Eine neue Garderobe und eine wütende Schwester

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Kapitel 8



*** Eine neueGarderobe und eine wütende Schwester ***



Ich führte Alex einStück von der Villa weg und konnte regelrecht sehen, wie siezusammensank. Etwas in Sorge fragte ich, ob alles in Ordnung sei. Siewar genau wie ich, am Überlegen, WAS das gerade dort war und aufmeine Frage, ob sie diese Präsenz auch gespürt hätte, bekam icheine Erklärung. Meine Verlobte, ja, es klingt noch seltsam, wenn iches so aufgeschrieben sehe, hatte eine Art Hand auf ihrer Schultergespürt, welche sie immer wieder ermahnte ruhig zu bleiben und dasschien funktioniert zu haben. Aber ich hatte niemanden oder besserkeine Aura sehen können, auch Alex hatte nichts gesehen.


In diesem Moment hatteich das Bedürfnis, mich bei ihr zu entschuldigen, dass ich sie soüberrannt hatte und erklärte auch, dass ich mir das andersvorgestellt hatte. „Ich... natürlich verzeihe ich dir. Auchmir tut es leid, dass du so Hals über Kopf handeln musstest. Ich...freue mich einfach nur. Doch ich hatte ehrlich gesagt überhauptnicht mit so etwas gerechnet. Ich hoffe, du hast nicht das Gefühl,dass du es aus Zwang tun musstest. Denn... ich... also..." Alsodachte sie genauso wie ich und ich war erleichtert. Mein Kuss sollteihr zeigen, dass ich es ernst meinte und ich spürte, wie sie ihnerwiderte, somit brauchten wir keine weiteren Worte.


Wir beschlossen zu Fußzu gehen, wir waren uns in dieser Beziehung einig, dass einSpaziergang am besten die Gedanken zur Ruhe brachte. Doch ich hattenoch etwas anderes vor und lenkte sie in die Stadt und Richtung einesGeschäfts, welches mir vorhin schon in den Sinn kam, als es um ihreGarderobe ging. Für einen kurzen Moment, fiel ihr Blick wieder aufden Verlobungsring und sie meinte leise „Er ist wunderschön,Haytham!" und ich brachte nur ein Lächeln zustande, denn er passtezu ihr und in diesem Moment war ich einfach zufrieden und ...glücklich!


Für einen Moment gingenwir schweigend durch die Straßen, hin und wieder sah ich zur Seiteund bemerkte, dass Alex in Gedanken war. Doch lesen konnte ich sienicht mehr. Irgendwann grinste sie in sich hinein und das veranlasstemich dann doch zu fragen, meine Neugierde überkam mich. „Duhast mich durchschaut! Es geht um dich, mir ist gerade unserAltersunterschied durch den Kopf gegangen!" Wenn ich ehrlichbin, ich hatte daran keinen Gedanken verschwendet, ich wusste nichteinmal ihr richtiges Alter. Ihr ging es ähnlich, es war nichtwirklich relevant für unsere Beziehung. Auch wenn ich jetztneugierig war und sie mir mitteilte, dass sie 7 Jahre älter sei alsich. Das war mir aber nicht wichtig, wichtig war nur, dass ich sieliebte und als ich das hier sagte, wurde mir bewusst, dass ich esAlex noch nie gesagt hatte. Und wieder sah sie mich mit Tränen inden Augen an und hauchte ein „Ich dich auch, Haytham!" an meinenLippen.


Es wurde langsam immerschwerer für mich, diese Frau wieder gehen lassen zu müssen undhoffte, dass sie noch einige Tage blieb. Sie hatte mich verändert,dass wusste ich und auch alle anderen um mich herum hatten esgemerkt. Besonders in den Monaten, als Alex fort war und ich dieseendlosen Wochen auf See verbringen musste. Ich hoffte, dass dienächste Zeit, in welcher ich alleine war, nicht so lange werdenwürde und ich nicht wieder gezwungen bin, auf engstem Raum imNordatlantik umher schippern zu müssen.


Dann sah ich schon vonweitem mein Ziel und führte Alex dorthin. Vor dem Geschäft trat ichhinter sie und umschlang ihre Taille und wartete auf eine Reaktion,als ich sagte, dass wir ihre Garderobe aufstocken sollten. Einungläubiges „Wie? Jetzt sofort?" ließ mich lachen. Ja,so war mein Plan und ich schob sie in Richtung des Einganges. Als wireintraten, ging ein bewundernder Ausdruck über ihr Gesicht und ichließ sie sich erst einmal umsehen. Während dessen unterhielt ichmich mit dem Schneider und seiner Tochter. Ich wusste von MasterJohnson oder auch Master Pitcairn, dass Mr. Vandenwinkelausgezeichnete Arbeit leistete und seine Waren waren erschwinglich.Nicht für jedermann, ich gebe es zu, aber gut verarbeiteter Stoffund die gute Arbeite sollten auch entsprechend entlohnt werden.


Alex strichgedankenverloren über eines der ausgestellten Kleider. Es war einesaus grüner Seide und ich stellte mir gerade vor, wie sie darinaussehen würde. Auf unsere Ansprache reagierte sie mal wieder nicht,also räusperten wir uns und dann drehte sie sich entschuldigend um.„Euer Verlobter bat mich, euch ein paar Kleider zu zeigen, aberich sehe schon, ihr habt ein Auge für die wirklich ausgefallenenExemplare, Miss" meinte der Schneider nur und stellte sich nochbei ihr mit einer tiefen Verbeugung vor.


Nun ging es an dieAnprobe, zuerst wollte ich dieses grüne Kleid an ihr sehen und dieanderen beiden dahinter selbstverständlich auch. Das weinrote hattees mir persönlich am meisten angetan und ich fragte mich, welchessie zur Hochzeit anziehen sollte. So ganz war ich hier noch nichtzufrieden. Als meine Verlobte mit der Tochter des Schneiders imhinteren Bereich verschwand, ließ ich mir die Schnittmuster zeigenund auch Beispiele für andere Kleider. Wenn wir schon einmal hierwaren, konnte ich auch noch andere ordern, denn wir bräuchten aufDauer definitiv mehr Auswahl Zuhause. Ich freute mich plötzlich wieein kleiner Junge über diesen Gedanken, dass ich für meinezukünftige Frau etwas kaufte.


Dann stand Alex wieder imVerkaufsraum und mir blieb die Sprache weg, sie sah atemberaubend indiesem Kleid aus und ich musste schwer schlucken. Und mehr wie „Daswäre dann Nummer eins!" brachte ich gerade nicht heraus. Ichkonnte aber in ihrem Gesicht sehen, dass ihr das ganze so langsamunangenehm wurde, weil nicht SIE diese Sachen kaufte, sondern ich.Also versuchte ich ihr Gewissen zu beruhigen und meinte nur, dass icheine passende Garderobe für sie haben möchte, welche ihr Aussehennoch unterstreicht. „Aber ich kann das nie wieder gutmachen!"Niemand hat davon gesprochen, für mich reichte es völlig aus, dassdiese Frau bald, nunja leider nicht ganz so bald, MEINE Frau werdenwürde.


In ihrem Gesicht sah ichaber eine Traurigkeit aufsteigen, als sie sagte „Haytham, ich ...versteh mich nicht falsch. Aber ist es nicht Verschwendung, sie jetztschon zu kaufen. Ich... werde sie erst in vermutlich 3 Jahren tragenkönnen!" Das war mir bewusst, doch ich wollte es so, ichwollte jetzt diese Dinge mit ihr erleben! Auch unsere Hochzeit würdenoch ein paar Jahre auf sich warten lassen, doch es war mir egal. Ichbrauchte diese normalen Momente mit Alex und als sie meinte, dass WIRunsere Hochzeit planen würden und niemand anderes, verflog dieserdunkle Moment wieder. Nun bekam meine Verlobte noch passendeUnterkleider und entsprechende Leibwäsche, denn sie hatte mirgeschildert, dass sie diese in ihrer Zeit nicht beschaffen könne.Als wir alles geordert hatten und wieder draußen auf der Straßestanden, war ich wieder in einer gewissen Hochstimmung und genossAlex' Nähe.


Doch kurz bevor wirZuhause ankamen, hielt neben uns eine Kutsche und eine ziemlichwütende und aufgebrachte Mrs. Cormac trat auf uns zu, hinter ihrerschien ihr Ehemann, welcher noch versuchte sie zu beruhigen. „WANNhattest du vor mir das mitzuteilen, Bruder?" fuhr sie mich anund funkelte böse zu mir hinauf. Das durfte doch nicht wahr sein,wer bitte hatte ihr das so schnell mitgeteilt. Doch dann dämmerte esmir, als ich die Kutsche sah. Sie waren uns vermutlich hinterhergefahren, aus Angst, dass man uns teert und federt, wenn ich Alexvorstelle. Genervt erklärte ich Faith, dass ich es schon nochoffiziell gemacht hätte, aber eben erst NACH ihrer Hochzeit, ausHöflichkeit und Respekt ihr gegenüber. Warum verstand daseigentlich niemand hier?


Plötzlich wandte sichmeine kleine Schwester an Alex und sah sie wütend an. „Ihrnehmt das Ganze anscheinend nicht ernst, kann das sein?"fauchte sie meine Verlobte an, welche versuchte ein Grinsen zuunterdrücken. Die beiden Frauen standen sich lauernd gegenüber undinstinktiv ging ich einen Schritt zurück. „Doch, Mrs. Cormac,ich nehme das ernst. Es fällt nur tatsächlich schwer zu glauben,dass Haytham nicht frei alleine entscheiden darf. Und wenn ichehrlich bin, möchte ich auch nicht immer der Spielball sein. Ichwurde vorhin auch vor vollendete Tatsachen gestellt und hatte einenHaufen an Fragen zu beantworten! Glaubt mir, ich bin gerade nicht inStimmung für derlei Gespräche und Anschuldigungen!" kam es imruhigen Ton von Alex, genau wie bei Lady Melanie hatte sie ihreGefühle und Emotionen wieder im Griff. Mir wurde klar, dass sie sichimmer wieder in die Ecke gedrängt fühlte, weil man ihr einfachnicht über den Weg traute, noch nicht, möchte ich betonen!


Der nächste Satz vonmeiner kleinen Schwester ließ mich aber aufhorchen! „Vielleichtist der Vorschlag, den Master Edward gemacht hat, gar nicht soverkehrt!" In ihrer Stimme lag eine ziemlich große Kampfeslustund diese spiegelte sich auch in ihrem Gesicht wieder. Doch was bittehatte mein Vater jetzt damit zu tun? Ich sah von Faith zu meinerVerlobten und wartete auf eine Antwort!


Das Tagebuch des Haytham E. Kenway - Die verlorenen Seiten - Part 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt