24. Dezember (Teil 4)

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Luca 

Mit gerunzelter Stirn starre ich mein Gesicht an, das mir skeptisch aus dem Spiegel entgegenschaut. Irgendwie wollen meine Haare heute absolut nicht wie ich das möchte und ich seufze verzweifelt auf, als meine Unzufriedenheit mit jeder Sekunde wächst, in der ich das Übel anstarre. Emma und Sophia, die ihre kleinen Hände für ihr Leben gern in meinen Locken vergraben, haben meine Haare in ein einziges Vogelnest verwandelt und der Schnee und die Nässe haben ihr übriges getan. "Christina?", rufe ich schließlich, in der Hoffnung, dass wenigstens sie das Desaster einigermaßen in Ordnung bringen kann. Ich bin wirklich kein eitler Kerl aber vor Christinas Eltern will ich zumindest an Weihnachten ordentlich aussehen. "Kannst du mir mal mit meinen Haaren helfen bitte? Die sehen aus als würde gleich der Storch vorbeifliegen und sein Zuhause zurückfordern", jammere ich, wofür ich ein helles Lachen von Christina zur Antwort bekomme, die im Nebenzimmer gerade damit beschäftigt ist sich in ihr Weihnachtsoutfit zu schmeißen. "Ich bin in einer Minute da, Schatz", ruft sie hörbar amüsiert zurück und kurze Zeit später höre ich auch schon das leise Tapsen ihrer Füße auf dem alten Holzboden, als sie mein Kinderzimmer verlässt. Ich rechne damit, dass sie gleich die Tür zum Bad aufmacht aber worauf ich absolut nicht vorbereitet bin ist der Anblick, der sich mir bietet, als Christina sich jetzt in den Raum schiebt. In dem Moment in dem mein Blick auf sie fällt, erstarrt alles in mir und mir klappt die Kinnlade herunter. Nicht metaphorisch, sondern wortwörtlich. Ich bin mir ziemlich sicher, dass mein Herz und meine Atmung komplett ihren Dienst quittiert haben, während ich sie einfach nur mit offenem Mund anstarre. Aber zu meiner Verteidigung: Sie sieht auch wirklich unfassbar gut aus in dem goldenen Glitzerkleid, das kaum weiter reicht als bis zur Mitte ihrer Oberschenkel. Ihre mittlerweile wieder dunklen Haare fallen ihr in weichen Locken über die Schultern, während ihre golden funkelnden Lider einen enormen Kontrast bilden und ihre großen Bambi-Augen nur noch mehr erstrahlen lassen. Sie sieht so umwerfend aus, dass ich mich für einen Moment wirklich frage ob ich vorhin nicht doch erfroren und irgendwo in einer Parallelwelt gelandet bin. Vielleicht liegt es daran, dass sie zuhause normalerweise in meinen viel zu großen Pullis rumläuft statt in funkelnden Kleidern - nicht, dass sie mir darin nicht auch regelmäßig den Atem rauben würde - oder vielleicht ich bin heute einfach mal wieder besonders fixiert auf sie...keine Ahnung. "Mund zu, es zieht", kommentiert sie frech, als ob sie genau wüsste welche Wirkung sie auf mich hat, während sie grinsend auf mich zu kommt und mit dem Zeigefinger gegen mein Kinn tippt. "Wow...du...du siehst toll aus!", stammle ich überfordert vor mich hin und gestikuliere völlig überfordert in Richtung ihres Kleids. Das ist ungefähr die Untertreibung des Jahrhunderts aber dem zufriedenen Lächeln auf Christinas Gesicht zu urteilen macht ihr das nicht das Geringste aus. "Du siehst auch nicht schlecht aus", lächelt sie, während ihr Blick über das halboffene, dunkle Hemd und die lockere Hose gleiten, die ich für die Bescherung angezogen habe. Dann sieht sie hinauf zu meinem Vogelnest und ihre Mundwinkel zucken verdächtig. "Und deine Haare kriegen wir auch noch hin." Sie macht einen weiteren Schritt nach vorne, sodass sie ihre kleinen Hände auf meiner Brust platzieren und mich rückwärts schieben kann, bis ich mit den Kniekehlen gegen die hohe Wand der Badewanne stoße. "Hinsetzen", befielt sie und ich folge ihren Anweisungen brav. Mit einem gezielten Griff nimmt sie das Haargel und eine Bürste vom Waschtisch, mit denen ich zuvor schon vergeblich versucht habe meine Locken zu bändigen, gibt sich ein bisschen was von der Masse auf die Hand und fährt im nächsten Moment damit durch meine Haare. Ich stoße ein zufriedenes Brummen aus, als ihre Fingernägel über meine Kopfhaut kratzen und ich kann Christinas Lächeln fast spüren, ohne sie überhaupt anzusehen. "Ich liebe deine Haare", murmelt sie irgendwann, was mir ein leises Grummeln entlockt. Mit einem schiefen Grinsen zupfe ich an der goldenen Schleife, die ihr Kleid vor ihrem Bauch zusammenhält und sehe soweit ihr Griff es zulässt zu ihr hinauf. "Und ich liebe dieses Kleidan dir." Ihre Zunge schiebt sich konzentriert zwischen ihren Lippen hervor, als sie mit der Bürste durch meine Haare fährt und für einen Moment vergesse ich wirklich zu atmen. "Ist es zu viel?", fragt sie schließlich unsicher, als sie die Bürste wieder weglegt und an ihrem Körper heruntersieht. Ich schüttle so schnell den Kopf, dass ich wohl beinahe Christinas ganze Arbeit wieder zerstört hätte, wenn man ihrem Blick traut. "Überhaupt nicht!", verneine ich überzeugt, kann mir dann einen weiteren Spruch aber trotzdem nicht verkneife. "Aber wenn du es ausziehen willst..." Wieder ein Zupfen an der Schleife. "...also du weißt schon, nur um sicherzugehen..." Christina schüttelt leicht den Kopf, als sie lacht. "Netter Versuch." Enttäuscht aber dennoch grinsend zucke ich die Schultern und erhebe mich vom Badewannenrand. "Naja, man kann ja mal fragen." Mit einem kurzen Blick in den Spiegel stelle ich erleichtert fest, dass meine Freundin tatsächlich ein wahnsinnig gutes Händchen hat, was meine Haare angeht und ich drehe mich schmunzelnd zu ihr herum. "Und, kann ich mich so sehen lassen?", frage ich und werfe mich in ein paar alberne Posen, was Christina mal wieder zum Lachen bringt und mir einen ganzen Schwarm Schmetterlinge in meinem Bauch beschert. Zu einer Antwort kommt sie allerdings gar nicht mehr, denn zuvor werden wir von einer lauten Kinderstimme unterbrochen. "Tante Tina! Lula! 'Senke aufmachn!", tönt es auf einmal ungeduldig von unten zu uns herauf und Christina sieht mich grinsend an. "Ich schätze von Emma kriegst du wohl nur ein okay, wenn wir jetzt nicht schleunigst runter gehen und ihr Geschenk aus dem Auto holen."
"Na das will ich auf keinen Fall riskieren", entgegne ich gespielt erschrocken, bevor ich Christina noch einen schnellen Kuss auf die Lippen drücke und dann meine Hand in ihre schiebe, um sie sanft die Treppen nach unten in Richtung Wohnzimmer zu ziehen. 

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