16 • protection

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Schluchzer verließen ununterbrochen meine Lippen und ich wischte mir immer wieder über mein Gesicht, was die neu aufkommenden Tränen nicht stoppen konnte.

"Verdammte Scheiße!" stieß ich lauthals aus, was hatte ich mir bloß dabei gedacht, überhaupt dort aufzukreuzen? Mich zu diesen ekelhaften Menschen zu setzen?

Was hatte Eunji nur für eine Scheiße angerichtet? Sie wusste doch gar nicht, wie es sich anfühlte, vor so vielen fast schon fremden Menschen, die mich sowieso nicht ausstehen konnten, vorgeführt zu werden wie der letzte Gestörte!

Aus welchem Grund auch immer sie von meiner Vergangenheit erfahren hatte, die schon so lange unbemerkt zurücklag, ich hasste sie dafür, dass sie diese ausgerechnet jetzt nutzte, um mich so bloßzustellen. Um mich auszulachen und alle glauben zu lassen, ich wäre ein Psychopath, der die Kontrolle verloren hatte, weil ich nicht mit einem gebrochenen Herzen umgehen konnte.

Doch je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr fiel mir auf, dass diese Behauptung wohl genauso stimmte.

Ich konnte nicht damit umgehen. Ich hatte mir solche Komplexe aufgebaut, was andere Menschen und das Vertrauen gegenüber diesen anging, dass ich mich aufführte wie der abnormalste Idiot.

Abnormal.

Es war eigentlich kein Wunder, dass man mich nicht abkonnte.

Ich war schwach. Diese Schwäche kannte nie jemand außer mir und meinen engsten Freunden, doch jetzt kannten sie alle, die Schutzwand war weg, selbst Jaehyun kannte sie.

Jaehyun.

Er musste mittlerweile wissen, was für ein Häufchen Elend ich doch wirklich war. Jetzt hasste er mich erst recht.
Er hatte sich so bemüht, mich zum Reden zu bekommen, mich zu verstehen oder mir zu helfen, und jedes Mal trat ich seine Aktionen mit Füßen, bis ich ihn mit meiner abweisenden, idiotischen Art sogar verletzen musste.

Es war kein Wunder, wieso er so verhasst auf mich reagiert hatte. Ich war vermutlich wirklich ein Psycho, von dem man sich lieber fernhielt.

Ich wollte mir nicht ausmalen, was er gerade über mich dachte. Vermutlich schämte er sich fremd, lachte ebenfalls über mich, fragte sich, wie naiv und instabil ich eigentlich sein konnte.

Oder er hatte mich inzwischen sogar wieder vergessen, kümmerte sich nicht weiter um die Sache und ich war ihm egal. Wahrscheinlich machte er gerade auch noch mit Eunji rum und amüsierte sich prächtig.

Ohne es zu merken, hatte ich eine lange Hauptstraße erreicht, ich wusste nicht einmal, wohin meine Füße mich getragen hatten. Der Nachthimmel erstreckte sich mit all seinen Sternen über mir und ich war allein.
Alles, was ich zu hören bekam, waren Geräusche von ab und zu vorbeifahrenden Autos und mein unkontrolliertes Schluchzen, welches mittlerweile etwas weniger geworden war.

Die Flasche immer noch in der rechten Hand und leicht hin und herschwingend torkelte ich vom Bürgersteig runter auf den Straßenrand und bemühte mich gar nicht erst darum, wieder klarer zu sehen, denn langsam aber sicher zeigte sich der Einfluss des Alkohols in meinem Gleichgewichtssinn und in meiner Sicht.

Ich hörte ein abgedämpftes Rufen hinter mir.

Kurz drehte ich mich um, erblickte von weitem eine Silhouette, die gerade um die Ecke gelaufen kam und sich der Hauptstraße näherte. Ich drehte mich gerade wieder um, als das Rufen lauter wurde.

"Taeyong!"

Verwirrt runzelte ich die Stirn und setzte weiterhin einen Schritt vor den nächsten, während ich gleichgültig den Kopf in den Nacken legte, um in den Himmel zu sehen.

trust issues - jaeyongWo Geschichten leben. Entdecke jetzt