Rückblick

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,,Was sollen wir mit ihr machen, Morina?"

Das Rudel der Meerjungfrauen, die am Grund des Meeres in ihrer Grotte um ihre Anführerin trieben, warfen der jüngsten von ihnen misstrauische Blicke zu. Sie lag zusammengekauert in einer Ecke und schlief vor sich hin, unwissend, dass die anderen über sie redeten.

Die Anführerin selbst war die einzige, der es gestattet war einen Namen zu tragen. Morina. Dieser symbolisierte ihren Stellenwert innerhalb des Rudels. Heute Nacht hatten sich alle Mitglieder des Rudels bei ihrer Anführerin versammelt. Mit Ausnahme einer... ihrer eigenen Tochter!

,,Du hast gesehen, was mit ihr passiert ist, Morina!" kam es von einer der Meerjungfrauen. Sie unterhielten sich untereinander, indem sie eine Art Zeichensprache verwendeten. Sie gestikulierten mit ihren Armen und Händen.

Morina, die Anführerin des Rudels blickte betrübt auf ihre schlafende Tochter hinab.

,,Sie bekam Beine, als wir an Land gespült wurden! Sie hat sich in einen Menschen verwandelt! Weißt du, welche Macht ihr das verleiht?" meinte eine Weitere.

,,Ich weiß!"

Morina zischte gereizt. Sie hatte es mit eigenen Augen gesehen. Ihre Tochter hatte sich vor ihren Augen in einen Menschen verwandelt, als das Rudel wegen der Flutwelle während eines Sturmes an einen Kiesstrand geschwemmt wurde.

,,Das ist wegen des Menschen! Wegen ihres Vaters!" meinte ein weiteres Mitglied des Rudels. Morina schnaubte. Natürlich lag es an dem Vater ihrer Tochter. Der Fischer, dem Morina durch einen Unfall ins Netz geraten war. Sein Name war Louis gewesen. Er hatte sie wieder frei gelassen und sie hatte sich in ihn verliebt... Sie hatte sich heimlich mit ihm getroffen als sie dem Rudel vorgegeben hatte Jagen zu gehen. Doch das restliche Rudel lauerte Louis Nachts auf und riss ihn mit sich ins Meer um ihn unter Wasser zu ziehen. Er hatte keine Chance...

Morina hatte stets gedacht, das menschliche Blut von Louis hätte keinerlei Auswirkungen auf ihre gemeinsame Tochter gehabt. Der Rest des Rudels war ebenfalls sechzehn Jahre lang der selben Überzeugung gewesen. Bis zum heutigen Tag.

,,Sie ist zu mächtig!" kam es von einer weiteren Meerjungfrau. Dessen war sich Morina bewusst.

Die geballte Macht einer Meerjungfrau konnte ein ganzes Meer zum toben bringen und ließ die Menschen um sie herum erzittern und deren Blut erbeben. Doch jene Kreaturen hielten sich tief unten am Meeresgrund versteckt und hielten sich schon seit Jahren von den Menschen fern. Die Menschen waren ein grausames Volk, die sich einbildeten sie wären besser als alle anderen Kreaturen die mit ihnen die Erde bewohnten. Sie hatten vergessen, dass die Rasse der Meerjungfrauen existierte. Deswegen war Morinas Rudel derartig verärgert über ihre Beziehung zu dem Fischer gewesen.

Doch hätte Morinas Tochter tatsächlich die Fähigkeit an Land zu gehen und ihre Macht einer Meerjungfrau auch in ihrer menschlichen Gestalt zu nutzen, würden die Menschen bald wieder auf das verborgene Volk aufmerksam werden. Morina blickte voller Schmerz auf ihr schlafendes Kind. Ihre Tochter hatte gemerkt, wie sich das Rudel nach dem Vorfall gegen sie gewandt hatte. Das schlechte Gewissen hatte sie geplagt, ohne zu wissen, was sie falsch getan hatte. Nun lag sie schlafend da... so unschuldig... unwissend, welche Macht in ihr schlummerte.

,,Sie wird uns in Gefahr bringen! Wir riskieren zu viel, indem wie sie hier behalten, Morina!" fuhr eine weitere Meerjungfrau die Anführerin an.

,,Solange sie nicht weiß, welche Macht sie besitzt, kann uns nichts passieren!" entgegnete Morina verärgert.

,,Sie weiß jetzt, dass sie an Land gehen kann!" protestierte eine andere ihrer Gefährtinnen.

,,Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Neugier sie packt und sie herausfinden möchte, wozu sie fähig sein könnte!"

,,Wenn wir sie zurücklassen ist das Risiko viel größer!" fauchte Morina zurück. ,,Es ist besser, wenn wir sie im Auge behalten!"

,,Ich sage dir, was das Beste ist!" knurrte eine der anderen mit hellem Haar. Sie blickte vielsagend von einer ihrer Gefährtinnen zur anderen.

,,Wir sperren sie ein!" sagte sie entschlossen. Skeptisch sahen sich die anderen Meerjungfrauen gegenseitig an.

,,Weder ein Gefängnis im Wasser, noch eines an Land wird sie festhalten können, wenn sie erst ausgewachsen ist!" sagte Morina. Die andere Meerjungfrau sah sie gehässig an.

,,Doch... ein Gefängnis gibt es!" zischte sie.

,,Die Träne des Ozeans!"

Ein aufgeregtes Gemurmel ging durch das Rudel, deren Mitglieder geschockt über die Worte der hellhaarigen Meerjungfrau waren. Morina war entsetzt. Wie konnte sie es wagen...

,,Du bist nicht ganz bei Sinnen!" fuhr sie ihre Gefährtin an. Doch diese ließ sich nicht von ihrer Idee abbringen.

,,Es ist die einzige Möglichkeit!" sagte sie bestimmt. Morina blickte in die Augen der anderen. Jede einzelne wirkte eingeschüchtert. Sie wussten, dass ihre Anführerin es ganz und gar nicht gutheißen würde, ihre Tochter mit Hilfe der Träne des Ozeans zu bestrafen und zu verstoßen. Doch sie wussten auch, dass Morina keine Wahl hatte, wenn sich das Rudel gegen sie stellen würde.

,,Die Träne würde ihre Kräfte versiegeln. Sie wäre dazu verdammt als Mensch an Land zu leben. Die Träne würde ihr alle ihre Kräfte die sie als Meerjungfrau hat nehmen." sagte eine der anderen. Morina seufzte.

Die Träne des Ozeans war eine mächtige Perle, die von der Anführerin des Rudels gehütet wurde. Es handelte sich um ein gefährliches, magisches Juwel, welches seit Anbeginn von den Meerjungfrauen gehütet wurde.

,,Es ist zu riskant, die Träne in Umlauf zu bringen." meinte Morina.

Die Träne wurde von dem Meerjungfrauen nicht ohne Grund gemieden. In den falschen Händen könnte sie unvorstellbaren Schaden anrichten. Denn nicht einmal die Meerjungfrauen selbst wussten, wozu allem die Träne des Ozeans tatsächlich fähig war.

,,Wir ketten sie an!" schlug eine weitere Gefährtin vor.

,,Der Zauber der Träne versiegelt die Kette und sie wird nicht fähig sein sie abzunehmen! So verhindern wir, dass die Träne an jemand anderen gelangt!"

,,Aber der Zauber könnte gebrochen werden..." murmelte Morina.

,,Nur durch dich!" kam es von einer anderen Meerjungfrau.

,,Ihr Vater ist tot! Ohne dich gäbe es keine Möglichkeit für sie, sich zu befreien!"

Morina schloss betrübt die Augen. Sie blickte zu ihrer Tochter hinüber, die noch immer friedlich schlief. Sie wusste, dass sie sich nicht gegen die Anforderungen ihres Rudels wehren konnte... selbst wenn es um ihr eigenes Kind ging.

Tear of the Ocean (HP/Rumtreiber FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt