Freya: Ragnarok

Kapitel 12:

Gerade gehen Wachen in einem schnellen Tempo an mir vorbei, die sicher Thor irgendwo eingesperrt haben. Die Wachen, die mich durch den langen vermoderten Flur zerren, bleiben dann vor einem mittelgroßen Tor stehen. Während der eine das Tor öffnet, hält der andere mich noch doller fest und schubst mich dann in den Raum hinein.

Meine Vermutungen werden wahr: die Wachen von vorhin haben Thor irgendwo eingesperrt und ich habe mich zu ihm gesellt. Doch wir sind nicht alleine; es liegen ein paar leblose Körper herum, aber auch lebende Kreaturen und Wesen scheinen es sich hier gemütlich gemacht zu haben. Einige sitzen zusammen und spielen wortlos Karten, andere blicken kurz auf, aber scheinen eher uninteressiert zu sein, mit wem sie die Zelle teilen müssen.

Thor geht wütend an mir vorbei und klopft wie bekloppt gegen das Tor, doch es lässt sich nicht öffnen.

„Hey, hey, hey! Ganz sachte!", sagt eine Kreatur, die auf dem Boden hockt.

Thor und ich blicken um uns herum, und können nicht erkennen, von wem die Stimme kommt, die sich sehr nett anhört.

„Hier drüben, der winkende Steinhaufen!"

Es winkt uns tatsächlich ein Steinhaufen zu. So etwas habe ich noch nie gesehen: ein Lebewesen, das nur aus Stein besteht. Man wird immer wieder überrascht. Gerade ich sollte doch nicht mehr von irgendetwas überrascht werden, denn ich bin der Meinung, dass ich schon alles gesehen habe.

„Na ja, eigentlich glaube ich schon, dass ich ein Lebewesen bin." Er steht auf und scheint viel größer zu sein, als ich dachte. „Wenn ich mich vorstellen dürfte: mein Name ist Korg. Ich bin hier sowas wie der Anführer. Ehm, ich bin aus Stein, wie man sieht, aber lass dich dadurch nicht einschüchtern. Ihr brauchst keine Angst zu haben, außer du bist aus Scheren gemacht."

Korg sieht vom Aussehen her sehr stark und sogar etwas angsteinflößend aus, aber von seiner Stimme her würde man fast glauben, dass er noch keinen Stimmbruch erlebt hat. Er scheint jedenfalls keine sonderliche Gefahr zu sein – jedenfalls nicht für Thor und mich.

Korg deutet auf die kleinere Kreatur neben ihn. „Das hier ist mein allerbester Freund, Miek. Er ist ein Insekt und hat Messer als Hände."

Das trifft die Beschreibung so ziemlich auf den Punkt, denn Miek hat wirklich ein insektenhaftes Aussehen, wenn man ihn so betrachtet. Sprechen scheint er aber nicht – ich glaube, dass Korg diesen Teil von ihm übernimmt.

„Du bist ein Kronan, oder?", fragt Thor ihn.

„Aber sowas von."

„Wie bist du hier gelandet?"

„Oh... na ja, ich wollte eine Revolution anzetteln, hab' aber nicht genug Flugblätter gedruckt. Also... es ist kaum jemand gekommen, bis auf meine Mum und ihren Freund, den ich hasse. Zur Strafe hat man mich dazu gezwungen hier zu leben und Gladiator zu werden. PR-technisch ist das 'ne Katastrophe, fürchte ich. Aber ich plane trotzdem eine neue Revolution. Also, falls ihr an sowas interessiert seid, seid ihr herzlich willkommen."

Während Korg dies alles erzählt, sind wir ein Stück mit ihm durch den langen Raum  gegangen. Die Zelle scheint rund wie die Form eines Donuts zu sein und je weiter wir gehen, desto mehr werden Thor und mir gewusst, dass wir die ganze Zeit im Kreis gehen. Als Thor wortlos losläuft, kommt er direkt auf der anderen Seite wieder neben Korg und mir an.

„Ach ja!", leuchtet es Korg wieder ein, als er die verwirrten Gesichter von Thor und mir entdeckt. „Das ganze Ding hier ist ein Kreis. Aber kein normaler Kreis, mehr so 'n krasser Kreis."

„Das ist doch unmöglich.", meine ich verwirrt, als ich Thor dabei zuschaue, wie er mehrmals nach vorne läuft und auf die darauf folgende Sekunde wieder neben uns steht.

„Klar ist das unmöglich, man. Aber glaub' mir, hier ist es möglich, dass nichts unmöglich ist."

Ich wechsele das Thema. „Hat hier einer schon mal gegen den Champion des Grandmasters gekämpft?"

„Ja, Doug." Korg deutet auf den leblosen Körper hinter Thor und mir, zu dem wir uns umdrehen. „Doug! DOUG!" Dann vergewissert Korg sich wieder. „Ach ja, Doug ist tot. Stimmt. Jeder, der gegen den Champion des Grandmasters kämpft, geht hops."

„Was ist mit dir? Du bist aus Stein?", fragt Thor.

„Bröckligem Stein." In dem Moment fällt gerade ein kleiner Stein von Korgs Schulter herab. „Oh, guckt.... Schon wieder einer."

Ich hebe den Stein auf und will ihn ihm überreichen, doch er nimmt ihn und wirft ihn weg.

„Ja, ich mache nur die kleineren Kämpfe fürs Warm Up fürs Publikum und so." Korg schaut Thor dann mit großen Augen an. „Warte, du willst doch nicht gegen ihn antreten?"

„Doch, das werde ich.", antwortet Thor. „Ich werde kämpfen, gewinnen und dann verschwinden wir von diesem Ort."

Korg lächelt und schüttelt verträumt den Kopf. „Das hat Doug auch immer gesagt."