Kapitel 2

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Nicky

Schmerzhaft und sehr, sehr langsam schlug ich meine Augen auf. Ich hatte brutale Kopfschmerzen und der Rest meines Körpers tat ebenfalls höllisch weh. Reflexartig wollte ich mir mit der Hand an den pochenden Schädel fassen, doch irgendetwas hinderte mich daran. Perplex sah ich an mir herab und bemerkte erst jetzt, dass ich gefesselt auf einem Stuhl saß. Was zum Teufel war passiert?

Ich brauchte einige Augenblicke, um die Erinnerungen zusammenzukratzen. Nachdem ich mich halbwegs gesammelt hatte, atmete ich tief durch und sah mich um. Der Raum, in dem ich mich befand, sah aus wie mein Motelzimmer. Der einzige Unterschied war, dass dieses Zimmer hier deutlich aufgeräumter und sauberer als meines war. Ich legte den Kopf schief und dachte darüber nach, dass es vielleicht doch nicht schaden würde, wenn das Zimmermädchen hin und wieder durchwischen würde. Ich nahm mir fest vor, wenn ich das hier heil überstehen sollte, mich bei dem Zimmermädchen zu entschuldigen und sie ihren Job machen zu lassen.

Wie spät es wohl war? Ich hatte kein Zeitgefühl mehr. Da die Fenster abgedunkelt waren, konnte ich nicht einmal sehen, ob es Tag oder Nacht war. Widerspenstig zerrte ich an meinen Fesseln. Ich musste hier raus. Die Seile schnitten in meine Handgelenke. Nach einigen erbärmlichen Versuchen, mich zu befreien, musste ich mich geschlagen geben. Ohne fremde Hilfe würde ich hier nicht rauskommen. Ich hörte Stimmen, ehe die Tür ruckartig aufgerissen wurde. Die beiden Männer aus der Gasse kamen hereinstolziert.

„Wo sind denn Ihre schicken Anzüge?" Neugierig legte ich meinen Kopf schief.

„Ich steh mehr auf den bequemen Look" Grinsend kam der kleinere der beiden auf mich zu und strich mir eine der blutigen Haarsträhnen aus dem Gesicht.

Seine Nase war etwas angeschwollen und hatte eine ziemlich komische Farbmischung. Sie schien ihm wehzutun. Das erfreute mich ein kleines bisschen.

„Fassen Sie mich nicht an!", zischte ich und warf ihm einen finsteren Blick zu.

„Hast du das gehört, Sam? Es will mir Befehle erteilen", schmunzelnd wandte er sich an den anderen Mann. Ich sah zwischen den beiden hin und her. Wusste ich's doch, dass die beiden nicht Tony Bosco und Ben Walker hießen.

„Was wollen Sie von mir?" Ich zerrte an den Fesseln und rutschte auf dem Stuhl hin und her.

„Antworten."

„Die will ich auch!", auffordernd blickte ich die beiden an und schüttelte verwirrt den Kopf. „Warum nennen Sie mich es?"

Mir war gerade erst die genaue Wortwahl aufgefallen. Moment mal. Dachten diese Clowns etwa, dass ich das Monster war? Hielten sie mich für den Werwolf, den ich eigentlich jagen und töten wollte? Waren sie etwa auch Jäger? Meine Gedanken überschlugen sich. Jetzt wurde mir auf einen Schlag klar, was das Messer in der Gasse für einen Sinn hatte. Es musste sich um ein Silbermesser gehandelt haben und durch die Berührung hatten sie testen wollen, ob es mir Schmerzen zufügen würde. Nun ergab alles einen Sinn. Als ich zusammenzuckte, war das für sie quasi die Bestätigung, dass ich ein Werwolf war. Idioten.

„Ich fass es nicht. Oh mein Gott, ihr denkt, ich sei ein Werwolf!", fassungslos ließ ich meinen Kopf zwischen den beiden hin und her fliegen. Mit einer Mischung aus Überraschung und Verwirrung tauschten die beiden vielsagende Blicke aus. Da keiner von ihnen den Anschein machte, etwas zu erwidern, fuhr ich fort. „Ihr seid Jäger, habe ich recht?"

„Ja, wir sind Jäger und wir jagen Monster wie dich", etwas verunsichert antwortete Sam und trat auf mich zu. Er zückte ein Messer. Es war dasselbe wie vorhin in der Gasse und hielt es mir an den Hals.

„Halt, Sam! Warte!" Der andere Mann zerrte Sam zurück und zog ihn mit sich in die andere Hälfte des Zimmers. Sie unterhielten sich leise. Immer wieder schauten sie zu mir und diskutierten miteinander. Ich konnte zwar nicht genau verstehen, was sie sagten, aber ich vermutete mal sehr stark, dass es um mich ging. Es drangen immer mal wieder Wortfetzen zu mir und ich wusste nun endlich, dass der andere Mann Dean hieß.

„Jungs? Ich bin auch noch hier!", genervt rief ich den beiden zu.

„Wer bist du?", bedrohlich kam Dean auf mich zu und schaute mich eindringlich an.

„Ich bin jedenfalls nicht euer Monster!", blaffte ich ihn an. „Aber da ihr mir sowieso nicht glauben werdet... nur zu... schneidet mich mit dem Silbermesser!", auffordernd nickte ich ihnen zu.

Nach kurzem Zögern trat er an mich heran und schnitt mir in den Oberarm. Ein brennender Schmerz durchfuhr mich und ein kleines Blutrinnsal bahnte sich den Weg über meine Haut. Mit ernster Miene sah ich sie an.

„Glaubt ihr mir jetzt?", fragend und mit unsicherem Unterton in der Stimme blickte ich die beiden an.

„Wenn du kein Werwolf bist, wer bist du dann?"

„Ich bin Jägerin, genau wie ihr!", zischte ich zwischen den Zähnen hervor.

„Wenn das wahr ist, warum hast du uns das nicht schon früher gesagt?", irritiert musterten mich die zwei.

„Wo soll ich anfangen? Ihr habt mich in eine Gasse gezerrt, versucht, mich abzustechen und dann entführt! Nun sitze ich hier, gefesselt in einem Motelzimmer und ihr bedroht mich schon wieder mit einem Messer. Wärt ihr an meiner Stelle gewesen, hättet ihr dann auch gleich rausposaunt, dass ihr Jäger seid? Ihr hättet ja auch Werwölfe oder andere Monster sein können und dann hättet ihr euren Spaß gehabt, eine Jägerin zu zerlegen", schrie ich sie an. Die beiden zuckten kurz zusammen. Mit dieser Lautstärke hatten sie wohl nicht gerechnet.

„Du bist also eine Jägerin?", kleinlaut kam Dean näher und musterte mich argwöhnisch.

„Ja, ich bin eine Jägerin. Und bearbeite gerade den Fall mit dem Werwolf. Zumindest habe ich das so lange gemacht, bis ihr zwei Vollidioten mich entführt habt!" Ich zog demonstrativ an meinen Fesseln und sah sie auffordernd an. Scheinbar hatte ich die zwei etwas verunsichert, denn sie bewegten sich keinen Millimeter und schluckten nur hin und wieder kurz.

„Was steht ihr hier so blöd rum? Bindet mich endlich los oder macht euch das etwa an?", zischte ich und verdrehte die Augen.

Nachdem sie mich befreit und sich duzend Mal bei mir entschuldigt hatten, warf ich ihnen finstere Blicke zu. Unschlüssig, was sie nun tun oder sagen sollten, stammelten sie vor sich hin.

Ich schloss die Augen und atmete einmal tief durch. Okay, Nicky. Reiß dich zusammen. Du darfst jetzt nicht die Fassung verlieren. Sie haben dich zwar gefesselt, verletzt und entführt, aber ihr steht auf derselben Seite. Ich versuchte, mich selbst zu beruhigen und redete mir ein, dass es mir nichts ausgemacht hatte. Aber das war gelogen. Es machte mir sogar sehr viel aus.

Ich nutzte die Unachtsamkeit der beiden und verpasste ihnen einen Schlag ins Gesicht. Wieder vernahm ich das vertraute Geräusch einer knackenden Nase. Erleichterung machte sich in mir breit. Ich fühlte mich nun um einiges besser. Ein triumphierendes Lächeln bildete sich auf meinen Lippen, während die beiden schmerzhaft aufstöhnten und ein paar Schritte zurück torkelten.

„Oh, Miststück! Was soll die Scheiße?!", fassungslos und wütend blickte Dean mich an.

„Ich würde sagen, wir sind nun quitt!" Ich streckte ihnen meine Hand entgegen und erntete dafür irritierte Blicke. „Ich hatte noch nicht die Gelegenheit, mich ordentlich vorzustellen. Mein Name ist Nicky Jones!"

Nicky Jones und die Jagd nach Rache ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt