Der Probekampf

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Kapitel 12


*** DerProbekampf ***


Wirverließen mein Haus und gingen die zwei Straßen weiter zurGarnison. Am Tor begrüßte uns die Wache und ich musste sie daraufhinweisen, dass die Dame an meiner Seite meine Verlobte sei.Entschuldigend verbeugte sich der Soldat und ließ uns danneintreten. Im Inneren herrschte der alltägliche Betrieb, dieOffiziere drillten ihre Untergebenen, Kisten wurden hin und hergetragen und ich nahm wahr, dass die Wachen anscheinend neueingeteilt worden waren.


Icherklärte Alex, wie so eine Garnison aufgebaut ist, nach welchenKriterien man die Gebäude errichtet und wie lange der Bau hiergedauert hatte. An ihrer Haltung konnte ich sehen, dass sie, nichtunbedingt überfordert ist, doch aber viele Informationen verarbeitensollte. Auch schien sie sich etwas zu fragen, doch ich konnte Teufelnoch eins, nicht mehr immer in ihr lesen. Ich sprach Alex aber nichtdarauf an, sondern erklärte ihr noch weitere Eigenheiten bezüglichder Armee und ihren Rängen.


Alsich wieder zu ihr hinübersah, hatte sich ein Grinsen auf ihremGesicht gebildet und ich fragte einfach, ob es daran liegt, dass siesich auf den Kampf freuen würde. „Nein,oder doch auch. Aber ich bin nur froh, das Lee und Hickey hier nichtauftauchen können." Daswar natürlich verständlich und dann traten wir auf denExerzierplatz und ich winkte Alex darauf zu. „Da wären wir! Hierwerden wir sicher genug Platz haben!" meinte ich breit grinsend,denn ich war mittlerweile doch schon sehr gespannt, wie sie kämpfenwürde!


ImGesicht meiner Verlobten standen mit einem Male doch wieder ihreganzen Gedanken und ich sah, dass sie sich fragte wie ICH kämpfte.Gesehen hatte sie mich wirklich noch nicht dabei, aber ich würdejetzt auch nicht bis zum Äußersten gehen, ich wollte ja nursicherstellen, dass sie bei Faith nicht völlig an Boden verlor. Aufmeine Bemerkung, dass sie wieder so offen wie eh und je war, kam nurein „Das wäre fatal beimKampf, Haytham, oder? Aber... dann muss ich wohl in mich gehen undmich versuchen zu beherrschen." Wenn sie es nicht täte, dann hätte jeder Gegner leichtes Spiel mitihr und das wäre wirklich mehr als ärgerlich, wenn ich das so sagendarf.


Alssich ihr Blick wieder auf mich richtete, hatte ich mich meinerseitsbereit gemacht und ich konnte spüren, dass ihr die Veränderungaufgefallen war. Meine Bemerkung, dass sie sonst nicht langeüberleben würde, konterte sie ebenso kühl mit einem „Das werdenwir ja noch sehen, Master Kenway!" Dann war es wohl jetzt soweit,ich ging einen Schritt zurück und zog mein Schwert und sie tat esmir gleich, musterte mich aber bei jeder Bewegung. Fürs erste würdeich sie beobachten, ich musste wissen, ob mein Vater seine Technikenganz weitergab oder Alex frei kämpfte. Langsam schritt ich um sieherum, während ich mein Schwert schwang um ein Gefühl dafür zubekommen. Alex unternahm nichts, sondern begann auch, den Stahl inihrer Hand zu fühlen.


Alsich hinter ihr stand, konnte ich die Stimme, wie sie ihr sagte, siewürde es schaffen und sie müsse nur an sich glauben, fast lauthören. Dann plötzlich stand sie für eine Sekunde still und ichwollte mich schon wundern, doch sie schwang unvermittelt herum undgriff mich gezielt an. Überrascht versuchte ich die Schläge zuparieren und es gelang mir auch, in ihrem Arm lag eine gewisse Kraft,die man Alex nicht unbedingt zutrauen würde. Was mich jetztvorsichtiger werden ließ, dass würde sie sicherlich für sich nochnutzen.


Ichtat, was ich für richtig hielt und ging auf sie los und attackiertesie, ohne wirklich Rücksicht zu nehmen, obwohl ich eigentlich vorhernoch anders gedacht hatte. Aber fast alle Angriffe und Schlägemeinerseits blockte oder konterte sie gekonnt. Ihre Bewegungen warenfließend, hatten aber eine Art eigenen Rhythmus, welchen ich nochnicht ganz raus hatte. Lange konnte es nicht mehr dauern, und dannwar der Moment, in welchem Alex unvorsichtig wurde oder aus dem Taktgeriet.


MeineChance einen Treffer zu landen und ich tat es. Mein Hieb traf ihreSchwerthand und kurzzeitig sah es so aus, als wolle sie das Schwertfallenlassen, doch mein Gegenüber klammerte sich regelrecht daranund in ihren Augen lag mittlerweile ein richtiger Kampfgeist. Ichdrosch immer und immer wieder auf sie ein, doch es war mir kaummöglich, durch ihre Defensive zu dringen, es war leicht frustrierendund ich musste mir eine andere Taktik überlegen.


Zuspät sah ich, wie sie Anlauf nahm und mir im Sprung mit ihrem Fußeinen Tritt verpasste, mitten auf die Brust. Für einen Bruchteileiner Sekunde schoss mir die Luft aus der Lunge und ich taumelteleicht nach hinten. Doch jetzt war es aus, meine innere Ruhe war demWunsch gewichen, ihr zu zeigen, wer hier der Erfahrene von uns ist.Ich schoss vor und mein Schwert fand immer wieder sein Ziel undkonnte hin und wieder doch durchbrechen. Aber das hielt Alex nichtdavon ab, sich weiter zu wehren oder aufzugeben, sie wurde immerangriffslustiger hatte ich den Eindruck. Auch wenn man spürte, dasssie es nicht allzu leicht gerade hatte, sich zu behaupten.


Füreinen kurzen Moment passte sie zwischen zwei Angriffen nicht auf undich landete mit meiner Schwerthand einen harten Treffer unter ihrKinn und Alex schloss schmerzverzerrt kurz die Augen. Doch auch dashielt sie nicht vom weiterkämpfen ab. Ich muss es ihr lassen, siewollte es wissen und sie war gut! Dann standen wir uns lauerndgegenüber und taxierten den anderen. Mit einem Mal sah ich in ihrenAugen eine Wut, welche ich das letzte Mal gesehen hatte, als sie michmit der Gehirnerschütterung pflegen sollte. Diese Stimme von vorhinhörte ich wieder, wie sie Alex befahl sich zu wappnen, denn ichwürde sie angreifen!


Ohja, ich würde und ich tat es, doch auch meine Verlobte attackiertemich weiterhin, es war einfach nur noch Schwert gegen Schwert und inmir kochte eine Wut gepaart mit Frustration hoch, welche michvorpreschen ließ und ich erwischte mit einer ausholenden Bewegungihr Bein und brachte Alex so zu Fall. Somit hatte ich siebewegungsunfähig unter mir mit meiner Schwertspitze an ihrem Hals.Auf meine zynische Frage hin, ob sie aufgibt oder wünscht, dass ichweitermache, bekam ich eine passende Antwort, wie immer! „Ichwerde sicher nicht so einfach auf dem Rücken liegend aufgeben,Master Kenway!" DiesesZähneknirschen hörte sich unheimlich an und ich war kurzzeitigabgelenkt. In diesen paar Sekunden hatte sie ihren linken Arm befreitund rammte mir ihre Faust in die rechte Seite. Dieser stechendeSchmerz, weil sie genau einen Muskel getroffen hatte mit ihrenspitzen Fingerknochen, wich ich kurz zurück.


So konnte Alex sich aberunter mir befreien, doch ich war schneller wieder bei ihr als ihrlieb war und drehte ihren Schwertarm schmerzhaft auf den Rücken. Sohatte sie keine Chance mehr, sich zu befreien, es sei denn... nein,das würde sie nicht tun. Sie würde mich nicht ernsthaft mit denversteckten Klingen verletzen. Ich beugte mich zu ihr hinunter undraunte ihr ans Ohr „Und wie ist es jetzt, Mrs. Frederickson? Immernoch der Meinung, dass ihr nicht aufgeben wollt?" und konnte mirein böses Grinsen nicht verkneifen.


Ichhatte nicht mit ihrem Einfallsreichtum gerechnet und auch nicht mitdiesem Kampfgeist, welcher sicher nicht ihrer alleine war. Doch miteinem Schlag, in welchen Alex all ihr Wut und Kraft legte, schlug siemit der linken Faust gegen mein Knie und ich konnte mich nur noch zurSeite wegdrehen. Es fühlte sich an, als wäre mein Knie inEinzelteile gesprungen! Mit einer geschmeidigen Bewegung brachte siemich unter sich und klemmte meine Arme unter ihre Knie und hockte nunauf mir. „Was jetztMaster Kenway? Immer noch der Meinung, dass ihr mir das Wasserreichen könnt?"Sie stellte diese Frage so wahnsinnig bissig, dass ich mir jetzteingestehen musste, nichts mehr machen zu können.


Langsamversuchte ich meinen Atem zu beruhigen und den Schmerz zuunterdrücken, der von meinem Knie ausging, dann antwortete ichleise. „Du bist gut! Ich hätte dich gar nicht so eingeschätzt."Nun half sie mir hoch, doch ich konnte nicht eine Sekunde auf meinemlinken Bein stehen und ich spürte, wie das ganze Knie anschwoll undes pochte widerlich unter der Haut! Alex bekam leichte Panik und ichkonnte sehen, dass sie sich fragte, ob sie nicht doch zu weitgegangen ist. „Estut mir leid, ich hoffe, es ist nicht allzu schlimm? Sollen wir FaithBescheid sagen?" Dochich musste bei diesem großen schlechten Gewissen, welches Alexüberkam, grinsen und meinte nur, wir sollten meiner kleinenSchwester einen Besuch abstatten. Und mir fiel ein, dass damit dieHochzeit für mich wohl ins Wasser fällt. Zumindest würde ich nichteinen Tanz mit ihr über die Bühne bringen bei diesen Schmerzen.


Plötzlich sah ich inihren Augen echte Panik, denn Alex schien dieses Ereignis völligvergessen oder verdrängt zu haben in den letzten Stunden! 

Das Tagebuch des Haytham E. Kenway - Die verlorenen Seiten - Part 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt