4. Kapitel

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Baz

Snow hat nichts gesehen. Glaube ich. Hoffe ich. Mein Vater hat mir etwas von Zuhause geschickt. Ich wusste nicht, was ich erwartet habe, aber nicht... das! Sobald mir klar wurde, worum es sich handelte, fiel mir das Paket aus den Händen und schloss sich. Snow schreckte auf, wäre aber nicht in der Lage gewesen irgendetwas zu sehen. Hoffe ich.

Mein Vater hatte schon immer große Erwartungen an mich, aber dieser Plan ist einfach nur grausam. Snow ist ziemlich schnell verschwunden und ich bin mir sicher, dass er nicht so schnell wiederkommen wird. Es ist Wochenende und es hat geschneit. Vermutlich unternimmt er etwas mit seinen Freunden.

Ich habe eine Zeit lang versucht, mich abzuregen, indem ich Sachen durch das Zimmer geworfen habe. Sowohl meine, als auch die, die Snow überall liegen gelassen hat. Ich war im Wald und habe das Zimmer wieder einigermaßen aufgeräumt. Ohne Zauberei. Ich musste etwas zu tun haben.

Jetzt spiele ich mit noch immer zittrigen Händen Geige und versuche das Paket zu vergessen, das unter meinem Bett liegt. Das kann ich nicht tun. Das kann ich Simon Snow nicht antun. Ich verspiele mich und lasse den Bogen sinken. Langsam atme ich ein und aus. Das kann mein Vater doch nicht von mir verlangen. Es würde Snow wahrscheinlich nicht töten, was aber nicht heißt, dass es eine bessere Lösung ist. Dagegen wäre es eine Wohltat, ihn einfach zu umzubringen.

Ich merke, dass mir Tränen das Gesicht runter laufen und wische sie mit meinem Hemdsärmel weg, lockere meine Krawatte, schließe die Augen und setze den Bogen wieder auf die Seiten meines Instruments. Die Melodie, die ich spiele ist ruhig und ich schaffe es tatsächlich mich nur darauf zu konzentrieren. Ich blende alles andere aus und spiele einfach. Ein Lied nach dem anderen, alles was mir einfällt, was dank Snow hauptsächlich Weihnachtslieder sind.

Da ist er wieder oder eher immer noch. Sogar wenn ich mich konzentriere, ist Snow immer da. Es ist, als wäre ich unfähig, ihn auszublenden. Die Sachen, die er sagt, bleiben mir ewig im Kopf, die Lieder, die er summt, sind die ersten, die mir einfallen, alles was er tut, beeinflusst mich.

Ich bin so vertieft in die Musik, dass ich erst garnicht bemerke, wie Simon mich beobachtet. Er steht einfach in der offenen Tür, hat noch nicht einmal seine Jacke ausgezogen und hört mir zu. Wie lange schon weiß ich nicht. Ich bemerke ihn erst, als ich ihn schniefen höre. Nicht, weil er weint. Er war vermutlich lange draußen.

„Du...Das war schön" stammelt er, als ich mich zu ihm drehe und ihn fragend ansehe. „Danke." Ich schenke ihm ein schwaches Lächeln. Ich freue mich immer, wenn jemand meine Musik lobt, auch wenn es nicht oft vorkommt, da ich selten vor oder für andere spiele.

Simon zieht seine Jacke aus und wirft sie auf sein Bett. „Kannst du noch eins spielen?" fragt er zögernd und dreht sich zu mir um. Ohne ihm zu antworten, hebe ich mein Instrument wieder an meine Schulter und beginne ein weiteres Weihnachtslied zu spielen.

Als ich zu Snow sehe, lächelt er und ich höre, wie er leise mitsingt, wobei er echt keine Töne treffen kann. Ich schmunzle. Die Verbindung durch Musik, fand ich schon immer faszinierend. In diesem Moment sind wir keine Feinde, sondern nur zwei Jungen, die gemeinsam Musik machen. Snow singt einen total schiefen Ton und wir müssen lachen, wobei ich es trotzdem noch irgendwie schaffe, weiter zu spielen.

Das Lied endet und wir grinsen uns noch einen Moment an, dann fällt mir das Paket wieder ein und mein Lachen erstirbt. Snow scheint auch wieder einzufallen, dass er mich hasst und schaut weg, bevor er aufsteht, etwas von seinem Schreibtisch und seine Jacke nimmt und wieder geht.

Ich lege meine Geige wieder in den Koffer und setze mich auf mein Bett. Das eben hat mir klar gemacht, dass Snow und ich Freunde hätten sein können, wenn ich nicht von Anfang an abweisend gewesen wäre, wenn ich nicht mehrmals versucht hätte, ihn umzubringen. Ich will garnicht sein Feind sein. Mein Vater will das.

Ruckartig stehe ich auf und hole das Paket aus seinem Versteck. Ich achte genau darauf, dass es geschlossen bleibt. Ich will den Inhalt nicht sehen. Ohne meine Jacke mitzunehmen klemme ich es mir unter den Arm und verlasse mit schnellen Schritten das Zimmer, durch den Flur, die Treppe runter und nach draußen. Ich renne fast über den Hof und durch das Tor zum Wassergraben.

Erst als ich dort angekommen bin, lasse ich das Paket fallen. Es scheppert. Das Wasser ist nur teilweise von dünnem Eis bedeckt. Mit einem Zauber verschließe ich den Karton wieder, als wäre es nie geöffnet worden, dann werfe ich es ins Wasser und sehe zu, wie es von seinem Gewicht in die Tiefe gezogen wird. Sollen die Wasserwölfe sich darüber hermachen. Der Inhalt dieses Paketes wird Simon Snow nicht schaden und auch sonst niemandem. Ich habe es nie erhalten.

Make the Yuletide gayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt