10. Kapitel

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Baz

Snow sitzt einfach nur da und schaut auf seine Hände. Ich stehe etwas von ihm entfernt und warte auf eine Reaktion. Er hat mich nicht einmal unterbrochen, als ich erzählt habe, was gestern passiert ist. „Also kann er überall sein und wartet darauf, dass du mich tötest?" Ich nicke und muss schlucken. Es klingt schlimmer, wenn er es sagt. Ich warte nur darauf, dass er mich verurteilt oder anschreit, dass er dem Magier erzählt, was ich eben gestanden habe.

„Warum tötest du mich nicht?" „Was?" Geschockt schaue ich ihn an. „Anscheinend würde es dir ja viel Ärger ersparen und du hast viele Chancen dazu." Ich drehe mich von ihm weg und raufe meine Haare. „Ich bin nicht so ein schlechter Mensch, wie du glaubst, Snow. Zumindest will ich das nicht sein." Ich seufze. „Ich will nicht schuld daran sein, dass der Schatten die Magie vernichtet. Ich will auch nicht die Schuld am Untergang des Magiers sein, auch wenn ich ihn nicht leiden kann. Ich will auch niemanden töten... Ich will einfach nur..." Ich lasse den Kopf sinken. „Was willst du?" Dich, Simon Snow. Ich will mit dir reden und lachen, dich nicht immer von mir stoßen müssen, dich Tag und Nacht in Sicherheit wissen, den Schatten mit dir besiegen, dich im Arm halten, in dem Wissen, dass alles gut wird.
„Leben."

„Was machen wir jetzt?" Ich bin derjenige, der die folgende Stille beendet. „Keine Ahnung. Ich dachte, du hättest einen Plan, immerhin wolltest du mit mir hier runterkommen." „Ich wollte dir deine Fragen beantworten." stelle ich klar. „Von einem Plan war nie die Rede." Ich setze mich auf den Boden. „Sollen wir dem Magier Bescheid sagen?" Ich stütze meinen Kopf mit den Händen ab. Ich bin müde. „Er wird nicht nur den Fremden, sondern auch mich umbringen." Snow nickt. „Und wenn wir uns einen anderen Grund ausdenken, warum wir es wissen?"

Es überrascht mich, dass Snow sich anscheinend wirklich Gedanken darüber macht, mich zu schützen. „Was denn? Es gibt keine vernünftige Erklärung, warum ein Mörder einem Unbeteiligten sagen sollte, dass er jemanden töten will. Man würde uns nicht glauben." „Wir könnten einen anonymen Hinweis hinterlassen." Ich stöhne. „Das könnte man mit einem Zauberspruch ganz leicht zurückverfolgen. Warum willst du dem Magier unbedingt davon erzählen?" Snow verzieht das Gesicht. „Er muss es wissen und er ist mächtig, wenn jemand uns helfen kann, dann er." „Du bist mächtiger."

Snows Blick verfinstert sich. „Du hast mich nicht einmal den Staub entfernen lassen." „Weil ich nicht sterben will, bevor diese Geschichte vorbei ist." „Das ist es doch! Niemand traut mir zu, dass ich einfache Zauber wirken kann, ohne etwas in Brand zu setzen oder in die Luft zu jagen!" „Aber kämpfen kannst du doch! Ich habe gesehen, wie du die Monster vom Schatten besiegt hast." Ich kann seinen Gesichtsausdruck nicht deuten. „Wir haben immer noch keinen Plan." Ich lehne mich mit dem Rücken an die Wand. „Ich kann heute Nacht wieder wach bleiben." „Nein, kannst du nicht." Snow beugt sich vor und stützt seine Unterarme auf seine Knie. „Ich habe gesehen, dass du dich im Unterricht kaum wachhalten konntest. Außerdem hast du die letzte Nacht schon nicht durchgehalten und wir haben morgen eine Prüfung in Zaubersprüchen."

Stimmt, daran habe ich garnicht mehr gedacht. Und bei dieser Prüfung muss man sich wirklich konzentrieren. „Trotzdem solltest du nicht mehr alleine irgendwo rum laufen." „Also willst du mir jetzt überall hin folgen?" Ich zucke mit den Schultern. „Wir haben sowieso zusammen Unterricht und wir teilen uns ein Zimmer. Lauf einfach nicht sooft zu deinen Freunden oder der Ziegenfrau..." „Sie heißt Ebb." Ich hole tief Luft. „...dann fällt das garnicht auf." Snow überlegt. „Und was ist mit Essen? Du kommst sonst nie zum Essen." Scheiße, ich muss auch zum Jagen und habe keine Ahnung, ob ich Snow alleine im Zimmer lassen kann. Außerdem würde das richtig auffallen, wenn ich ihm überall hin folge und ihn aber abends regelmäßig alleine lasse.

„Dann komme ich eben von nun an zum Essen." Snow ist still und schaut mich lange an. Ich ziehe eine Augenbraue hoch. „Baz..." „Was?" Er holt tief Luft. „Du kannst es mir ruhig sagen..." „Was sagen?" „Ich... Ich weiß, dass du ein Vampir bist." Ich schüttele meinen Kopf. Aber mein Herz rast. Er darf es nicht wissen. „Wir haben gerade beschlossen, dass wir von nun an nicht mehr alleine rumlaufen. Du solltest aufpassen, was du sagst." Snow steht auf, also springe ich ebenfalls auf die Beine. „Wenn du nichts essen musst, dann überlegen wir uns etwas anderes." Er meint es ernst. Ich schaue ihm in die Augen. Sie leuchten, selbst im schwachen Licht. Kann ich ihm vertrauen oder wird er mich verraten, wenn alles vorbei ist?

„Ich muss essen." „Etwas anderes als Blut?" Ich nicke. „Aber nicht so gerne, wenn andere dabei sind." „Blut brauchst du aber auch?" Wieder nicke ich, wenn auch zögerlich. Ich traue mich nicht, ihn anzusehen. Ich habe es gestanden. Snow weiß, dass ich ein Vampir bin. Ich habe heute Abend alles gestanden. Dass ich ein Monster bin, dass ich ihn töten soll, dass ich das garnicht will,...
Alles, außer dass ich ihn mehr als alles auf der Welt zum überleben brauche.

Ich spüre seine Hand auf meiner Schulter. „Es ist okay. Wir bekommen das schon irgendwie hin."

Make the Yuletide gayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt