9 • why do you care?

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Jungwoo musste schmunzeln, als ich mich erneut über die heutige Mathestunde beschwerte. "Das sind doch alles nur Buchstaben, damit kann man doch nicht mal rechnen!" - "Tae, du bist in der Oberstufe! Wo warst du bitte in den letzten Jahren mit deinem Kopf?" lachte er mich leise aus und ich lehnte mich nur schmollend zurück. "Hier im Unterricht anscheinend nicht.. Aber dafür habe ich ja ein Genie neben mir, das mir jede Woche durch diese Hölle hilft" Jungwoo schüttelte lachend den Kopf, "Jaja, ich weiß"

Dann sah er von seinem Blatt auf und drehte seinen Kopf zu mir: "Ich bin froh, dass es dir wieder etwas besser geht. Hast du nochmal mit Mark gesprochen? Er schien gestern ein wenig bedrückt, nachdem du so plötzlich gegangen warst. Er war ja der Einzige, der nicht mitbekommen hat von.. Naja. Du weißt ja" erkundigte Jungwoo sich schließlich und ich nickte leicht, in Gedanken versunken.

"Ich hab ihn heute morgen vor dem Haupteingang aufgehalten, weil ich mich für gestern entschuldigen wollte, ich hab mich wie ein Arsch benommen. Das hat Mark mir dann auch nochmal gesagt" Mein Sitznachbar verzog die Augenbrauen. "War er sehr wütend?" Ich schüttelte den Kopf, immer noch dankbar darüber, dass Mark ein sehr verständnisvoller und treuer Mensch war. "Er meinte, obwohl ich mich scheiße verhalten hatte, könnte er im Nachhinein verstehen, wieso mich alles so aufgeregt hat. Johnny hat's ihm gestern anscheinend noch erzählt.. Er hat mir zum Glück direkt verziehen" erklärte ich leicht lächelnd und auch Jungwoo schien sich über die guten Nachrichten zu freuen. "Na dann ist jetzt endlich alles wieder gut. Du weißt, du musst nicht über alles mit uns reden, aber du brauchst genauso nicht alles alleine schaffen." - "Ja, das.. Das habe ich gestern auch ein Stück mehr verstanden." antwortete ich und mein Blick führte mich bei meinen Worten auf die andere Seite des Klassenraums, wo Jaehyun saß und versunken in seinem Mathebuch las.

Durch ihn hatte ich es verstanden.

Ich wollte es mir zwar nicht eingestehen, da unser Start alles andere als gut war und Jung Jaehyun mir immer noch nicht ganz geheuer war, doch dieser fremde Junge hatte gestern etwas in mir ausgelöst, als er mir so gegenüberstand, mir diese Worte an den Kopf schmiss.

"Hast du mit ihm noch geredet? Schließlich warst du auch nicht ganz nett zu ihm" riss Jungwoos Stimme mich aus meinen Gedanken und ich blinzelte ein paar Mal, drehte meinen Kopf zu ihm: "Z-Zu wem?" - "Na Jaehyun. Wie ich das mitbekommen habe, hattet ihr gestern ein ziemliches Problem miteinander"

Ich seufzte. "Ich weiß auch nicht.. Es kann mir eigentlich auch egal sein, gestern hat er ja nur rein zufällig von allem mitbekommen, weil Mark ihn einmal mitgeschleppt hat, aber mehr wird da auch nicht sein mit dem. Der wird doch bestimmt bereits andere Leute gefunden haben, bei denen er sich rumtreiben wird" murmelte ich dann. Ich hoffte einfach, nicht mehr mit Jaehyun in Kontakt kommen zu müssen. Nach dem gestrigen Tag würde es mir einfach nur unangenehm sein, mit ihm zu reden, und ich wusste nicht, ob es daran lag, dass ich ihn immer noch als nervig empfand oder ob ich mich vielleicht doch etwas dafür schämte, ihn gestern zu Unrecht so angeschrien zu haben.

"Nunja.." Jungwoo legte den Kopf schief, "wenn du mit diesen 'Leuten' uns meinst, dann ja" verwirrt zog ich eine Augenbraue hoch. "Was soll das heißen?" - "Jaehyun hat sich gestern sehr gut mit allen verstanden, vor allem Mark und er wirken schon sehr vertraut miteinander. Ich würde an deiner Stelle lieber damit rechnen, dass du ihn noch oft genug zu sehen und hören bekommen wirst" erklärte Jungwoo und ich wollte gerade einen entsetzten Laut von mir geben, als Herr Kim sich zu Wort meldete.

"Damit das Vergleichen der Aufgaben von dieser Stunde etwas abwechslungsreicher gestaltet wird, könnt ihr eure Ergebnisse in Partnerarbeit kontrollieren. Erledigt dann bitte danach gemeinsam die restlichen Aufgaben auf der Seite" verkündete der Lehrer und ich wollte bereits mit meinem Kopf abschalten, als der Satz ertönte, den ich gerade am Wenigsten hören wollte:

"Ich habe die Paare bereits selbst eingeteilt. Zusammen arbeiten bitte.. Jihoon und Dahyun, Taeyong und Jaehyun, Seoyeon und-"

Taeyong und Jaehyun?!

"Ist doch ne gute Gelegenheit, sich zu entschuldigen, oder was meinst du?" schlug Jungwoo belustigt vor und stieß mir leicht mir dem Ellenbogen in die Seite, während ich nur verdutzt aus der Wäsche sah.

Erst die Tatsache, dass Jaehyun sich anscheinend wirklich mit Mark anfreundete und ich öfter mit ihm zutun haben könnte, und nun durfte ich auch noch mit ihm zusammenarbeiten.

Nachdem Herr Kim alle Namen vorgelesen hatte, sollten wir uns umsetzen und ich sah, wie Jaehyun gelassen aufstand und zu mir rüberging, um vor mir am Tisch Platz zu nehmen. "Ich hoffe, du hast nichts dagegen, wenn ich mich setze und mit dir über Mathe spreche. Sonst dränge ich mich ja vielleicht wieder auf und mische mich in deine Angelegenheiten ein" begrüßte er mich provokant lächelnd, während ich nur die Augen verdrehte. "Sehr lustig" murmelte ich bloß und sah zur Seite, versuchend, zu verstecken, dass ich tatsächlich ein kleines bisschen beschämt war. Ich wusste, wie ich mich gestern benommen hatte, auch Jaehyun gegenüber. Trotzdem regte er mich gerade ein erneutes Mal nur noch auf.

"Wer weiß, was für eine Laune ich heute bei dir erwischt haben könnte, nicht dass ich noch angebrüllt werde" sprach mein Gegenüber weiter, während er mich kein einziges Mal ansah, stattdessen legte er sich bloß die Arbeitsblätter zurecht. Ich schnaubte und verschränkte die Arme deutlich angepisst vor der Brust: "Bist du dann fertig damit, über mich herzuziehen?" Nun sah er endlich zu mir auf und ein erneutes Mal trafen sich unsere Blicke, und wie gestern, überkam mich ein merkwürdiges, undeutbares Gefühl. Ich war unsicher.

"Ich.. ich bin nicht stolz auf gestern, okay? Ja, ich hab mich wie ein Vollidiot aufgeführt" - "Gut, dass du es merkst" fiel mir Jaehyun mit belustigtem Ton ins Wort und ich brach den Augenkontakt ab. "..Und überhaupt, ich verstehe nicht mal, wieso dich das alles so interessiert. Du kennst mich nicht, du hast keine Ahnung, das hast du selbst gesagt. Und trotzdem bist du mir nachgelaufen! Warum hast du es dann nicht einfach gleich gelassen?
Warum hast du mich nicht einfach als launischen Typen abgestempelt und dich nicht weiter darum gekümmert?" sprach ich die Gedanken aus, die mir die ganze Zeit im Kopf herumgeschwirrt waren, obwohl ich nicht einmal beabsichtigt hatte, Jaehyun das alles zu sagen. Es platzte einfach aus mir heraus.

Jaehyun stoppte damit, zwischen den Blättern herumzuwühlen und hielt kurz inne. Ich wagte es, einen erneuten Blick in seine Augen zu riskieren.

"Anders als du es vielleicht sein magst, bin ich aber kein Mensch, der andere abstempelt. Du sagst es, ich kenne dich nicht, aber das gibt mir nicht das Recht, dir keine Hilfe anzubieten, wenn ich sehe dass du sie brauchst." Die Anspannung in meinem Blick löste sich auf einmal und leicht verwundert sah ich ihn an, während seine Augen mittlerweile viel mehr Wärme als Einschüchterung ausstrahlten.

Ich versuchte, mich irgendwie zu fangen und lehnte mich zurück, wollte nicht schwach wirken: "Wer sagt schon, dass ich Hilfe gebraucht habe! Ich hab' dir direkt gesagt, dass ich alleine sein wollte"

Direkt verfinsterte Jaehyuns Blick sich wieder. "Und du denkst, das habe ich dir abgekauft? Ich weiß nicht, wer hier sonst alles rumläuft, der dir sowas glaubt, aber ich habe an meinem ersten Tag an dieser Schule gesehen, dass du viel schwächer bist, als du zugibst, Lee Taeyong" fuhr er mich an und traf mit seinen letzten Worten einen wunden Punkt in mir.

Meine Schwäche.

Was war mit diesem Jungen los? Wieso beeinflusste er mich so? Die Worte anderer Menschen waren mir doch sonst auch egal! Ich öffnete kurz den Mund, schloss ihn daraufhin jedoch direkt wieder.

"Ja, ich hätte dich einfach genauso gut ignorieren können. Ich hätte darauf scheißen können, wie schlecht es dir geht, aber das habe ich nicht. So hartnäckig du auch von Außen sein magst, ich bin jemand, der nicht locker lässt. Ich sorge mich um andere, egal ob ich sie einen Tag kenne oder mehrere Jahre. Tut mir leid, wenn diese Vorstellung nicht in dein oberflächliches Menschenbild passt" sprach Jaehyun schließlich knallhart aus, nahm seine Augen von mir und richtete sie auf das Buch zwischen uns, während ich ihn weiterhin sprachlos anstarrte.

"Also dann, Aufgabe 9."

trust issues - jaeyongWo Geschichten leben. Entdecke jetzt