Krankenflügel und Schwindelanfälle

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Remus schlug mit einem Satz die Augen auf. Er schnappte nach Luft und setzte sich schnurstracks gerade auf. Er erblickte weiße Vorhänge, die vor riesigen Fenstern hingen, genau wie zahlreiche Krankenbetten. Er war im Krankenflügel.

,,Ah! Mister Lupin, sie sind wach." hörte er plötzlich Madam Pomfreys Stimme. Die Heilerin kam eifrig auf ihn zu.

,,M-Madam Pomfrey?" stammelte er verwirrt vor sich hin. Sie legte sich einen Finger auf die Lippen, um ihm zu deuten still zu sein.

,,Leise. Ihre Freunde schlafen noch." raunte sie ihm zu.

Erst jetzt bemerkte Remus, dass die Betten neben ihm ebenfalls besetzt waren. Rechts von ihm schliefen Peter und James, wohingegen Sirius das Bett links von ihm besetzte.

,,Sie vier müssen aber auch immer für eine Aufregung sorgen." seufzte Madam Pomfrey.

,,Was hatten sie denn gestern Nacht auf dem Gelände zu suchen?"

Remus blinzelte sie ein paar Mal fragend an. Dann kehrten plötzlich seine Erinnerungen an gestern Nacht wieder zurück. Er griff ruckartig in seine rechte Hosentasche und ertastete plötzlich eine zarte Kette. Vorsichtig zog er sie hervor. Tatsächlich... Die zierliche Kette mit der schneeweißen Perle baumelte in seiner Hand. Die Träne des Ozeans.

Er konnte sich daran erinnern, dass die Rumtreiber gemeinsam mit Professor Connors Hilfe den Fluch von Livs Kette lösen konnten. Er hatte noch ganz genau im Kopf, wie Liv langsam auf den schwarzen See zugegangen war. Er hatte ihr hinterhergestarrt, solange, bis das Wasser sie verschluckt hatte. Sie hatte sich nicht einmal mehr umgedreht, um sich von ihm zu verabschieden. Sie war einfach in den See gegangen...

Ein Stich fuhr Remus durchs Herz. Jetzt hatte er das, was er von Anfang an eigentlich gewollt hatte. Die Träne des Ozeans war nun in seinem Besitz. Das, was von Anfang an geplant war, war nun eingetroffen. Doch Liv war nun fort. Vermutlich würde sie auch nie wieder zurück kommen. Seufzend umschloss Remus die Perle, die an der Kette schimmerte. War es das tatsächlich Wert gewesen? Er wusste es nicht...

,,Also? Na, was nun?" hakte plötzlich Madam Pomfrey nach. Remus fiel auf, dass er ihre Frage noch immer nicht beantwortet hatte.

,,Ähm... Nichts!" stammelte er. Madam Pomfrey verdrehte seufzend die Augen.

,,Natürlich... Sie wollen es mir nicht sagen. Damit habe ich gerechnet." meinte sie. Plötzlich wurde Remus stutzig.

,,Madam Pomfrey?" fragte er schließlich. Sie blickte ihn auffordernd an, damit er ihr seine Frage stellte.

,,Ich weiß, es ist eine komische Frage, aber... Wie genau sind wir hierher gekommen?" fragte Remus verwirrt.

Er konnte sich noch genau daran erinnern, wie Liv in den Tiefen des schwarzen Sees verschwunden war. Das Letzte, woran er sich erinnern konnte, war ihr schwarzer Haarschopf, der unter die Wasseroberfläche glitt. Plötzlich war ihm auf einmal ganz schwindelig geworden. Er hatte sich zu seinen Freunden umgedreht, doch denen schien es genauso ergangen zu sein. Peter war ganz bleich, Sirius hielt sich schmerzverzerrt den Bauch und James den Kopf. Remus wusste nur noch, wie plötzlich alles schwarz geworden und, dass er als nächstes im Krankenflügel aufgewacht war. Was war passiert?

,,Ihr Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste hat sie offenbar auf dem Gelände gefunden. Er meinte, er habe Sie erwischt, wie Sie vier auf dem Schulgelände herumgelungert sind. Nachdem er euch aufgefordert hatte wieder ins Schloss zu gehen, hätten sie alle vier Schwindelanfälle bekommen und wären umgekippt. Also hat er sie zu mir in den Krankenflügel gebracht." erklärte Madam Pomfrey.

Remus runzelte die Stirn. Das hatte Connor behauptet? Gut, aber wo er so darüber nachdachte, schien es ihm logisch. Er hätte ja schlecht vor Madam Pomfrey behaupten können, er hätte sich mit fünf seiner Schüler aus dem Schloss geschlichen, um eine Meerjungfrau zu befreien. Diese kleine Notlüge schien Remus am plausibelsten. Dennoch kam ihm etwas sehr merkwürdig vor...

,,Wir hatten alle vier Schwindelanfälle? Gleichzeitig?" fragte er skeptisch nach.

,,Ist sowas denn durch Zufall überhaupt möglich?"

Madam Pomfrey zuckte mit den Schultern und warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu.

,,Möglich wäre es theoretisch schon, aber ich weiß ja nicht, was sie vier draußen getrieben haben. Deswegen kann ich wie immer nur vermuten, dass es etwas irrsinnig Blödes war." meinte sie und stolzierte davon in ihr Büro.

Remus blickte ihr grübelnd hinterher. Plötzlich merkte er, wie sich im Bett neben ihm jemand zu regen begann. Es war James, der offenbar gerade aufgewacht war. Blinzelnd sah er sich im Krankenflügel um.

,,Moony?" fragte er verwirrt, als er seinen Freund erblickte.

,,Was machen wir denn im Krankenflügel."

,,Connor hat uns hergebracht." antwortete Remus ihm.

,,Was ist gestern noch passiert. Mir... Mir war auf einmal so schlecht." murmelte James und griff sich an die Stirn.

,,Ja, mir auch." sagte Remus. ,,Anscheinend hatten wir alle vier Schwindelanfälle."

James runzelte verwirrt die Stirn. Die Sache schien ihm ebenfalls ziemlich suspekt vorzukommen. Er setzte gerade an etwas dazu zu sagen, als ihm plötzlich eine viel wichtigere Frage einfiel.

,,Hast du die Träne?" fragte er aufgeregt. Remus nickte und hielt ihm die Kette mit der Perle hin. James' Augen wurden groß.

,,Krass..." sagte er staunend.

,,Worauf wartest du! Häng sie dir um!" forderte er seinen Freund auf. Remus musterte die beiden rostigen Enden der Halskette, an der Stelle wo Connors Blut das Metall gestern durchtrennt hatte.

Remus zog seinen Zauberstab und machte eine kleine, schwungvolle Bewegung. Die rostigen enden verschwanden und schmolzen zu einem kleinen, zarten Verschluss zusammen, durch den sich die Kette nun wieder öffnen und schließen ließ.

,,Na los!" forderte James ihn auf, als er merkte, dass Remus zögerte. Er nahm einen tiefen Atemzug und hängte sich die Kette um. James beobachtete ihn dabei gespannt.

,,Und?" fragte er aufgeregt.

,,Was?" kam es von Remus.

,,Na spürst du schon etwas."

Remus zuckte mit den Schultern.

,,Nein." meinte er. ,,Ich fühl' mich genauso wie vorher."

James kräuselte etwas enttäuscht die Lippen.

,,Ach, Kopf hoch, Moony!" meinte er dennoch optimistisch.

,,Das muss ja noch nichts heißen! Immerhin ist erst in über zwei Wochen Vollmond, jetzt müsste es dir ja noch gut gehen."

Remus nickte. James hatte vermutlich recht. Remus steckte die Kette unter seinen Pullover, um sie einigermaßen zu verstecken. So wie es Liv immer getan hatte. Wieder schlich sich dieses mulmige Gefühl in seinen Magen.

,,Was hast du?" fragte James, als er merkte, dass Remus offenbar mit den Gedanken ganz woanders war.

,,Ach... nichts..." murmelte er nur und winkte ab. James legte den Kopf skeptisch schief.

,,Hey, du bist mein Freund, Moony! Ich merke doch, wenn mit dir etwas nicht stimmt." meinte James und blickte ihn auffordernd an.

,,Es ist nur..." seufzte er. ,,Ich kann irgendwie immer noch nicht glauben, dass sie jetzt weg sein soll. Für immer..."

,,Liv?" fragte James. Remus nickte. Dann nickte auch James verständnisvoll.

,,Naja... Aber du weißt doch, wie sehr sie unbedingt wieder nach Hause wollte. Hier konnte sie einfach nicht bleiben." meinte James.

,,Weiß ich doch... Und ich freu' mich ja auch für sie, dass sie diesen Fluch endlich los ist... Aber, naja..." murmelte Remus.

,,Du wirst sie vermissen, oder?" fragte James seinen Freund mitfühlend.

,,Ich glaube das tue ich jetzt schon..." seufzte Remus und blickte missmutig auf seine Finger hinunter. James lächelte schief...

,,Weiß ich doch, Moony..." murmelte er. ,,Weiß ich doch..."

Tear of the Ocean (HP/Rumtreiber FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt