30 |Schniefen und Schlurzen

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Ich öffnete die Tür des Cafés und ließ zu, dass die Wärme mich schlagartig umhüllte. Meine Augen nahmen sofort das zierliche Mädchen wahr, das in der hintersten Ecke des Cafés saß und völlig aufgelöst war.

Ihre Augen fuhren über meinen Körper und stoppten an meinen. Sie erhob sich ruckartig und kam auf mich zu. „Jer-", flüsterte sie. Ihre Arme umgriffen meinen Oberkörper und ihr Kopf drückte sich fest an meine Brust.

„Ich wusste, dass du mich findest.", sie sog die Luft ein und seufzte leise. „Wieso bist du hier, Bev?", hauchte ich und drückte sie leicht von mir. Sie reagierte schnell und zog mich mit zum Tisch. „Ich habe es zuhause nicht mehr ausgehalten, Jeremy.", Beverly setzte sich und ließ ihre Hände in ihr Haar sinken. „Ich kann das nicht mehr.", sie schüttelte ihren Kopf und schien an ihren Gedanken zu zerbrechen. „Bev-", hauchte ich, doch sie schüttelte nur weiter ihren Kopf. Schüttelte nur weiter ihren Kopf.

Immer weiter und weiter. Ihre Hände waren tief in ihren Haaren vergraben und die Tränen sammelten sich auf dem Tisch. Eine kleine, vollkommen aus Trauer gezierte Pfütze. Mein Herz zog sich schmerzvoll zusammen und mein Atem kam unkontrolliert und hilflos über meine Lippen. Denn ich fühlte mich hilflos. Ich wusste nicht was ich tun oder sagen sollte. Wie ich mich verhalten sollte. Damit kannte ich mich nicht sonderlich gut aus.

„Prinzessin.", hauchte ich leise und zog eine Hand aus ihrem Haar, um sie mit meiner zu verankern. Beverly sah zu mir auf. Ihre sonst so klaren grünen Augen waren gerötet und ein leises Schniefen entkam ihr. Sie sah mich an. Ebenso hilflos wie ich sie ansah. Wir zerbrachen beide an diesem Punkt. In diesem Café. Genau in diesem Moment. Es zerriss uns und wir bemerkten es. Wir spürten es. „Jeremy es gibt Dinge-", sie schüttelte ihren Kopf erneut und legte ihre andere Hand auf meine.

Sie krallte sich an mir fest. Suchte Halt in jeder weiteren Sekunden, die wir hier auf den Bänken verbrachten. Sekunde um Sekunde. Wir quälten uns. Jeder von uns hatte ein Fass mit Problemen und trotzdem wollte ich nur sie. Ich würde nichts anderes mehr wollen. Nur Beverly. Beverly und mich. Zusammen. „Ich-", sie brach ab und legte ihre Stirn auf unsere Hände. Ihre vollen Lippen berührten meine Fingerknöchel und küssten sie leicht. „Lass mich nicht alleine, ja.", flüsterte sie leise. Flehend.

„Wie kommst du darauf?", ich beugte mich zu ihr rüber und strich ihr einige Strähnen hinter ihr Ohr. „Sie lassen mich alleine, Jer.", ihr Kopf hob sich und ihr trauriger Blick begegnete meinem. Sie trug ein Geheimnis mit sich. Eines das sie zerstörte. Das sie kaputt machte und ich wollte wissen was es war, damit ich dagegen angehen konnte. Ich wollte ihr helfen. Ich wusste zwar nicht, ob sie es wusste, aber sie hatte mir geholfen. So viele Male.

Sie hatte mich aus dem dunklen Loch gezogen. Das es mir also nur gut ging, wenn sie bei mir war, war eigentlich ganz natürlich. Der Rest würde noch geschehen. Aber niemals könnte ich Beverly alleine lassen. Sie verlassen. Uns verlassen. „Bev, was ist los?", fluchte ich leise und legte meine freie Hand auf ihre gerötete Wange. Sie glühte. Beverly musste unter Strom stehen. „Nicht hier. Nicht bei all den Menschen Jeremy.", sie schüttelte ihren Kopf. „Nicht hier.", keuchend verfestigte sie ihren Griff um meine Hand.

Aus Angst um Bev, erhob ich mich entschlossen und zog sie mit. Ich zog sie einfach mit aus dem Café, an die frische Luft. Augenblicklich stoppte ich und umgriff ihr Gesicht mit meinen Händen. „Atme, Beverly.", hauchte ich und sah ihr flehend entgegen. Es brach mir jegliche Knochen sie so zu sehen. 

„Ich will weg, Jeremy.", sie blickte mir in die Augen. Entschlossen. Ich schenkte ihr ein leichtes Lächeln. „Und du weißt, dass ich dir folgen würde.", ihr Atem beruhigte sich, weshalb ich eine Hand von ihrer Wange nahm und sie um ihre Taille legte. „Aber wir laufen vor all dem Weg, Bev.", flüsterte ich dann leise und streifte mit meiner Hand über ihre hitzige Wange. „aber du weißt, dass wenn wir zurück kehren sich alles für uns ändern wird.", sie stoppte, sichtlich verunsichert. Sie stand in einer Zwickmühle. „Ich warte auf dich, Prinzessin.", ich ließ meine Hand fallen und legte sie um ihre Taille, um sie sanft an mich zu drücken.

„So lange es nötig ist.", ich lehnte meinen Kopf gegen ihren und sog ihren angenehmen Duft in mich ein. Genüsslich schloss sie ihre Augen, was ich lächelnd beobachtete. Diese Nähe tat uns beiden gut. Wir brauchten das. Wir brauchten uns. Wen hatten wir denn sonst? Sie- ihre Achso tollen Freundinnen? Oder ihre kontrollsüchtigen Eltern? Und ich? Wen hatte ich denn? Ich hatte niemanden sonst. „Darum geht es nicht, Jer.", heiße Tränen sammelten sich erneut in ihren Augen und ein unterdrücktes Schlurzen entkam ihren Lippen. Was war denn nur los?

„Was verdammt ist los, Beverly?", hauchte ich verzweifelt und verfestigte den Griff um sie. Ich wusste, dass sie das brauchte. Ich war ihr Halt und sie meiner. Wieso sonst krallte ich mich an ihr fest. „Er wird nicht aufhören.", sie schnappte nach Luft. Hilfesuchend. Den Gedanken den sie gerade hatte, der würde sie noch umbringen. Sie drückte sich an meine Brust und krallte sich in meiner Jacke fest. Ich war ihr Halt. Und ich gab ihr all den Halt den sie brauchte. Denn ich liebte sie. Mehr als alles andere und als jeden anderen. Ich liebte sie verdammt.

Wie er das leben erlernteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt