Cassy

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Irgendetwas stimmt nicht. Ich meine, ich habe noch nie eine Geburt mitgemacht, aber ich merke einfach, es stimmt etwas nicht. Die Schmerzen strahlen von meinem Bauch aus und so wie sich das anfühlt sind das keine normalen Wehen mehr.

Heulend hocke ich im Vierfüßlerstand auf dem Boden und schnaufe. Das Haustelefon ist zu weit entfernt, mein Handy habe ich im Schlafzimmer liegen lassen. Wie oft hat Matteo mich ermahnt, es bei mir zu haben. Tausendmal bestimmt.

„Hilfe!", brülle ich, in der Hoffnung das mich irgendjemand hört. Allerdings sind die Fenster geschlossen aufgrund der Kälte, die draußen herrscht. Immerhin ist Dezember.
„Scheiße!". Okay, nachdenken, was hatte ich immer gelesen? Irgendetwas mit ... ach scheiß drauf! Ich kriege ich es nicht mehr zusammen.

„Hilfe!", brülle ich nochmal, meine Stimme überschlägt sich und zum Schluss ist sie nur noch ein Kreischen. Es kann doch nicht sein, dass noch nicht einmal ein Spaziergänger hier entlanggeht, wir wohnen doch sehr nah am Wald!

Plötzlich denke ich, dass ich die Gartenpforte gehört habe. „Hilfe!", brülle ich wieder und versuche, hinter der Couch nach vorne zu robben, damit derjenige mich vom Garten aussehen kann.

Jemand kommt um die Ecke. „Oh mein Gott". Julia schaut mich entsetzt an. „Was machst du hier?", frage ich laut, ich habe sie doch erst viel später erwartet.
„Niklas, wir müssen da rein. Der Ersatzschlüssel liegt unter diesem Stein da", ordnet Julia an, dumpf höre ich ihre Stimme durch die Glasscheibe und ich erkenne Niklas, der hektisch unter einen Stein guckt. Dann rennen beide nach vorne, ich höre das Schloss der Tür klicken und Julia stürmt herein, Niklas bereits am Telefon.

„Julia", schluchze ich und spüre die Hand meiner Freundin, die mir langsam aufhilft und mich auf das Sofa zurückschiebt.
„Bleib ganz ruhig", spricht sie mir ruhig zu, während sie meinen Puls misst und meinen Bauch fühlt. „Der RTW ist sofort da".

In weiter Entfernung höre ich tatsächlich schon die Sirenen. Ausnahmsweise bin ich froh darum, dass Matteo auf die Nähe unseres Hauses zum JTK bestanden hatte. Das er damals nicht klein beigegeben hatte, ist heute ein Segen für mich.

Niklas übernimmt, der mich von oben bis unten mustert. „Das Baby liegt quer", stellt er fest, als er meinen Bauch abgetastet hat und bedeutet Julia, mir ein kühlendes Tuch auf die Stirn zu legen. Ich schwitze tatsächlich sehr stark und spüre, wie mich ein kräftiges Zittern erfasst. „Du musst ruhig ein- und ausatmen", spricht mir Niklas gut zu und ich versuche, meinen hektischen Atem unter Kontrolle zu kriegen.

Das Martinshorn wird lauter und der RTW hält vor unserem Haus. Julia eilt nach vorne, sie kommt zusammen mit Mikko herein, der begleitet von den Sanitätern mit der Trage sofort zur Seite tritt. Er kann hier sowieso nicht viel machen. Die Trage wird neben dem Sofa abgelegt und mit Julias und Niklas Hilfe hieve ich mich keuchend darauf.

Plötzlich atmet Julia scharf ein. „Starke Blutungen, ich vermute Abruptio placentae". Niklas schaut nach unten und als ich versuche den Kopf zu heben, drückt er ihn wieder sanft zurück. „Du darfst dich jetzt nicht aufregen!".

„Los, wir dürfen keine Zeit verlieren". Schnell schieben sie mich aus dem Haus, Niklas lässt meine Hand nicht los. „Julia, schließ ab und fahr hinterher, ich steige mit in den RTW ein", ordnet er an. Dabei lässt er mich keine Sekunde aus den Augen.
„Ich funke das JTK an". Mikko klettert nach vorne, während Niklas mithilft, mich in den RTW zu schieben. Dann schließen sie schnell die Türen und innerhalb weniger Sekunden fährt der RTW mit Martinshorn los.

„Cecilia, wir werden gleich im JTK sofort dein Baby per Kaiserschnitt holen", erklärt mir Niklas, der mir ohne dass ich es gemerkt habe, einen Zugang im Handgelenk gelegt hat.

„Egal was, rette mein Baby". Mit zusammengepressten Lippen nickt Niklas. Die Schmerzen betäuben mittlerweile einfach alles in meinem Körper und ich merke, wie mein Atem immer flacher wird. Immer wieder fallen mir die Augen zu und jedes Mal klatscht Niklas mir seinen Handrücken gegen die Wange.

„Wach bleiben!", sagt er und spricht mit dem Sanitäter, der unterstützend an Niklas Seite ist.
„Müde", murmle ich und Niklas nickt. „Das glaube ich dir. Aber du musst trotzdem wach bleiben. Denk an etwas Schönes, denk an Matteo".

Tatsächlich ist es kein schlechter Einfall. Ich stelle mir Matteo vor, wie er seelenruhig und entspannt im Garten liegt. Ein Fachbuch in seinen Händen, die dicke Ray Ban auf der Nase und der kleine Ansatzbauch, der über seine Badehose guckt.
Es ist ein schöner Gedanke, der mich von innen heraus wärmt. Schwärze beginnt an meinen Augenrändern zu flackern und meine Sicht wird unscharf. Nur kurz ausruhen ...

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Es bleibt spannend meine Lieben :) Wie wird es Cassy ergehen? Das Ende nähert sich ...

In aller Freundschaft: die jungen Ärzte - LifelinesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt