Kapitel 17

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Dean

„Ich hab grad mit Cas telefoniert und nun gibt's eine gute und eine schlechte Nachricht. Welche willst du zuerst hören?", fragte Sam mit neutralem Gesichtsausdruck, während er sein Handy zwischen den Fingern herumdrehte. Ich zuckte mit den Schultern und sagte ihm, dass er einfach mit der Sprache rausrücken sollte. „Die gute Nachricht ist, dass der Fall in Minatare abgeschlossen ist und..."

„Warte, was? Cas hat den Fall mit dem Trickster einfach allein erledigt?", unterbrach ich Sam und schüttelte erstaunt den Kopf. Das hätte ich Cas gar nicht zugetraut.

„Und da kommen wir schon zu der schlechten Nachricht", sagte er mit einem schiefen Lächeln auf den Lippen. „Du hattest leider unrecht, was den Täter angeht. Es war nicht der Trickster, sondern einfach nur eine gewöhnliche Hexe mit einem wirklich schrägen Sinn für Humor", klärte er mich auf.

„Also, kein Trickster?", wiederholte ich beinahe im Flüsterton und legte den Kopf zur Seite. Ich war fast etwas enttäuscht, dass es sich nicht um den Trickster alias Gabriel gehandelt hatte. Auch, wenn er ein Arsch war und mich an diesem einen beschissenen Dienstag hunderte Male umgebracht hatte, konnte ich den Kerl irgendwie gut leiden.

„Nein, kein Trickster", bestätigte er und setzte sich gegenüber von mir an den Tisch. Niedergeschlagen schlug ich das Buch, welches ich zum gefühlten millionsten Mal durchgeblättert hatte, zu und schob es von mir weg.

„Ich hab absolut keine Ahnung, wie wir Nicky aufspüren sollen!", presste ich zwischen den Zähnen hervor. Ich rieb mir mit dem Handrücken über die Nase und hoffte, dass so meine Gehirnzellen angetrieben wurden und sich mir im nächsten Moment eine bahnbrechende Idee offenbarte. Leider rief es in mir nur die Erinnerung wach, wie Nicky mir die Nase gebrochen hatte.

„Ruf sie doch einfach an", schlug mein Bruder vor. Er nahm das Buch, welches ich gerade weggeschoben hatte, an sich und blätterte ebenfalls darin.

„Ach, wirklich? Ich soll sie anrufen? Das ist eine tolle Idee, Sam! Wieso bin ich nicht schon früher auf diese wirklich tolle Idee gekommen?", blaffte ich sarkastisch und warf ihm einen wütenden Blick zu.

„Beruhig dich", murmelte Sam und ließ seine Finger über den Bucheinband gleiten.

„Hör auf, mir dauernd zu sagen, dass ich mich beruhigen soll! Ich bin nämlich ganz ruhig!", zischte ich. Sam öffnete den Mund und wollte gerade etwas erwidern, doch er wurde vom Klingeln meines Handys unterbrochen. Das war bestimmt Crowley, der ein Update zu den aktuellen Ereignissen mit Nicky haben wollte. Ich fischte das Telefon aus meiner Hosentasche und las den Namen auf dem Bildschirm. Ich traute meinen Augen nicht. Es war Nicky. Ich drückte, beinahe schon nervös, den grünen Knopf und hielt mir das Handy ans Ohr.

„Nicky! Ich hab versucht, dich zu erreichen und..."

„Hallo, Dean! Ja, ich weiß, tut mir leid, dass ich mich erst jetzt melde. Ich hatte wirklich viel um die Ohren und... ach, vergiss es... du weißt ja, wie das mit der Jagd und so ist. Also, was gibt's?", plapperte sie los.

Sie klang fröhlich. Sam deutete mir, dass ich auf Lautsprecher stellen sollte, damit auch er unser Gespräch mithören konnte. Ich legte das Handy auf den Tisch und befolgte den Vorschlag meines Bruders.

„Ich hab dich auf Lautsprecher gestellt. Sam ist auch hier!", informierte ich sie mit einem kleinen Grinsen. Es tat gut, ihre Stimme zu hören.

„Hey, Nicky! Schön, dich zu hören! Wie geht's dir?", meldete sich Sam zu Wort und auch bei ihm bildete sich ein kleines Lächeln.

„Hallo, Sam! Also, was gibt's?", wiederholte sie ihre Frage.

„Also... ähm... es gibt da einen Fall und da könnten wir Hilfe gebrauchen... also... deine Hilfe", log ich und erntete dafür einen verwirrten Blick von meinem Bruder.

„Ein Fall?", fragte sie und ich konnte ihre Ungläubigkeit in der Stimme hören.

„Ja, ein Fall! Vielleicht hast du schon davon gehört, aber es gibt fünf Tote in Minatare. Und da das dein Heimatort ist, dachten wir, dass du uns helfen vielleicht könntest. Du besitzt schließlich Insiderwissen und das ist bei einem Fall immer ziemlich praktisch", säuselte ich und versuchte, ihr den Job möglichst schmackhaft zu machen. Nicky schwieg. Hin und wieder war nur ein schweres Atmen zu hören.

„Nicky? Bist du noch dran?", frage Sam und schielte auf das Display.

„Ja, ich bin noch dran", murmelte sie. „Ich muss das erst mal verdauen, dass jemand... oder besser gesagt etwas, in meiner Heimat mordet", gab sie flüsternd zu.

„Also, können wir auf dich zählen?", fragte ich und versuchte, so neutral wie möglich zu klingen. Nach einigen stillen Momenten ertönte ein schweres Ausatmen ihrerseits.

„Ja, natürlich könnt ihr das", sagte sie seufzend. „Ich bin sowieso auf den Weg nach Hause, um...", sie stoppte.

Auch, wenn sie es nicht aussprach, wusste ich genau, was sie sagen wollte. Sie hatte vor sich von ihrer Heimat zu verabschieden, bevor sie sich die Radieschen von unten ansehen würde. Die Tatsache, dass sie uns, oder besser gesagt mir, nicht von ihren wahren Absichten erzählte, verpasste mir einen Stich ins Herz. Natürlich verstand ich, dass sie uns nichts von ihrem bevorstehenden Selbstmord erzählen wollte, aber deswegen musste ich doch nicht davon begeistert sein, oder?

Wir klärten noch einige Details bezüglich des Treffpunktes und beendeten dann das Telefonat.

„Du hast sie angelogen", stellte Sam trocken fest.

„Sie hat doch genauso gelogen!", rechtfertigte ich mich und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Und was machen wir jetzt?", fragte er unschlüssig.

„Wir werden unsere Ärsche in dieses verdammte Kuhdorf schaffen und dann werden wir sie davon abhalten, sich den Schädel weg zu pusten oder was auch immer sie vorhat", schrie ich, wobei ich am Ende des Satzes immer leiser wurde.

Ich mochte den Gedanken nicht, dass sie sich wirklich etwas antun würde. Auch, wenn ihre Beweggründe in ihren Augen vielleicht edel erschienen, konnte ich mich nicht damit abfinden, dass sie sich umbringen würde. Das hätte auch bestimmt ihrem Vater ganz und gar nicht gefallen.

„Worauf warten wir dann noch? Los, schieb deinen Hintern in den Wagen!", befahl mir Sam und schubste mich in Richtung Tür.

„Warte! Müssten wir nicht eigentlich Crowley informieren, dass sie morgen in Minatare sein wird?", fragte ich meinen Bruder mit unsicherem Unterton. Sam zog mich zurück und sah mich eindringlich an.

„Crowley hat gesagt, dass wir ihn informieren sollen, wenn wir bei ihr sind und nicht, wenn wir wissen, wann sie wo sein wird", erinnerte er mich. Ich nickte stumm.

Obwohl ich wusste, dass es das richtige war, war ich alles andere als zufrieden mit dieser Situation. Es fühlte sich so an, als würde ich sie hintergehen. Nein, ich hatte sie bereits hintergangen. In der Vergangenheit hatte ich zwar schon öfters das Falsche aus den richtigen Gründen getan, aber ich konnte mich nicht daran erinnern, dass es sich je so angefühlt hatte. Es fühlte sich so verdammt falsch an. Vielleicht hatte ich es einfach verdrängt? Oder vielleicht lag es daran, dass es dieses Mal wirklich einfach nur falsch war.

„Wenn du willst, dann kann auch ich fahren?", bot Sam an und warf mir dabei einen schiefen Blick vom Beifahrersitz aus zu.

„Ich würde Crowley lieber zum Essen einladen, als dass ich dich mein Baby fahren lasse", zischte ich und drückte demonstrativ aufs Gaspedal.

„Du würdest wohl eher jemand anderes zum Essen ausführen, wenn du nur genug Arsch in der Hose hättest, um sie zu fragen", neckte er mich und kicherte dabei wie ein kleines Schulmädchen.

„Mistkerl", fluchte ich und versuchte, ihn mit meiner rechten Hand zu erwischen, damit ich ihm eine verpassen konnte.

„Idiot", gab er lachend zurück.

Nicky Jones und die Jagd nach Rache ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt