Kapitel 13:

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Es vergehen einige Stunden. Mittlerweile haben Thor und ich das Klopfen und Hämmern gegen das Tor aufgehört und hocken nun nebeneinander, wie alle anderen auch. In dieser misslichen Lage wie dieser gibt es auch nicht viel zu machen und zu sagen.

Nach einer Weile dreht sich Thor zur Wand um, kniet sich hin und faltet beide Hände zusammen. Dann schließt er seine Augen und atmet einmal tief ein und wieder aus.

„Odin, mögest du deinen Platz in der Halle von Walhalla einnehmen, wo die Tapferen ewig leben."

Ich lege meine Hände ebenfalls übereinander und schließe die Augen. Dass Thor nun endlich Zeit hat, um über seinen Vater zu trauern, macht mich selbst traurig, denn er hatte dafür kaum Zeit gehabt. Er hat diese Gefühle nur kurz gezeigt und sofort unterdrückt, genauso wie ich. Wenn es darauf ankommt, muss man oft seine eigenen Gefühle bei Seite setzen und Prioritäten ins Auge sehen.

„Betrauert sie nicht, sondern frohlocket für die, die einen glorreichen Tod erfahren."

Die letzten drei Worte sprach Thor nicht allein. Denn, als ich meine Augen wieder öffne, steht Loki vor dem Tor. Thor dreht sich zu ihm um und seufzt kurz auf, dann setzt er sich wieder neben mich, wie bereits die vorherigen Stunden zuvor, und starrt gelangweilt zu Boden.

„Tut weh, oder?", fragt Loki mit verzogener Miene. „Belogen zu werden. Gesagt zu bekommen, du seist etwas, und dann aber zu erkennen, dass es gelogen war."

Thor sagt nichts und ignoriert seinen Bruder. Ich hingegen nehme einen Stein, von denen haufenweise von Korg hier rumliegen. Er muss sie sicher alle mit der Zeit verloren haben. Ich bekomme sogar etwas Angst, dass er irgendwann ganz zusammenbricht und nur noch ein kleiner Steinhaufen übrig bleibt.

Jedenfalls – ich nehme mir einen Stein in die Hand und werfe ihn danach auf Loki, der genau durch ihn hindurch fliegt und gegen das Tor prallt.

Loki lacht kurz auf und hebt die Arme hoch. „Jetzt mal ehrlich, ihr habt doch nicht geglaubt, ich käme wirklich hierher, um euch zu besuchen. Der Ort ist widerlich."

Diesmal wirft Thor einen Stein und Loki schaut uns nun genervt an.

„Heißt das, ihr wollt meine Hilfe nicht?", fragt er und niemand gibt ihm eine Antwort. „Tja, ich konnte meine Stellung beim Grandmaster nicht gefährden. Es hat ewig gedauert sein Vertrauen zu gewinnen. Er ist irre, aber man kann ihn beeinflussen."

Ich werfe erneut einen Stein direkt durch Lokis Kopf, was er auch bemerkt, aber gekonnt ignoriert.

„Was ich sage will: steht mir bei an der Seite des Grandmasters und vielleicht eines schönen Tages widerfährt dem Grandmaster einen Unfall, und dann..." Loki deutet auf Thor und mich, dann deutet er auf sich selbst. „können wir  von hier verschwinden?"

Thor und ich werfen diesmal gemeinsam einen Stein durch Loki hindurch, der nun seufzend seine Schultern hängen lässt.

„Thor, du willst doch nicht ernsthaft zurückgehen, oder etwa doch?", fragt Loki und kommt uns etwas näher.

Thor hält beide Hände aufeinander gelegt auf seine Brust und starrt nachdenklich durch Loki hindurch. Das ist genug Antwort für Loki.

„Unsere Schwester hat deinen Hammer zerstört, als wäre er aus Glas. Sie ist stärker, als wir. Sie ist stärker, als du. Du hast keine Chance." Lokis Tonlage wird lauter und er wird auch immer ernster. „Verstehst du, was ich damit sagen will?"

Loki versteht, dass man Thor keine Vernunft einreden kann und lächelt wieder erneut auf.

„Na gut." Er schaut zu mir. „Dann werde ich es wohl alleine angehen müssen. So wie es immer schon war."

Thor und ich schauen uns an und ich muss mir ein Lachen verkneifen bei dem, was Loki gerade gesagt hat, denn kein einziges Wort davon war auch nur in der Nähe der Wahrheit.

„Sagt ihr auch mal was?", knurrt er genervt.

Loki mustert uns beide und erkennt bloß das Grinsen auf unseren Gesichtern. Mir fällt erst dann auf, dass wir die ganze Zeit über, in der er hier ist, kein einziges Wort mit ihm getauscht haben. Dass es Loki nervt, bringt mich zum Lächeln und diese Schadenfreude kenne ich von ihm nur zu gut.

„Sagt irgendetwas!"

„Was willst du denn von mir hören?", knurrt Thor. „Du hast deinen eignen Tod vorgetäuscht, hast dir den Thron erschlichen, Odin seiner Macht beraubt, ihn auf der Erde zurückgelassen zum Sterben und die Göttin des Todes entfesselt." Thor schaut Loki hasserfüllt an. „Waren das genug Worte, oder muss ich noch weiter zurückgehen, als die vergangenen zwei Tage?"

Loki schaut kurz nachdenklich zu Boden und scheint das Ganze zwar begriffen zu haben, aber nicht einzugestehen.

„Na ja, ich habe seinen geliebten Champion zwar noch nicht gesehen, aber ich hörte, er sei erstaunlich brutal.", meint er schließlich. „Ich habe einen hohen Betrag gegen dich gesetzt. Lass mich nicht hängen, Bruder."

Diesmal nimmt Thor knurrend eine leere Flasche und schießt sie auf Loki, der aber in diesem Moment in der Luft verschwindet. Die Flasche prallt gegen das Tor und fällt in tausend kleine Stücke.

Und dann zu guter letzt kommt auch noch Korg angerannt und knallt mit seinem bröckligen Bein gegen das Tor.

Freya: RagnarokWo Geschichten leben. Entdecke jetzt