. Es misslang mir ohne Glanz und Würde. Ich drehte mich um und auf den Rücken. Jo erkannte mein Grinsen und setzte sich neben mich. Er sagte nichts mehr und wartete darauf, dass ich wieder Luft bekam. Wie konnte mich so ne dumme Legende so ausknocken?
„Leute, ich habs gefunden", hörte ich plötzlich Mike rufen, während er unten an die Treppe herantrat.
„Wer?", rief Ab.
„Was wird das wenns fertig ist?", fragte ich in die Runde. Am Fuße der Treppe standen mittlerweile noch Alex, Joanna und Tina.
„Wir haben uns gefragt wer hier so poltert und dann hörten wir nur noch luftschnappen", grinste mich Tina an.
„Wir haben Wetten abgeschlossen, wers war und wer ihn am schnellsten findet", grinste Mike, „und ich habe eindeutig gewonnen."
„Da muss ich euch leider enttäuschen, ich wars", grinste Jo.
„Wie?", kam es im Chor.
„Ich bin hinter Amy her gepoltert. Ich habe leider nicht bedacht, dass sie die Treppe noch nicht so ganz hochrennen kann", verlegen lächelte er in die Runde.
Das verursachte ein Tumult an der Truppe da unten. Von „Nein, die Wette ist hinfällig" bis „Ja, aber ich hab sie doch gefunden" war alles zu hören. Ich bekam zwar noch nicht ausreichend Luft, aber ich entschied mich trotzdem die Gelegenheit zu nutzen und an ihnen vorbei zu huschen und zu Jared zu gehen. Als ich schon um die Ecke war, hörte ich noch ein „Amy, was meinst du denn?"

Wie Jo sagte, wir sind ihnen immer noch überlegen.

Ich lachte ein letztes Mal auf und betrat leise das Büro, als ich Jared drinnen reden hörte. Er grinste mich an und ließ sich nicht beirren.
„Was verschafft mir die Ehre, hochwürdige Oberalpha?", er lehnte sich im Stuhl zurück, nachdem er das Telefonat beendet hatte. Ich lehnte am Schreibtisch neben ihm.
„In regelmäßigen Abständen werden unangekündigte Kontrollen durchgeführt", leider war meine Luft noch nicht wieder da.
„Alles gut?", jetzt war er besorgt.
„Bestens. Jo hat mich gerade die Treppe hochgescheucht", lächelte ich ihn an.
„Na, dann kann ich ja beruhigt fortfahren", er drehte sich gespielt zum Schreibtisch, drehte sich aber wieder zu mir.
„Hat die Legende auch beinhaltet, warum du so entkräftigt bist? Warum das so unverhältnismäßig lange dauert?"
„Vielleicht eine Mischung der Legenden. Das ist zumindest Marcs Meinung. Die eine muss mich schwächen, weil ich bestanden, nichts verraten und es dennoch für uns genutzt habe. Die andere wird mit ziemlicher Sicherheit bei jeder meiner Entscheidungen eine Hürde eingebaut haben. Damit ich mir sicher bin, was ich tue. Vermutlich hätte ich bei einer anderen Entscheidung die Schwäche nur psychisch. Weil ich aber psychisch voll stabil bin und völlig im Einklang mit meiner Entscheidung, stört es physisch", ich musste selbst über meine verwirrenden Worte lachen.
„Dann bin ich aber beruhigt."
„Warum ich eigentlich hier bin, unser Rudel wäre so gütig, uns heute Abend frei zu geben..."
„Wie kommen wir zu der Ehre?", er grinste wieder so schief.
„Sie behaupten, weil wir ja morgen wieder in den Alltag gestürzt werden..."
„Und was glaubst du?"
„Ich glaube, dass sie ein schlechtes Gewissen haben. Wir müssen alles umstrukturieren und das für die Kindsköpfe", lachte ich.
„Dann verraten wir ihnen besser nicht, dass wir, wenn wir das hinter uns haben, nicht einmal mehr die Hälfte des Papierkrams haben", Jared breitete die Arme leicht aus.
„Das wäre, glaube ich besser so", ich ging auf ihn zu und ließ mich in seine Arme und auf seinen Schoß sinken.
„Also heute Abend?"
„Heute Abend", bestätigte ich, „wie beim letzten Mal?"
„Du meinst da?", er grinste mich vielsagend an und kam mir näher.
„Genau da", ich überbrückte den Abstand und wir küssten uns das erste Mal nach den letzten Ereignissen. Es war perfekt, er rannte auf mich zu, wie er es mir versprochen hatte und ich freute mich auf heute Abend.
„Das gerade war übrigens Marc", fing Jared an, als wir uns wieder trennten.
„Ist etwas passiert?"
„Das Partykomitee", dabei malte er mit einer freien Hand Gänsefüßchen in die Luft, „schlägt Samstag vor. Sie hätten schon alles geplant, würden aber auf dein OK warten."
„Dann hast du ihnen hoffentlich gesagt, ..."
„..., dass es vollkommen in Ordnung ist."
„Spielverderber", murmelte ich.

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Alpha wants Alpha | abgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt