24. Dezember (Teil 3)

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Christina

Der restliche Tag verläuft so, wie man es eigentlich nur aus superkitschigen Weihnachtsfilmen kennt. Das Haus ist gefüllt mit festlichem Jubel, im Wohnzimmer laufen Weihnachtsfilme in Dauerschleife und aus der Küche klingen die schiefen Gesänge unserer Mütter, die sich - mal mit und mal ohne den Kindern - an frischen Weihnachtsplätzchen versuchen. Irgendwann wird es Zeit für die Bescherung und damit die Zwerge nicht merken, dass sich hinter dem Weihnachtsmann doch nur ihre Mama versteckt, haben Luca und ich uns bereit erklärt die Zwillinge zu beschäftigen, während die anderen die Geschenke unter dem Baum drapieren. Und weil die ganze Schweiz schon seit Wochen unter einer glitzernden Schneeschicht verborgen liegt, brauchen wir nicht zweimal darüber nachdenken, was wir mit den Mädchen unternehmen. "Hey ihr Süßen, was haltet ihr davon wenn wir ein bisschen raus im Schnee spielen gehen?", schlage ich vor, während ich mich schmunzelnd gegen den Türrahmen lehne und die Szene vor mir betrachte. Mit niedlichen Prinzessinnen-Schürzen ausgestattet stehen sie auf kleinen Hockern an der Arbeitsplatte und stechen mit leuchtenden Augen Formen aus dem Plätzchenteig, wobei allerdings mehr Teig auf dem Boden als auf dem Backblech landet. Bei meinen Worten richten sich vier große braune Augen auf mich und Emmas blonde Löckchen fliegen wild durch die Luft, als sie heftig den Kopf schüttelt. "Fia un ich Tetse backn", erklärt sie mir ernst und ihre Schwester nickt bestätigend. "Tetse backn", brabbelt sie es Emma fröhlich nach, während sie stolz den nächsten Ausstecher in den weichen Teich drückt. "Aber ihr habt euch doch so sehr gewünscht, dass es an Weihnachten schneit!", versuche ich es nochmal, aber gegen einen Haufen Plätzchenteig ziehe ich wohl schlichtweg den Kürzeren, denn die Aufmerksamkeit der Beiden hab ich schon längst wieder verloren. Voller Freude verteilt Sophia gerade eine riesige Hand voll Mehl auf der Arbeitsfläche, während Emma sich einen Batzen Teig in den Mund schiebt, der größer ist als ihre eigene Faust. Wären die Zwei nicht ganz sicher meine Nichten, könnte man wirklich denken sie wären mit Luca verwandt. Hilflos sehe ich Marianne an, aber die zuckt auch bloß die Schultern. "Kann ich es mal versuchen?", ertönt auf einmal eine schüchtere Stimme neben mir und ich drehe mich erstaunt zu Luca um, der jetzt ebenfalls im Türrahmen erscheint. "Ich glaub ich hab eine Idee." Im nächsten Moment hätte ich mir am liebsten mit der flachen Hand gegen die Stirn geschlagen. "Klar, wieso bin ich da nicht früher drauf gekommen?!" Die Mädchen verehren Luca quasi, also wenn jemand sie von ihren geliebten Plätzchen weglocken kann, dann ja wohl er. "Bitte, versuch du sie zu überzeugen." Auffordernd gestikuliere ich in Richtung der kleinen Monster, die immer noch begeistert dabei sind Teig und Mehl in der halben Küche zu verteilen. Mit einem Kribbeln im Bauch beobachte ich Luca, wie er jetzt auf die Mädchen zugeht. Kurz wirft er mir noch einen unsicheren Blick zu, aber spätestens nach einem aufmunternden Lächeln meinerseits fasst er sich doch ein Herz und tritt ganz an die Arbeitsplatte. "Hey ihr Zwei", begrüßt er die beiden und ich kann nicht so schnell schauen, da haben sich die beiden schon herumgedreht und strahlen Luca aus großen Augen an. "Lula!", quietscht Emma erfreut und vergisst für einen Moment sogar den Teigklumpen in ihrer Hand, den sie sich gerade in den Mund schieben wollte, sodass Marianne ihn schnell vor seinem vorzeitigen Verderben retten kann. "Lula au Tetse backn?", überlegt Sophia jetzt nachdenklich und streckt Luca fragend ein Backförmchen entgegen. "Nein Süße, ich kann nicht mit euch Plätzchen machen", entschuldigt er sich lächelnd und sofort fangen die kleinen Augen an verdächtig zu glänzen. "Walum denn nich?" Traurig sieht Sophia zu Luca auf, der mir gleich den nächsten Herzinfarkt verschafft, als er sich jetzt leicht vorbeugt und ihr zärtlich die einzelne Träne von der Wange wischt, die sich aus ihrem Augenwinkel gelöst hat. Dann lächelt er geheimnisvoll und flüstert den beiden etwas zu. Im nächsten Moment werden die kleinen Kinderaugen ganz groß und Emma sieht Luca ängstlich an. "Wir kliegn keine 'Schenke wenn wir hier sin?" Bitte was? Herrgott nochmal, er kann doch den Kindern nicht erzählen, dass sie keine Geschenke kriegen! Erschrocken blicke ich meinen Freund an, aber der nickt nur ganz überzeugt. "Wisst ihr, das Christkind ist ganz schüchtern und wenn so viele Menschen hier sind traut es sich nicht her und dann kann es eure Geschenke nicht vorbeibringen", erklärt Luca jetzt aber völlig ernst, was mich in der ersten Sekunde beruhigt und mir in der nächsten ein leises Lachen entlockt. Denn logischerweise sind sowohl Emma als auch Sophia mit dem Weihnachtsmann aufgewachsen und sehen Luca dementsprechend verwirrt an, was einfach mal wieder viel zu süß aussieht. Der bemerkt seinen Fehler im ersten Moment gar nicht, erst als Sophia versucht das komische Wort nachzusprechen - wobei sie natürlich kläglich, aber sehr süß, scheitert - wird ihm klar, dass das für die Kleinen natürlich nicht den geringsten Sinn ergibt. Nach ein paar Sekunden, in denen Luca hilflos nach einer einigermaßen kindgerechten Erklärung gesucht hat, beschließe ich ihm dann doch mal zu Hilfe zu kommen. Grinsend trete ich neben meinen Freund, der erleichtert die Luft ausstößt, als ich mich jetzt ebenfalls auf die Höhe der Mädchen herunterbeuge und ihnen mit einem Lächeln erkläre, dass der Weihnachtsmann und das Christkind sich die Arbeit teilen, weil es ja sonst viel zu viele Kinder wären, denen sie die Geschenke bringen würden und deshalb dieses Jahr das Christkind das Spielzeug bringt, weil das eben in der Schweiz herumfliegt. Dass Luca mich dabei die ganze Zeit lächelnd von der Seite betrachtet, entgeht mir natürlich nicht und lässt mein Herz dabei auch nicht unbedingt langsamer schlagen. "...und deswegen müssen wir jetzt dem Christkind ein bisschen Platz machen, damit es sich traut herzukommen und eure Geschenke zu bringen", schließe ich letztendlich und lächle meine Nichten möglichst überzeugend an, die mir die ganze Zeit mit großen Augen gelauscht haben. "Also wollt ihr dem Christkind helfen und mit eurer Tante Tina und mir ein bisschen im Schnee spielen gehen?", versucht Luca jetzt nochmal sein Glück und erntet im Gegensatz zu vorhin diesmal ein eifriges Nicken. Zufrieden richte ich mich auf und sehe grinsend auf die zwei Monster herunter. "Na dann ab mit euch zur Garderobe und rein in eure Mäntel und Stiefel!", scheuche ich die beiden von ihren Hockern und ehe ich mich versehe, sind die Zwei wie der Wind aus der Küche geflitzt und im Flur verschwunden. Völlig verdattert sehe ich ihnen hinterher und schüttle verwundert den Kopf. "Hätte nicht gedacht, dass das so schnell klappt", murmle ich und spüre im nächsten Moment wie Luca mir grinsend einen Kuss auf die Wange drückt, ehe er stolz nach meiner Hand greift. "Tja, wir sind eben ein eingespieltes Team."

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