Funkelnde Pelze

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Wolfsmond starrte wie angewurzelt auf den alten Stein. In der Nacht, in der sie hier gekämpft hatten und sie Luchsohr fast getötet hatte, war er ihr dunkel und matt erschienen. Doch jetzt glänzte er in einem seltsamen silbrigen Licht. Als wären alle Sterne vom Himmel auf ihn drauf gefallen und würden nun dort kleben.

»Komm«, forderte Weises Reh sie auf. Die rotbraune Kätzin trat näher an den Stein heran und tippte ihn auffordernd mit der Pfote an. »Du musst ihn mit der Nase berühren. Dann wirst du einschlafen und im Territorium des SternenClans aufwachen.«

»Ich... Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist«, stotterte Wolfsmond, plötzlich vollkommen unsicher. Wird der SternenClan mir überhaupt neun Leben geben? Ich habe den DonnerClan mit einer Lüge zusammengeführt. Das war falsch, aber ich hatte keine andere Wahl.

»Warum nicht?«

»Ich habe zu viele Fehler gemacht. Ich verdiene es nicht, eine Anführerin zu sein«, sprudelte es aus ihr heraus.

Aus irgendeinem Grund wirkte Weises Reh belustigt. »Ich glaube, ich weiß, welches dein erstes Leben sein wird. Du brauchst wirklich keine Angst zu haben. Komm, leg dich hin. Ich werde bei der Zeremonie immer in deiner Nähe sein. Mach dir keine Sorgen.«

Ich habe keine Angst, dachte Wolfsmond. Oder? Zögerlich ließ sie sich neben dem alten Stein nieder, schloss die Augen und berührte den glitzernden Felsen mit der Nase. Er war kalt, doch gleich darauf wurde ihr unglaublich warm. Als wäre es mitten in der Blattgrüne und sie würde sich irgendwo sonnen. Als sie die Augen aufschlug, war sie nicht mehr im Zweibeinerort und es war auch nicht mehr nachts. Jemand stupste sie an. Weises Reh.

»Diesen Teil des SternenClan-Territoriums habe ich noch nie gesehen«, flüsterte die Heilerin ihr zu.

»Kein Wunder«, miaute Wolfsmond, während sie sich auf die Pfoten erhob. »Das ist das Territorium des ErdClans.« Die sanften Hügel mit den Kaninchenlöchern waren unverkennbar. In einiger Entfernung fiel der Boden in die Tiefe ab und wurde zu einer Schlucht. Sie hatte keine guten Erinnerungen an diesen Ort. Sie erinnerte sich noch an den Moment, in dem sie daran gedacht hatte, wie es wohl wäre, dort runter zu springen. Würde es schnell gehen?

»Wolfsmond.« Beim Klang der vertrauten Stimme horchte sie auf, fuhr herum. Vor ihr erstreckte sich ein Meer aus Katzenleibern. In ihren Pelzen funkelten silberne Sterne. Alle sahen sie an. Und ganz vorne, dort stand einer ihrer Brüder.

»Schattenzahn«, flüsterte sie und sprang auf ihn zu, um ihn Nase an Nase zu berühren. »Es tut mir so leid, dass du sterben musstest. Das hätte nicht passieren dürfen.«

»Ich weiß«, flüsterte er zurück. »Doch genau mit meinem Tod fing deine Geschichte an.« Schattenzahn schnurrte. Sein schwarzes Fell und die blauen Augen glänzten freudig. »Es ist mir eine Ehre, dir dein erstes Leben zu geben.«

»Aber...« Wolfsmond wich vor ihm zurück. »Weiß der SternenClan nicht, was ich getan habe? Dass ich gelogen habe, um den DonnerClan zusammen zu führen?«

»Wir wissen das«, miaute ihr Bruder. »Und wir haben dir vergeben. Also vergebe auch dir selbst.« Er blickte ihr direkt in die Augen. »Ich gebe dir das Leben der Vergebung. Sei nicht zu streng mit dir, denn niemand kann immer alles richtig machen.«

Als Schattenzahn sie berührte, fuhr ein warmer Wind durch ihr Fell. Sie hatte das Gefühl, von ihm davongetragen zu werden und sich von oben zu sehen. Eine korpulente, hellgraue Kätzin mit breiten Schultern. Hässlich, dachte sie. Aber so bin ich nun mal. Das bin ich. Und plötzlich war es vorbei. Der Wind war fort und sie sah wieder durch ihre eigenen Augen.

»Danke«, flüsterte sie Schattenzahn zu, der ihr ein letztes Mal über das zerzauste Fell strich und sich dann zwischen den SternenClan-Katzen einreihte.

Warrior Cats - Schwarze SonneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt