16.Kapitel

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Baz

Snow hat Angst. Ich habe ihm das vorher garnicht angemerkt. Die ganze Zeit über wirkte er so... Keine Ahnung, als wäre es ihm egal, dass er jeden Moment getötet werden könnte. Mir war klar, dass auch der große Simon Snow sich fürchten muss, aber er hat es nie gezeigt. Er beschwor sein Schwert herbei und stürzte sich in den Kampf gegen alles, was der Schatten ihm in den Weg stellte. Doch nun saß er da und weinte, zeigte, dass er sich fürchtete und dass er eben auch nur ein Junge war.

Er ist noch nicht einmal volljährig und das Gewicht auf seinen Schultern ist größer, als jeder andere es je tragen könnte. Ich habe es nicht leicht, aber ich könnte niemals aushalten, was er aushält. Nun wird mir klar, dass er es selber auch nicht aushält, obwohl alle es von ihm erwarten. Aber niemand kann Simon Snow sein, nicht einmal er selbst.
Ich nehme ihn in den Arm. Es ist eine spontane Entscheidung und kommt mir richtig vor, da es genau das ist, was ich mir bei meinen Zusammenbrüchen wünsche. Jemanden, der für mich da ist. Also werde ich jetzt für ihn da sein.

Er zittert in meinen Armen und ich setze mich dichter zu ihm, um ihn fester zu halten. „Es tut mir leid." flüstert er mit schwacher Stimme und ich schaue zu ihm runter. „Es muss dir nicht leid tun." sage ich und streiche über seine Locken. Sie sind weicher, als ich dachte. Er schaut auf. „Doch. Du opferst so viel für mich, obwohl du mich nicht einmal leiden kannst und ich..." „Hör auf." Ich ziehe ihn wieder zu mir. „Glaubst du wirklich immer noch, dass ich dich hasse?" „Vielleicht nicht hassen..." Murmelt er und ich schnaube. „Wenn ich dich nicht leiden könnte, würde ich jetzt nicht versuchen, dich zu trösten. Und Versuch bitte nicht dir einzureden, dass du keine Angst haben darfst." „Aber..." „Nein. Du musst nicht immer der Auserwählte sein."
Snow bleibt still, aber ich merke, dass er sich etwas entspannt. „Es ist alles in Ordnung." flüstere ich, um uns beide davon zu überzeugen. Sein Atem wird ruhiger und er hört auf zu zittern. „Ich passe auf dich auf, Simon."

Ich streiche wieder über seinen Kopf und lege mich zurück auf mein Kissen. Nochmal werde ich nicht im Sitzen schlafen können. Snow... Simon liegt halb auf mir drauf und ich halte ihn fest. Er ist warm. „Danke, Baz." flüstert er so leise, dass ich es trotz meinem besseren Gehör kaum hören kann. Dann bleibt es still. Sein gleichmäßiges Atmen verrät mir, dass er eingeschlafen ist. Das Licht ist noch an, aber ich will nicht aufstehen und ihn wecken, also bleibe ich liegen und konzentriere mich auf seine Atemzüge. Noch immer streichle ich ihn abwesend.

Ich wache auf, als Simon am nächsten Morgen aufsteht. Oder es versucht. Wir haben uns in der Nacht so gedreht, dass ich auf der Seite vor ihm liege und mein Arm über ihm liegt. Er ist also zwischen mir und der Wand gefangen und schaut mich nun entschuldigend an. „Tut mir leid, ich wollte dich nicht wecken, aber ich... ähm muss mal ins Badezimmer." Ich schließe meine Augen, drehe mich aber trotzdem wieder auf den Rücken und lasse ihn los. Vorsichtig klettert er über mich und geht. Kurz darauf klingelt der Wecker.

Seufzend stehe ich auf und gehe zum Fenster. Draußen liegt noch mehr Schnee, als gestern. Ich reibe mir die Augen, als ich bemerke, dass die Eiskristalle am Glas irgendwie seltsam aussehen. Ich schau genauer hin und weiche hastig zurück, als mir klar wird, wieso. Fast wäre ich gegen Simon gestoßen, der gerade aus dem Bad kommt. Panisch schaue ich ihn an. „Bleib hier! Sperr dich im Bad ein oder so! Lass niemanden rein! Niemanden! Hörst du?!" Ich packe ihn an den Schultern und schiebe ihn zurück.

„Was?... Was ist los?" Simon war sichtlich verwirrt, aber ich hatte keine Zeit mehr, es ihm zu erklären. „Nimm dein Schwert oder so und warte hier."
„Nein. Warum? Wo willst du hin?" „Bleib weg vom Fenster!" Ich reiße die Tür auf und stürme aus dem Zimmer. „Baz!..." höre ich Simon noch, aber ich schlage ihm die Tür vor der Nase zu. Auf dem Weg nach unten schaue ich jeden ganz genau an, doch die einzigen, die ich sehe, sind ein paar Schüler, die schon früh auf sind. Ich habe noch meine Klamotten von gestern an, nur meine Schuhe habe ich ausgezogen, weshalb ich barfuß durch den Schnee laufe. Ich weiß nicht, welches Zimmer das von Brunce ist, sonst hätte ich sie irgendwie kontaktieren können, aber so blieb mir wohl nur eine andere Wahl.

Die verzauberte Nachricht am Fenster war deutlich. Der Fremde weiß, dass ich Snow nicht umbringen werde. Eilig renne ich die Treppen hoch. Ich kann nur hoffen, dass Simon ausnahmsweise mal machte, was ich ihm sagte. Verdammt, warum habe ich ihn alleine gelassen? Er macht garantiert nicht das, was ich ihm gesagt habe! Ich klopfe solange an die Tür, bis der Magier sie öffnet. Er sieht wütend aus. Wie spät ist es eigentlich?

„Simon ist in Gefahr!"

Make the Yuletide gayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt