Unmögliche Spuren

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Terra erwachte von Luchsohrs lautem Ruf. Der gelbbraune Kater hatte diese Nacht Wache gestanden, um auf seine Clan-Gefährten aufzupassen. Schattenstern hatte eine gute Wahl mit ihm getroffen. Immer noch etwas müde, rappelte die WindClan-Kriegerin sich auf die Pfoten und trottete in die Richtung, aus der der Ruf gekommen war. Sie sträubte das Fell, um sich trotz des kühlen Windes etwas zu wärmen und wünschte sich Hechtkralle zurück, der aber zusammen mit Schattenstern ausgezogen war.

Hoffentlich finden sie Sprenkeljunges auch wieder! Nicht, dass ihr noch etwas passiert ist... So wie Himmelglanz...

Gerade hatte sie den Gedankengang zu Ende gebracht, da fiel ihr Blick auf ein Stück roten Pelz zwischen all ihren Clan-gefährten. Ungläubig drängelte sie sich nach vorne durch. Es gab nur eine Katze mit so einer Fellfarbe!

Nebeljunges bestätigte ihren Verdacht, als der kleine, dunkelgraue Kater sich zwischen ihren Pfoten hindurchschlängelte und laut »Sprenkeljunges« jaulte.

Vorne angekommen, konnte Terra ihren Augen nicht glauben. Tatsächlich saß dort die feuerrote Kätzin mit den schwarzen Punkten und schaute wild um sich. Eine andere, fremde Katze, deren gesamtes Fell mit vertrocknetem Schlamm überzogen war, hatte eine Pfote auf ihren Schwanz gestellt, damit sie nicht weglaufen konnte.

»Der Große Stern hat befohlen, euch dieses Junge zurückzugeben«, sagte die Fremde, die Terra nun an der Stimme als Kätzin identifizieren konnte. »Der Große Stern warnt euch weiterhin davor, unsere Territorien zu betreten. Solltet ihr euch nicht daran halten, gibt der Große Stern allen Verbündeten den Befehl, jeden von euch zu töten. Dies ist die letzte Warnung des Großen Sterns. Außerdem wird der Große Stern es nicht dulden, dass seine Katzen des Mordes beschuldigt werden.«

Ohne ein weiteres Wort zu sagen, hob die Kätzin die Pfote an, sodass Sprenkeljunges das Gleichgewicht verlor und nach vorne stürzte, und verschwand zwischen den wogenden Grashalmen. Während die rot-schwarze Kätzin von Nebeljunges begrüßt wurde, sahen die meisten WindClan-Katzen der fremden teils verwirrt, teils besorgt hinterher.

Schließlich war es Efeubein, der die Stille brach. Sein steifes Bein hatte er seitlich abgespreizt. »Wir hätten nicht so überreagieren dürfen.«

»Du meinst, Schattenstern hätte nicht so überreagieren dürfen«, entgegnete Funkenstern spitz.

Sofort fuhr Terra zu ihm herum. »Schattenstern wollte nur ihr Junges retten. Du wirst das nie verstehen!«

Seine grünen Augen funkelten sie verärgert an. »Ein richtiger Anführer stellt das Wohlergehen des Clans über alles andere«, zischte er. »Mit ihrer unüberlegten Grenzübertretung hat sie diesen Katzen eindeutig den Krieg erklärt.«

Terra zuckte bei der Erwähnung des Wortes ›Krieg‹ unwillkürlich zusammen. Ist es jetzt soweit? Muss ich jetzt irgendwas machen, um einen Kampf zu verhindern? Beim SternenClan, was denn?

»Wir dürfen uns jetzt nicht gegenseitig beschuldigen«, versuchte Luchsohr, den Streit zu schlichten.

»Ich beschuldige hier nur eine Katze«, stellte Funkenstern klar, bevor er sich umwandte und mit Dunkeljunges an seiner Seite in Richtung Fluss ging.

»Solange wir hierbleiben, ist alles gut«, fuhr der Stellvertreter einfach fort ohne den Einwand des getigerten Katers zu beachten. Er drehte sich zu Sprenkeljunges um und in dem Moment fühlte Terra sich an ihre Zeit bei den Clanlosen erinnert. Immer, wenn sie etwas falsch gemacht hatte, hatte sie sich eine Schimpftirade von ihrem Vater Black anhören müssen. »Was hast du dir nur dabei gedacht, das Territorium der Katzen zu betreten, die Himmelglanz umgebracht haben?«

»Ich wollte nur reden!«, begehrte die kleine Kätzin auf, doch ein Schwanzschnippen brachte sie zum Schweigen.

»Geh zu Spritzklang«, befahl Luchsohr. »Du auch, Nebeljunges. Ich möchte nicht, dass einer von euch beiden wieder im Gras verschwindet.«

»Sie ist viel mutiger als ich«, murmelte Terra, während die beiden Geschwister davontrotteten und presste die Zähne fest aufeinander. Sie hatte das nicht laut sagen wollen.

»Mutig?«, fragte Vogelschweif neben ihr, die das offenbar gehört hatte. »Oder naiv?« Dann entfernte die gelbbraune Kätzin sich gemächlichen Schrittes und ließ sich neben Tannennadel nieder.

Sofort eilte Dachsjunges zu ihr, um etwas Milch zu trinken. Terra hatte zwar nicht mitbekommen, wie Todesfeder ihn zur Welt gebracht hatte, aber insgeheim war sie froh darüber. Sie hatte bei den Clanlosen ein einziges Mal eine Kätzin schreien hören, die kurz darauf verblutet war, weil die Geburt zu schwer für sie gewesen war. Ihr Name war... Lita? Ja, so muss sie geheißen haben. Alle ihre Jungen waren gestorben oder schon tot gewesen.

Die WindClan-Kriegerin schüttelte den Kopf, um die Erinnerungen daran zu verscheuchen.

»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte plötzlich eine tiefe Stimme. Terra erkannte Aqua sofort. Mittlerweile hatte sie sich an ihre ungewöhnliche Tonlage gewöhnt.

»Ja, ich musste nur kurz an eine Kätzin denken, die bei der Geburt gestorben ist«, miaute die gefleckte Kriegerin ehrlich.

»Das passiert nicht so oft, keine Sorge«, antwortete Aqua schnurrend. Doch dann wurde sie ernst und ihre sonst fröhlich dreinblickenden, hellblauen Augen wurden hart. »Ich muss dir kurz etwas zeigen. Aber versprich mir, dass du ehrlich bist.«

Überrascht stellte Terra die Ohren auf. »Natürlich. Ich würde dich niemals anlügen!«

»Gut. Komm mit.« Die gestreifte Kätzin setzt sich in Bewegung und Terra folgte ihr ohne zu zögern.

Was will sie mir zeigen? Warum sagt sie mir ausdrücklich, dass ich ehrlich sein soll?

In der Nähe des Flusses blieb Aqua stehen. Das musste der Ort, wo sie Himmelglanz' Leiche gefunden hatten. Das Wasser war zwar klar, aber zwischen den platt gedrückten Grashalmen war die Erde leicht rötlich gefärbt.

Warum hat sie mich hierhin geführt?

Wie als Antwort auf ihre Frage schob Aqua zwei dicht beieinander wachsende Grasbüschel auseinander und zog mit den Zähnen etwas heraus. Sie ließ es vor Terra auf den Boden fallen. Verwirrt starrte die gefleckte Kätzin abwechselnd das hellgraue Fellbüschel und ihre Clan-Gefährtin an.

»Was ist das?«

»Riech daran«, sagte Aqua.

Terra tat wie ihr geheißen und beugte sich hinab, um daran zu schnüffeln. Ungläubig riss sie die Augen auf und fuhr hoch. »Das ist mein Geruch! Aber... Das ist unmöglich!«

»In der Nacht, wo du angeblich die Totenwache für Fremdschatten gehalten hast, habe ich geschlafen. Und das hier habe ich zwischen Himmelglanz' Krallen gefunden, als ich an diesen Ort kam. Ich habe es rausgenommen, bevor die Wölfe kamen, um sie zu beerdigen, doch ich kann nicht garantieren, dass sie deinen Geruch nicht wahrgenommen haben.«

Entsetzt sträubte Terra das Nackenfell. »Du glaubst doch nicht ernsthaft... Ich habe sie nicht getötet!«

Aqua sah ihr eine Weile in die Augen und die WindClan-Kriegerin erwiderte den Blick trotzig. Endlich nickte sie. »Gut, ich glaube dir. Doch sei auf der Hut. Wenn Schattenstern zurückkommt, kann es sein, dass die Wölfe ihr davon berichten.« Sie nahm das Fellbüschel auf und warf es in den Fluss. Dann eilte sie an Terra vorbei. Zu schnell für den Geschmack der hellgrau-schwarzen Kätzin.

Unmöglich! Wie kommt es da hin? Plötzlich zuckte ihr ein Gedanke durch den Kopf. Voller Wut und Schmerz kniff sie die Augen zusammen. Sie wusste ganz genau, wen sie gleich anschreien würde.

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Noch eine kleine Info: Weil ich jetzt praktisch alle Katzen-Karten vom WindClan abgeklappert habe, kommen jetzt nur noch welche, wenn neue Katzen dazukommen bzw. Katzen vorkommen, deren Karte ich noch nicht eingestellt habe :)

Edit: Alternativ werde ich nach und nach in den Kapiteln ohne Karten ein (meiner Meinung nach) passendes Lied einfügen, das ihr euch dann parallel zum Kapitel anhören könnt :)

Warrior Cats - Schwarze SonneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt