Kapitel 61

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Die Atmosphäre in der großen Sporthalle war eine Mischung aus großer Vorfreude und bitterem Abschied.  

Stolze Eltern, die darauf warteten dabei zuzuschauen, wie Ihren Kindern Zeugnisse überreicht werden würden. Lehrer, die wie jedes Jahr ihre Lieblingsstufe verabschiedeten. Und Schüler die ein letztes Mal in der Sporthalle saßen und in Erinnerungen schwelgten. Ein Saal voller Menschen die zusammen einen neuen Lebensabschnitt von ihren Geliebten feierten. Die Stimmung war wundervoll.

Gedankenverloren wanderte mein Blick durch die Menge und blieb bei meinen Eltern und meiner Schwester stehen, die sich aufgeregt zu unterhalten schienen. Auch wenn meine Eltern weiter entfernt im Zuschauerberreich der Sporthalle saßen -entfernt von den Abiturienten, die zu Ehren des Tages vorne saßen - , konnte ich den Stolz in Ihren Augen sehen. Das Lächeln ging Ihnen bis zu ihren Ohren und es schien als wäre nicht ich diejenige, die ein Zeugnis überreicht bekommen würde. Und auch ich war glücklich. Glücklich meine Eltern so stolz zu sehen, denn war es nicht das, worauf ich die ganze Zeit hingearbeitet hatte? Auf genau dieses Lächeln und dieses Leuchten in ihren Augen?

Mein Blick streifte weiter, an zahlreich unbekannten Köpfen vorbei und blieb am Eingang der Sporthalle stehen, wo die letzten Familien noch eintrafen, inklusive meiner besten Freundin. Sia trat aufgeregt in den Saal und hielt in den vorderen Reihen Ausschau nach uns. Ich grinste. Ich wusste das sie es noch rechtzeitig schaffen würde und ohne ein bisschen Adrenalin zwischendurch wäre Sia nicht Sia. 

Eigentlich hatten wir geplant zusammen zur Schule zu fahren, aber als ich bei ihr geklingelt hatte um sie abzuholen, war sie nicht da gewesen. Sia's Mutter hatte mir am Hauseingang nur gesagt, dass Sia kurzfristig etwas erledigen wollte und ich schonmal losfahren solle. Als ich sie danach im Auto anrief um zu fragen was sie kurzfristig denn noch so für Pläne hatte meinte sie nur lachend,

"Ach Arthanna, du weißt ja ich muss nur noch kurz die Welt retten. Ich bin so schnell es geht da. Halt mir ein Platz frei!" 

Danach hatte ich nur noch ein Piepen gehört und schmunzelnd mein Kopf geschüttelt. Das war typisch für Siarra Campillo.

Sia's Blick blieb an mir hängen und unmittelbar fingen wir an zu grinsen, als ich ihr kurz zuwinkte. Sie winkte zurück und drehte sich um, um sich von ihrer Mutter -die ebenso gerade eintrat - zu verabschieden. Während Sia sich darauf nach vorne begab tauchte hinter Sia's Mutter gerade Luc auf. Ich wusste das er kommen würde. Sia hatte mich 'vorgewarnt'.  Nach meinem letzten peinlichen Auftreffen mit Luc, hatte Sia es zur obersten Priorität gemacht mich jedes Mal zu alarmieren sobald er in der Stadt war. Es war ihre absurde Art gewesen sich bei mir zu entschuldigen, dass sie ihren Bruder in einer meiner unangenehmsten Stunden gerufen hatte. Während sie sich also auf bizarre Weise bei mir entschuldigte, war es mir inzwischen schon egal ob er da war oder nicht. Die ersten Tage nach dem Zwischenfall wäre ich im Boden versunken vor Scham, wenn ich ihn gesehen hätte, aber irgendwann sagte ich mir selbst:

Was solls! Peinlicher kann es nicht mehr gehen. Also alles was nun während seiner Anwesenheit passieren wird, wäre nicht annähernd so peinlich wie dieses Erlebnis.

Tatsächlich machte mich diese Erkenntnis etwas selbstbewusster als ich ihn das nächste Mal begegnete. Es war zwar nur ein kurzes aneinander Huschen und Zunicken im Flur als ich mich nach einer viel zu langen Abitur-Lernsession verabschiedete, aber ich traute mich wieder in das Haus der Campillos. Das war zweifellos ein Erfolg für mich und mit den weiteren Male die ich bei Sia für die Abschlussklausuren lernte, fühlte ich mich langsam wieder Zuhause bei den Campillos. Das einzige was noch fehlte damit alles wieder beim alten war, war meine alte Freundschaft zu ihm. Diese dumme kindliche Freundschaft. Ich vermisste es mit Luc befreundet zu sein und dennoch reichte es mir für den Moment, wenn wir uns im Flur begrüßten und uns schwach anlächelten. Vielleicht in ein paar Jahren. Vielleicht würden wir in ein paar Jahren wieder dumme Wetten abschließen können und gemeinsam Sia auf die Nerven gehen. Bis dahin sollten kleine lieb gemeinte Wortwechsel wohl ausreichen.

Das Leben ist kein BollywoodfilmWo Geschichten leben. Entdecke jetzt