Elias

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Seufzend steht Elias am Counter und schaut auf den riesigen Bildschirm mit dem OP Plan. Er muss irgendwie versuchen, die Herz OP seiner Patientin noch auf morgen zu legen, aber wie? Die OP Säle sind so gut wie alle durchgetacktet und belegt, wie soll das nur funktionieren? Außer Matteo würde seine Handrekonstruktion verschieben, aber das ist ein monatelang angesetzter Termin.

Tief luftholend strafft er die Schultern. Dann muss er halt in den sauren Apfel beißen und ihn fragen. Auch wenn es ihm vor dem Gespräch graut, trotz der mittlerweile relativ guten freundschaftlichen Beziehung zu ihm.
Kopfschüttelnd denkt er darüber nach. Wenn ihm jemand vor Cassys und Matteos Beziehung gesagt hätte, dass er mal mit Matteo befreundet sein würde, hätte er denjenigen glatt ausgelacht und für verrückt erklärt.

Mikko kommt an den Counter und seufzt. „Man, dass ich trotz meiner bestandenen Facharztprüfung immer noch Moreaus Arbeit erledigen muss", meint er zähneknirschend und wirft die fertig geschriebenen Berichte in Matteos Fach.
„Mach dir nichts draus, das mussten wir auch alle noch. Und sobald die neuen Assistenzärzte da sind, kann er die ärgern".
Mikko schaut Elias leidend an. „Du hast doch so einen guten Draht zu ihm, könntest du nicht ...?".
„Nein mein Freund, das schlag dir mal schön aus dem Kopf! Ich muss selber Matteos was fragen und wenn du mich in einer halben Stunde nicht mehr siehst, schick einen Suchtrupp los".

Er will losstürmen, dreht sich dann aber nochmal um. „Weißt du, wo Matteo steckt?". Mikko deutet in eine Richtung. „In seinem Labor".
Nervös klopft Elias an die Tür des Labors und wartet, bis er Matteos ‚Herein' hört. Vorsichtig steckt er den Kopf herein.
„Matteo, darf ich kurz stören?", fragt er, Matteo sieht noch nicht einmal von seinen Notizen auf. „Ganz kurz nur Elias".
Elias kommt herein und schließt die Tür hinter sich. „Es geht um die OP morgen der Handrekonstruktion...", beginnt er und wartet ab, wie Matteos Reaktion ist.

Der hebt nun endlich den Kopf und mustert ihn. „Was ist damit?". Elias bemerkt Matteos dunkle Augenringe und überlegt, wie lange der Mann jetzt schon im Dienst war.
„Du siehst müde aus, willst du dich nicht hinlegen?". Matteo schüttelt den Kopf und sieht auf seine Uhr. „Hab in zwei Stunden eh Feierabend, dann hau ich mich hin. Also, was ist mit meiner OP?".

Elias reicht ihm sein Tablet mit den Daten seiner Patientin. „Es geht um Frau Hansa. Ihre Werte verschlechtern sich immer weiter und wir müssen so dringend wie nötig operieren. Ich wollte fragen, ob es möglich ist, die Hand OP auf übermorgen zu verschieben, da wäre noch ein Platz frei".

Matteo scrollt durch die Werte. Zu seiner Überraschung nickt er und reicht ihm das Tablet zurück. „In Ordnung. Rufst du meine Patientin an, dann kann ich noch meine Arbeit hier zu Ende machen".
Elias schaut ihn verblüfft an. „Kein ‚Vergessen Sie es Bähr' oder ‚Nicht in diesem oder nächsten Leben'?".
Matteo zieht eine Augenbraue hoch. „Wäre dir das lieber?". Elias schüttelt den Kopf und öffnet die Tür zum Labor. „Danke! Ich rufe deine Patientin gleich an".

Erstaunt schließt Elias die Tür hinter sich. Damit hat er nun wirklich nicht gerechnet. Fröhlich pfeifend geht er zurück zum Counter und bleibt an der Ecke stocksteif stehen.
Emma sitzt am Computer und scrollt durch einen Artikel. Ihr wunderschönes, schwarzes Haar trägt sie zu einem Zopf zusammengebunden, ihre flinken, schlanken Finger tippen immer mal wieder auf der Tastatur herum.

Seufzend kommt er näher heran. „Dr. Jahn, würden Sie bitte diese Patientin hier anrufen und ihr mitteilen, dass ihre OP auf übermorgen, acht Uhr morgens gelegt wurde?". Während er spricht, scrollt er durch das Tablet und legt es Emma auf den Tresen.
Diese hebt den Blick und mustert ihn. „Mach ich, Dr. Bähr", flüstert sie und wählt bereits die Nummer, die sie sieht.

Elias wendet sich schnell dem Bildschirm zu und atmet tief ein. Sein Herz schlägt ihm bis zum Hals und seine schweißnassen Hände schaffen es kaum, sich zu beruhigen. Vorsichtig verschiebt er die OPs, ohne dabei ständig über die Schulter nach Emma zu schauen. Er hört, wie sie telefoniert, sein Tablet hat sie ihm wieder zusammengeklappt auf den Tresen gelegt. Noch bevor sie fertig ist, flüchtet er.

Vor dem Haupteingang angekommen atmet er tief die angenehme, frische Luft ein. Was macht er sich eigentlich vor, er schafft es nicht, auf professionelle Art und Weise mit Emma umzugehen. Beruflich und privat wollte er seine Leben immer getrennt halten, das ist gründlich in die Hose gegangen.

In aller Freundschaft: die jungen Ärzte - LifelinesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt