8 • confrontation

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"Sag mal Jaehyun, wie kommt es eigentlich, dass du mitten im Schuljahr hier her gewechselt bist? Ist ja eigentlich eher unüblich" fragte Taeil interessiert und ich starrte wie die letzten Minuten seitdem Jaehyun hier war weiterhin auf meine Hände, die in meinem Schoß lagen. Zum Glück würde die Pause bald schon enden.

"Ah, das war eigentlich auch nicht geplant. Ich habe die letzten vier Jahre in Connecticut verbracht, das lag an der Arbeit meiner Eltern, sie wurden beide in die Staaten versetzt. Ich sollte eigentlich bis zum Ende des Schuljahres noch an der Highschool dort bleiben aber.. A-Aber es lief etwas anders, ein paar Dinge kamen dazwischen.. auch nicht weiter wichtig, deswegen durfte ich frühzeitig zurück nach Korea und bin jetzt hier bei euch" erzählte Jaehyun und ich hörte, wie die anderen interessiert zustimmten.

Als meine Anstrengung von dem Gespräch an unserem Tisch bereits fast ihren Höhepunkt erreicht hatte, wurde ich zum Glück rechtzeitig erlöst und die Schulklingel ertönte. Während die anderen erschöpft aufstöhnten, stand ich als erster mit einem Ruck auf und verließ den Tisch. Ich bekam nur am Rande mit, wie die anderen hinter mir folgten, als Mark plötzlich meinen Namen rief. "Taeyong, was ist los mit dir? Du machst die ganze Zeit so ein Gesicht und redest gar nicht" erkundigte er sich besorgt als ich mich umgedreht hatte und seufzte. Er hatte noch gar nichts mitbekommen, vermutlich weil er den ganzen Tag mit Jaehyun beschäftigt war. Ich spürte, wie mir die Rechtfertigungen heute erneut auf die Nerven gingen.

"Lass gut sein, Mark" winkte ich ab, als mein Kumpel mich am Arm festhielt. "Ich merke doch, dass etwas nicht stimmt. Ist es noch wegen letzter Wo-" - "Mark, ich sagte, du sollst es lassen. Ich will nicht mit dir reden." entfuhr es mir und er schien verwundert über meine schnippische Antwort, doch ich konnte meine Genervtheit mittlerweile nicht mehr verstecken. "Alles okay" fügte ich gereizt hinzu, als der Neue sich plötzlich neben Mark stellte und mir ein zweites Mal heute in die Augen sah. Diesmal jedoch auf eine andere Art. Vorwurfsvoller.

"Alles okay also? So sah das bei deinem Zusammenbruch heute Morgen aber nicht aus" mischte er sich nun auch noch ein und nun war mein Geduldsfaden endgültig gerissen. Schon wieder hatte er sich in etwas eingemischt, das ihn nicht im Geringsten betraf. Marks Augen wurden groß, während auch Jungwoo und Haechan, die die Cafeteria noch nicht verlassen hatten, verwirrt zu mir sahen. "Was? Was für ein Zusammenbruch? Wieso erzählst du davon nichts?!"

Ich schnaubte wütend und konnte mich nicht mehr bremsen. "Genau deshalb! Ich wollte euch nicht mit meinem Scheiß belasten und einfach in Ruhe gelassen werden! Ich bin es so Leid, von allen Seiten belabert zu werden, ich wollte mir den Stress einmal ersparen, nach der ganzen sonstigen Scheiße heute. Aber natürlich konnte unser Neuer seine Klappe mal wieder nicht halten!"

"Jetzt komm mal runter, Tae! Jaehyun kann doch nichts dafür, wie redest du denn über ihn?" verteidigte Mark den Jungen neben mir, der mich nur schweigend ansah.

Ich lachte nur einmal abwertend auf und war viel zu fertig, um mich dem nächsten Problem heute zu widmen. "Ich gehe nachhause, 'hab keinen Bock mehr" murmelte ich und verließ die Cafeteria.

Genervt verließ ich schließlich das Schulgelände und ging mit den Händen in den Hosentaschen vor mich hin, als mich eine noch immer ungewohnte Stimme von hinten dazu brachte, stehen zu bleiben.

"Ich kann nichts für deine Laune, die heute anscheinend echt zum Kotzen sein muss."

Ich drehte mich um und sah Jaehyun, welcher mir mit neutralem Blick gegenüberstand.

"Meine Laune geht dich einen Scheißdreck an. Ich weiß nicht, für wen du dich hältst, aber hör auf, dich in fremde Angelegenheiten einzumischen und vor meinen Freunden Dinge zu erzählen, die nicht deine Sache sind." zischte ich und wollte mich gerade umdrehen, als Jaehyun sich mir näherte und schließlich nur noch einen Meter vor mir stand.

"Ich weiß nicht, für wen du dich hältst, aber du solltest deine Freunde nicht so behandeln, die nur dein Bestes wollen. Sie haben sich Sorgen gemacht, und das hab' auch ich getan. Ich wollte dir heute morgen helfen, ich habe an dieser Wand einen aufgelösten, schwachen Jungen gesehen der Hilfe gebraucht hätte. Aber wie hätte ich wissen können, dass du mich so anschreien würdest?" Ich schwieg. "Ich weiß nichts über dich. Ich weiß nicht, wieso du so fertig warst, was dich so extrem wütend macht. Ich habe erst gerade eben erfahren, dass dein Name Taeyong ist, und sonst kenne ich dich nicht, und ich weiß auch nicht, ob wir uns jemals kennenlernen werden, aber ich kann dir eins sagen," er trat einen letzten Schritt nach vorne und sah mir tief in die Augen, man könnte meinen, bis in meine Seele sah er, so intensiv lag sein Blick auf mir.

"Verschließ' dich nicht vor den Menschen, die dir helfen könnten.. die gut für dich sein könnten. Sonst könntest du sie irgendwann noch ganz verlieren."

Ich war sprachlos. Mein Kopf war wie leergefegt und ein riesiger Kloß steckte in meinem Hals, da die Worte meines Gegenübers so unerwartet kamen. Er warf mir nichts vor, er sagte nichts Böses, griff mich mit seinen Worten  nicht an. Meinte er es tatsächlich nur gut?

Wir hielten weiterhin Augenkontakt. Ich öffnete meinen Mund, wollte zum Sprechen ansetzen und irgendetwas herausbringen, als er plötzlich seinen Blick abwendete, sich umdrehte und in die andere Richtung, zurück zum Schulgebäude, ging. Mich ließ er zurück, mit tausenden Fragezeichen in meinem Kopf, neuen Gedanken, Gefühlen und Sichtweisen.

Sein letzter Satz wiederholte sich immer wieder in meinen Gedanken.
Sich gegenüber Menschen öffnen, auch wenn sie nichts Böses wollten, war seit Ten mein größtes Problem. Ich dachte, mittlerweile hätte ich das alles gut weggesteckt und würde zumindest meinen Freunden  gegenüber genug Vertrauen und Offenheit empfinden, wenn schon niemand anderem gegenüber, doch der heutige Tag hatte mir eine ganz andere Seite bewiesen. Ich war nicht über die Ereignisse von damals hinweg. Mein Vertrauen war nach wie vor komplett kaputt und in meiner Wut wurde ich so egoistisch, dass ich meine eigenen Freunde von mir stieß, selbst einen fremden Jungen, der seinen ersten Tag hier hatte und niemandem etwas Böses wollte.

Hatte Jaehyun Recht?

trust issues - jaeyongWo Geschichten leben. Entdecke jetzt