Prolog

384 32 4
                                    

Ein Jahr und sieben Monate nach der Rebellion in der Gesellschaft

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.

Ein Jahr und sieben Monate nach der Rebellion in der Gesellschaft

„Halt! Was willst du im Gebiet der Lihai?"

Ihre Stimme schallt durch den Wald, laut und kräftig, aber auch ein wenig müde. Zu oft in diesem Jahr schon hat die junge rothaarige Frau jene Worte gerufen.

Seitdem der Stahlzaun, welcher die Stadt von der Wildnis abschirmte, durchbrochen ist, finden immer wieder Stadtbewohner den Weg unter die Bäume. Die Erzählungen und Gerüchte vom freien Leben in der Wildnis lassen die Menschen den ersten Schritt in den Wald wagen. Bis sie auf einmal tief mittendrin sind und es weder ein vor- noch ein zurück zu geben scheint.

Die Begegnungen mit den Stadtbewohnern laufen jedes Mal gleich ab. Erschrockenes Erstarren wegen ihres Rufes. Ängstliche Augen, die im Versuch die Herkunft der Stimme ausfindig zu machen zuckend die grüne Umgebung absuchen. Nervöse Hände, welche sich unruhig ineinander verkrampfen, weil die Worte in der fremden Sprache keinen Sinn ergeben. Fassungsloses Erstaunen, wenn die rothaarige Frau wie aus dem Nichts zwischen den Bäumen heraustritt. Große Erleichterung, wenn sie ihre Worte in der Sprache der Städter wiederholt.

Diese Mal jedoch ist etwas anders. Entgegen der Erwartung der Rothaarigen verharrt der Eindringling nicht sofort ängstlich an Ort und Stelle, sondern setzt seinen Weg unbeirrt fort.

„Halt, sagte ich!" Auf einmal ist im Tonfall der jungen Frau kein Hauch von Müdigkeit mehr zu vernehmen. Augenblicklich ist da eine alarmierende Energie, die ihren kräftigen Körper durchzuckt. „Bleib sofort stehen! Oder du darfst mit einem meiner Pfeile Bekanntschaft machen!"

Der Köcher an ihrem Rücken klappert und innerhalb weniger Sekunden liegt ein dünner Metallpfeil abschussbereit im gespannten Jagdbogen. Das leise Geräusch lässt die Gestalt in der Ferne nun doch innehalten.

„Dreh dich langsam zu mir um. Zeig mir dein Gesicht!", befiehlt die rothaarige Frau und nähert sich währenddessen bedächtig dem Eindringling. Jetzt kann sie die hoch aufgeschossene Figur und die breiten Schultern erkennen. Wahrscheinlich ein Mann, schlussfolgert sie. Die fremde Person macht gehorsam, wenn auch widerwillig, Schritt um Schritt in ihre Richtung. Der Schatten einer Kapuze verbirgt das Gesicht. Ganz zögerlich hebt sich ein Arm aus dem braunen Ledermantel und streift schließlich die Kapuze ab.

Ohne es zu wollen entfährt der Rothaarigen ein keuchender Atemzug. Augenblicklich lässt sie den Bogen mit dem eingespannten Pfeil sinken.

Als sie seinen Namen ausspricht, klingt es wie eine längst vergessene Frage.

„Miguel?"

„Rune."

Das Gesicht des schwarzhaarigen Mannes wirkt entmutigt. Es ist ein Ausdruck, den Rune früher nur selten an ihm vernommen hat. Früher, als Miguel noch ein Teil ihres Stammes war.

Früher, bevor sie eines Nachts plötzlich verschwand und bevor er eines Nachts plötzlich verschwand.

Ihr Blick gleitet über Miguel. In seinen Augen ist die kleine, unvermutete Wiedersehensfreude, welche die junge Frau verspürt, nicht anzutreffen. Stattdessen liegen unter ihnen dunkle Schatten, welche sich selbst vom olivgrünen Unterton seiner Haut deutlich abheben.

„Was tust du hier? Wieso bist du wieder ..."

Rune bricht ab, als sich unter dem braunen Mantel des Mannes etwas rührt. Mit weit aufgerissenen efeugrünen Augen mustert sie das kleine Bündel, welches unter seinem Mantel verborgen eng an seine Brust gedrückt ist. Weitere Worte bleiben ihr ungefragt zwischen den Lippen hängen. Miguel umfasst das Bündel mit einer schützenden Geste und schirmt es unbeholfen vor ihrem Blick ab.

„Ist das ein ...", will Rune ansetzen, wird jedoch sofort von Miguel unterbrochen.

„Ja. Und nein, es ist nicht meines." Nachdrücklich signalisiert er mit verschlossenem Gesichtsausdruck, dass er keine weiteren Fragen beantworten wird. Der rothaarigen Frau liegt schon etwas auf der Zunge, doch sie verkneift sich jegliche Bemerkung. Stattdessen mustert sie den kleinen Kopf des Babys, welcher mit einer wärmenden Schicht Stoff umhüllt ist. Wie als würde es Runes eindringlichen Blick spüren, fängt es an sich zu bewegen.

Miguel räuspert sich und fährt dem Kind beruhigend über den Rücken. Unter seinen sanften Berührungen entspannt es sich sichtlich. „Ich muss los. Die Nacht kommt und ich habe einen weiten Weg vor mir."

Damit wickelt er seinen Mantel fester um seine Brust und wendet sich zum Gehen.

„Warte! Wohin willst du?" Rune ist mit zwei schnellen Schritten an der Seite des schwarzhaarigen Mannes.

Da sind so viele Fragen in ihr, auf die sie keine Antwort hat. Denn mit einem Mal waren die beiden aus dem Leben des jeweiligen anderen komplett verschwunden.

„Irgendwohin."

„Miguel", seufzt sie, vergeblich, und fasst nach seinem Unterarm, damit er stehenbleibt. „Komm doch zurück. Zu uns Lihai."

Miguels trauriger Blick trifft Rune mitten ins Herz. „Bei den Lihai ist für mich kein Platz mehr."

„Miguel ..."

„Ich gehöre dort nicht mehr hin, Rune. Und mit ihm schon gar nicht." Er streicht verzweifelt über das Bündel an seiner Brust und weicht ihrem Blick aus. „Lass mich einfach gehen."

Und die rothaarige Frau lässt ihn ziehen.

Hoffnung - Ariel & Adrian // pausiertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt