12 • argument

402 43 3
                                    

Freitag.

Es war fast schon ein Wunder, dass ich die letzten beiden Schulstunden, in denen ich ausgerechnet Mathe haben musste, irgendwie überlebt hatte, denn Herr Kim schrieb nur noch die Hausaufgaben an die Tafel und ließ uns zu meiner Erleichterung bereits fünf Minuten früher gehen.

Jungwoo hatte sich bereits schnell von mir verabschiedet und war innerhalb weniger Sekunden aus dem Raum verschwunden, da er wohl noch etwas in der Stadt erledigen musste.

Ich selbst war nicht in Eile, also packte ich meine Sachen gemütlich zusammen und verließ gerade als einer der letzten den Raum, als ich plötzlich sah wie Jaehyun bereits draußen stand und aussah, als würde er warten. Ich machte mir nicht weiter Gedanken und lief gleichgültig an ihm vorbei auf den Flur, als er jedoch ebenfalls losging und meinen Namen sagte. Hatte er auf mich gewartet? Wieso zur Hölle?

"Yah, Taeyong" sagte er ein weiteres Mal und ich rollte bloß mit den Augen, entschloss mich, sein Rufen einfach zu ignorieren und einfach weiter gerade aus zu laufen. Auf eine Konversation mit diesem Typen hatte ich nun wirklich keine Lust, ich hatte in den letzten Tagen bereits ausgeblendet, dass er überhaupt in meinem Mathekurs war, aber jetzt hatte er ja - wieso auch immer - auf sich aufmerksam gemacht.

"Yah" ertönte es erneut hinter mir, diesmal aber deutlich näher, was mich vermuten ließ, dass er mich einholen wollte. Ich seufzte genervt und ließ kurz den Kopf erschöpft von seiner Aufdringlichkeit hängen, ging jedoch weiter. "Was willst du?" murmelte ich monoton.

"Mich normal mit dir unterhalten, also bleib stehen oder lauf nicht davon" antwortete Jaehyun, diesmal mit einem hörbar genervten Unterton, doch ich zuckte nur mit den Schultern und beschleunigte meinen Gang. "Ich wüsste nicht, wieso wir uns unterhalten müssten, also dann-"

Ich hörte, wie er hinter mir stehenblieb und war dankbar, endlich von ihm in Ruhe gelassen zu werden, allerdings griff er wider meines Erwartens nach meinem Handgelenk und wirbelte mich herum, sodass ich ihm nun ins Gesicht sah und stehenblieb. Ich musste zugeben, er sah wirklich angefressen aus. Bei mir war es jedoch vermutlich nicht anders.

"Alter, was ist mit dir?!" fuhr ich ihn an und entriss mich schwungvoll seinem Griff, während mein Gegenüber seine Hände locker in seinen Jackentaschen verstaute: "Das sollte ich dich eigentlich fragen! Bist du langsam mal fertig damit, mich die ganze Zeit zu ignorieren?"

"Nein, bin ich nicht" lächelte ich falsch und wollte mich grade wieder umdrehen, als seine lauter werdende Stimme mich aufhielt. "Ich hab' dir nichts getan, okay?! Ich versteh' nicht, wieso die anderen mich problemlos akzeptieren können und freundlich sind, während du dich wie ein eingeschnapptes Kind aufführst! Rede doch einfach mit mir!"

"Wenn die anderen dich unbedingt in unserer Gruppe aufnehmen wollen, schön, aber ich mache da nicht mit. Vergiss es" stellte ich klar und der Griff um die Riemen meines Rucksacks verstärkte sich.

So jemanden wie Jaehyun konnte ich in meinem Freundeskreis nicht gebrauchen. Jemanden Neues.

Jaehyun entfuhr ein spöttisches Auflachen und er durchbohrte mich förmlich mit diesem eindringlichen Blick, doch ich hielt ihm Stand. Ich zeigte keine Schwäche mehr vor Jaehyun. Dafür nervte er mich gerade viel zu sehr.

"Hast du ernsthaft so ein Problem mit mir? Wieso? Weil ich vor den anderen einen dummen Witz gemacht habe? Oder weil ich dich in deinem schwachen Zustand gesehen habe und du zu stolz bist, um das zu akzeptieren?" bohrte Jaehyun provokant weiter und sein letzter Satz ließ es bereits in mir kochen.

"Du bist ein Arschloch, weißt du das? Das ist mein Problem mit dir.
Du bist nicht mal zwei Wochen hier und verhältst dich, als wüsstest du alles besser, als könntest du dich in meine Angelegenheiten einmischen, anstatt einfach zu kapieren, dass ich nichts mit dir zutun haben will!
Ich brauche keinen nervigen Idioten wie dich in meinem Freundeskreis, ich brauche niemand Neuen! Geht das endlich in dein scheiß Erbsenhirn?!" platzte alles auf einmal aus mir heraus, was sich in der letzten Woche in mir angestaut hatte.

Ich war wütend. Wütend darüber, dass Jaehyun dachte, er könnte es sich so einfach machen, hier aufkreuzen und jeden in seinen Bann ziehen. Bei meinen Freunden funktionierte das vielleicht, aber ich hatte die Schnauze voll von ihm.

Der Angesprochene sah mich sprachlos an, nicht einmal seinen Blick konnte ich deuten. Hatte es ihm auf einmal so die Sprache verschlagen?

Er schwieg mehrere Sekunden, noch war es still auf dem Flur, es würde erst in wenigen Minuten klingeln. Doch es regte mich nun erst recht auf, dass er nichts sagte. Gerade konnte er noch so eine große Klappe haben, und jetzt?

"Was wolltest du diesmal von mir, hm? Wieso bist du mir nachgelaufen?" forderte ich ihn zu einer Antwort auf und wurde langsam ungeduldig, als Jaehyun zögerte: "Ich-" Ich sah, dass er mittlerweile eher verwundert aussah, von dem genervten Ausdruck, den er bis vor ein paar Sekunden noch hatte, war kaum etwas übrig geblieben.

"Ich wollte dich nur fragen, ob du morgen auf der Party bist.. Also, ich.. kenne ja außer euch noch nicht viele hier und-" murmelte er, doch ich schnitt ihm gleich das Wort ab und änderte meinen Plan von den letzten Tagen spontan.

"Ich gehe nicht hin. Kann gerne darauf verzichten, deine Fresse auch noch außerhalb der Schule zu sehen" meinte ich knallhart, doch mir war meine Wortwahl gerade herzlich egal. Er wollte, dass ich mit ihm sprach? Bitteschön.

Ein paar Sekunden Stille vergingen erneut und ich war immer noch irritiert von seinem plötzlichen Stimmungsumschwung, als er auf einmal nur seufzte und den Kopf senkte. "Wow"

Verwirrt zog ich eine Augenbraue hoch und wollte ihm gerade die nächste Sache an den Kopf werfen, als er sich ein weiteres Mal zu Wort meldete, doch er schien auf einmal so ruhig und gleichzeitig angespannt.

"..und du nennst mich ein Arschloch? Gut zu wissen, Taeyong." entkam es ihm und er ging an mir vorbei, ließ mich mit verdutzten Blick stehen. Ich drehte mich um und sah ihm nur noch hinterher, als er mit dem Rücken zu mir in ruhigen Schritten in Richtung Haupteingang ging und das Gebäude verließ.

trust issues - jaeyongWo Geschichten leben. Entdecke jetzt