02 |Lächelndes Püppchen

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Sie durchlöcherte mich nicht nur mit ihren Blicken, sondern auch mit ihren Fragen.

Ich verstand keine so wirklich, hörte sie nur irgendwo ganz leise. Nicht bewusst. Dazu war ich zu tief in meinen Gedanken versunken. Ich wusste nicht, ob sie es bemerkte. Vielleicht wusste sie garnicht, dass ich ihr nicht zuhörte. Sie war eine Therapeutin, sollte sie da nicht wissen wann jemand einem zuhörte und wann nicht? »Jeremy?« die Frau hob ihre Augenbrauen an und schrieb etwas auf den kleinen Block. »Wieso machen sie diese Notizen?« wollte ich daher wissen.

Sie lächelte als wäre sie zufrieden mit dieser Frage. Madeleine wollte wohl einfach nur meine Aufmerksamkeit. »Für deine Schule, damit ich nachweisen kann, das wir an deinen Problemen arbeiten.-« sie stoppte und wartete wohl bis ich antwortete, doch ich schwieg. Wie so oft schon. »Du bekommst gleich ein paar Unterlagen, die du zur Einstimmung unterschreibst.« ich nickte nur und sah sie stillschweigend an. Ich war nicht hier um zu reden und zudem war ich auch noch nicht bereit dazu. Das erklärte dann wohl meine Frage, ob ich mich darauf einließ. Wieso sollte ich reden, wenn es sowieso niemand hörte? Wenn es ignoriert und verspottet wurde. Warum sollte ich mich darauf einlassen?

»Du siehst nicht so aus als wärst du bereit mit mir zureden, Jeremy.« sie legte den Block beiseite und lehnte sich leicht vor. »Nein, bin ich nicht« ich lehnte mich in das Sofa zurück und überkreuzte meine Arme. Ich war definitiv nicht bereit mit einer Psychologin, Psychiaterin oder Therapeutin zu reden. Was auch immer sie jetzt letztendlich war. Sie war nur ein Mensch. Mit eigenen Problemen, eigenen Meinungen, Gedanken und Hoffnungen. Hoffnungen, die sie in Menschen wie mich setzte. Sie suchte sichtlich nach erfolgen, doch ihre eigenen Probleme hinderten sie daran. Ich war kein Erfolg. Ich würde bloß ein weiterer Misserfolg werden.

»Setzen sie keine Hoffnung in mich.« ich erhob mich von dem Sofa und ging mit langsamen, gelassenen Schritten zu der Tür des Büros. »Bis nächste Woche.« mit den Worten verließ ich das Zimmer und ging geradewegs aus dem großen Haus. Das ich noch Unterlagen unterschreiben musste, ignorierte ich. Durch ein paar kleinere Erfolge konnte sie sich einiges leisten, auch den Mercedes in der Einfahrt, der meine Fingerspitzen zum Kribbeln brachte.

Ich konnte meine Psychologin nicht bestehlen.

Vor allem dann nicht, wenn ich gerade von einer Sitzung kam. Zugegeben: ich würde es versuchen. Nicht heute, aber mir war klar, dass das Kribbeln in meinen Fingern nicht einfach verschwand. Das war ich. Ein Süchtiger Dieb. Vielleicht lag meine Sucht an meiner Anonymität, denn erwischt hatten die Bullen mich noch nie. Ich hinterließ keine Fingerabdrücke -wie auch wenn ich das gesamte Auto mit nahm?

Ich ging die Straße herab in das ärmere Viertel und stoppte abrupt. Meine Augen nahmen nur eines wahr: einen Weißen Porsche. Noch nie zuvor hatte ich in diesem Viertel einen Porsche gesehen. Meine Schritte prallten langsam und leise auf dem Asphalt ab. Wie ein Raubtier, das sich an seine Beute heran schlich. Nur war meine Beute ein Auto. Meine kribbelnden Finger strichen über die Lackierung und nahmen die Kälte des Wagens in mich auf. Der Wagen glänzte sauber und musste wohl erst heute Gewaschen worden sein. Ich hatte noch nie einen Porsche aufgeknackt und alleine der Gedanke daran ließ meinen ganzen Körper Kribbeln. Wenn ich meine Chance jetzt nicht ergriff dann war dieser Wagen weg. Meine Hand stoppte an der Scheibe des Fahrersitzes und meine Augen suchten die Gegend nach Augenzeugen ab. Hier war nie sonderlich viel los. Zumindest nicht auf den ersten Blick. Und das nur wegen den Straßengangs die hier herum schlichen und Menschen, die sich nicht wehren konnten beklauten, Schlugen oder erpressten.

Ich bückte mich auf den Boden und nahm mir einen Stein zur Hand. Normalerweise knackte ich Autos professioneller auf, doch einen Porsche ohne Schaden aufzuknacken war beinahe unmöglich. Gerade als ich den Stein auf das Glas schlagen wollte, schallte eine helle Stimme über die Straße und weckte mich aus meinem Vorhaben. »Ein schöner Wagen oder?« mein Kopf drehte sich ruckartig nach rechts und erblickte eine Brünette. Sie trug ein Lächeln auf ihren Lippen und betrachtete mich einen Moment. »Ja.« antwortete ich knapp. Ich schmiss den Stein zur Seite und ärgerte mich zugleich über meine Unvorsichtigkeit. Mir war es eigentlich egal, ob ich von der Polizei erwischt wurde, aber von einem Reichen, lächelnden Püppchen?

Sie umrundete das Auto und öffnete den Kofferraum. Sie schmiss die Tasche in den Hohlraum und knallte die Klappe wieder zu. Sie trug eine weite Jogginghose, einen dicken Pulli und eine weite Jeansjacke, was mich irritiert meine Augenbrauen zusammen ziehen ließ. Sie war eigentlich ganz hübsch, aber mussten das Reiche, verwöhnte Mädchen nicht sein? »Beverly Hernandez.« sie stellte sich vor mich hin und hielt mir ihre Hand entgegen.

Beverly Hernandez.

Natürlich musste es die Milliardärs Tochter sein. Nur was machte eine wie sie in einer Gegend wie dieser? »War ja klar.« Ich seufzte genervt und lehnte ihre kleine Hand mit den dunkelblauen Gel Nägeln ab. »Was soll das denn heißen?« ihre Waldgrünen Augen verdunkelten sich und ihre Hand zog sich zurück. Ich wollte mich umdrehen, doch ein Schnauben hielt mich auf. »Die meisten Menschen sagen mir ihren Namen, wenn ich mich ihnen vorgestellt habe.« sie lächelte überheblich.

»Damit du mich bei den Bullen verraten kannst.« Ich lachte auf und schüttelte meinen Kopf. »Nein Prinzessin, vergiss es.« ein weiteres spottendes Lachen verließ meine Lippen. Sie schlug die Tür des Wagens zu und fuhr los. Ich wusste, dass sie den Porsche aufheulen ließ um zu provozieren, deshalb konnte ich mir das Grinsen einfach nicht verkneifen.

Gut, das ich sie nie wieder sehen musste.
Nur schade um den Porsche.

Wie er das leben erlernteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt