7.Kapitel

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Mikush POV

Ihr Pfiff hallte in seinen Ohren wider.

Er wusste, was das hieß.

Es war ein Zeichen, das sie vor langer Zeit ausgemacht hatten, ein Zeichen, das sie bis jetzt noch nie gebraucht hatten.

Bis jetzt.

Sein Herz zog sich zusammen, als er ihren blonden Haarschopf zwischen den Gestrüpp hinter dem sie sich versteckte, aufblitzen sah.

Er sollte fliehen, das wusste er doch er konnte sie nicht alleine lassen, er wollte nicht das ihr etwas geschah.

Der junge Mann sprang auf und rannte den Weg zurück den sie gekommen waren.

Kaum achtete er darauf keine Spuren zu hinterlassen, sein Atem hallte keuchend in seinen Ohren wider.

Plötzlich verschwammen die Umrisse des Waldes. Die unglaublichen, blauen Augen des Mädchens waren alles was er vor seinem inneren Auge sehen konnte.

Er sah wie sie vor Furcht glänzten, leicht schimmerten im fahlen Licht des Waldes. Ihre Angst bereitete ihm fast körperliche Schmerzen.

Die Gestalt der Fünfzehnjährige stand im nächsten Moment als kaum wahrnehmbarer Schemen vor ihm.

Er wusste was als nächstes geschehen würde.

Sie würde gehen.

"Nicht", seine Worte hallten in seinen Ohren wider, immer und immer wieder.

Doch trotzdem verschwand sie aus seinem Blickfeld. Nur ein Schritt und sie schien so unendlich weit weg.

"Nicht", das Wort hallte immer lauter in seinem Kopf wider, er wollte einen Schritt auf das Loch, durch das seine Freundin verschwunden war, zu machen, doch auf einmal waren seine Füße so schwer. Er schaffte es nicht sich zu bewegen.

Die Verzweiflung und Sorge überschwemmte ihn und er fuhr hoch.

Mit weit aufgerissenen Augen starrte er in die Dunkelheit seines Zimmers.

Kalter Schweiß rann ihn über die Stirn und brannte in seinen Augen. Sein Atem ging schwer und seine Hände zitterten als er sein Gesicht in ihnen vergrub.

Das Geschehene suchte ihn immer wieder heim. Bei Tag als auch bei Nacht.

Und es zermürbte ihn immer mehr.

Er wusste nicht wo sie war. Sie hatte sich nicht mehr gemeldet, er hoffte das sie es einfach vergessen hatte und jeden Moment anrufen würde, damit sie sich wieder trafen.

Der Junge hoffte es doch tief in seinen Inneren wusste er, dass es nie so sein würde.

Es wäre zu einfach, zu schön um wahr zu sein.

Was hütete sie nur für ein Geheimnis, sodass so etwas geschehen konnte?

Wie wertvoll konnte ein Fünfzehnjähriges Mädchen für fremde Mächte sein?

Wieso war er nur fortgelaufen? Er hätte bei ihr bleiben sollen, ihr beistehen sollen, dass er sie so allein gelassen hatte konnte er jetzt nicht mehr verstehen.

Natürlich hatte er Angst gehabt, doch das war sicher nichts gegen das was sie nun durchmachen musste.

Plötzlich schlug er mit einer Hand in seinen Polster. Immer und Immer wieder.

Er sorgte sich so um sie, er wollte nicht daran denken was sie genau in diesem Moment durchmachen musste.

Seine Arme taten nach kurzer Zeit weh doch er hörte nicht auf, seine Gedanken waren bei Misha und er wünschte sich das statt dem Polster jene Menschen vor ihm waren die seiner kleinen Freundin das antaten.

Mikush wollte auf sie einschlagen, ihnen das und noch viel mehr antun was sie ihr antaten.

Doch noch viel mehr wollte er sie in die Arme nehmen, sein Gesicht in ihren kurzen Haarschopf vergraben und sie fest an sich drücken.

Der Siebzehnjährige wollte ihren Herzschlag hören und ihren Atem lauschen, er wünschte sich so sehr das sie lebte, das sie bei ihm war.

"Misha!", er schrie ihren Namen und hoffte, dass er seine Eltern nicht aufweckte.

Die Sorge um das Fünfzehnjährige Mädchen, um sein Mädchen ließ seine Stimme brechen und in den Schlägen innehalten.

Er liebte sie.

Das tat er schon lange, doch noch nie hatte er sich getraut es ihr zu sagen.

Er hatte sich dafür gefürchtet die Freundschaft, die Sorgenlosigkeit zu zerstören wenn er es tat.

Ob sie gleich empfand wie er, nicht einmal das konnte er sagen.

Er bemerkte wenn es zwischen zwei Mitschülern funkte noch lange bevor diese zusammenkamen, doch konnte er nicht einschätzen wie Misha für ihn empfand.

Ihre sanften Blicke waren schon so normal. Mit einem Blick zu erkennen wie es ihr ging war keine Kunst mehr. Rein an ihren Schritten wenn sie ihm nachlief zu wissen das sie es war oder an ihrer Stimme am Telefon zu erkennen was sie bedrückte war für ihn so mühelos wie ein Buch zu lesen.

Sie war sein Mädchen.

Tränen rannen ihm über die Wangen und er legte den Kopf in den Nacken, starrte an die dunkle Decke.

Der junge Russe weinte sonst nie, doch die Tränen waren einfach da. Genauso wie das klaffende Loch in seinem Herzen, dass den kleinen Raum so kalt wirken ließ. Das Loch das sonst die Fünfzehnjährige ausfüllte.

Er würde es nicht ertragen, wenn er sie für immer verloren hätte, wenn er ihr nie mehr sagen könnte wie er empfand.

"Ich liebe dich", murmelte er kaum hörbar ins nichts, kostete die Worte.

"Ich liebe dich so sehr, Misha", er sagte es als könnte er sie mit diesen Worten zurückholen. Als könnten diese Worte alles rückgängig machen.

Mit einem Seufzen ließ er sich in sein Kissen fallen und schloss die Augen.

Sofort tauchte er in ihre ozeanblauen Augen ein, die so tief waren wie das tiefste Meer.

Mikush schlang seine Arme um seine Decke und wünschte sich Misha in seine Arme.

Einfach bei ihr zu sein, egal wo sie jetzt war, wäre das beste was ihm passieren könnte, er würde alles dafür geben.

Oder dafür nicht weggelaufen zu sein, sondern sie stattdessen beim Arm genommen zu haben und gemeinsam mit ihr zu flüchten. Hand in Hand, er hätte sie beschützt, wäre von Angesicht zu Angesicht vor die Fremden getreten, hätte keine Furcht gezeigt und damit das richtige getan.

Niemals hätte er sie alleine lassen dürfen.

Und er würde es auch niemals mehr tun, wenn er eine zweite Chance bekäme.

Sie war sein Mädchen.

Diese Gedanken begleiteten ihn wieder in den Schlaf, in einen unruhigen, kurzen Schlaf.





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