6. Dezember

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Schönen Nikolaustag euch allen 🎅🎄

Christina freut sich darauf ihre Familie zu sehen, doch als sie in der Früh aufsteht, erwartet sie eine ganz andere Überraschung. (Super clichèmäßiges AU, Pre-Relationship, 3849 Wörter - Ein Teil der Idee stammt mal wieder von der lieben Dezemna ❤)

Christina

Wer auch immer es als akzeptabel erachtet hat, andere Leute an einem Sonntag vor 12 Uhr Mittags anzurufen, dem wünsche ich dass ihm beim Händewaschen die Hemdsärmel runterrutschen. Oder so ähnlich. Das ist nämlich der Grund wieso ich jetzt völlig übermüdet in meinen flauschigen Bambi-Schlafanzug gekuschelt aus meinem Schlafzimmer schlurfe, statt noch mindestens zwei weitere Stunden friedlich in meiner Traumwelt zu schlummern. Irgendein Telefonfuzzi hat gemeint mich um halb 7 in der früh aus meinem wohlverdienten Schlaf zu reißen, was ein eher unangenehmes Unterfangen war, vor allem weil ich am Vortag ewig wach war und jetzt logischerweise noch keinen Kaffee hatte. Zu meiner Verteidigung muss ich allerdings sagen, dass ersteres definitiv nicht alleine meine Schuld ist. Genau genommen war das Lucas Schuld, der mich gestern aus heiterem Himmel angerufen hat. "Ich vermisse die beste Tanzpartnerin der Welt", war seine simple Begründung, mit der er mein Herz mal wieder völlig aus den Takt gebracht hat, aber das ist ja mittlerweile wirklich nichts Neues mehr. Bei dem Gedanken an den gestrigen Abend breitet sich automatisch ein Lächeln auf meinen Lippen aus. Obwohl wir beide hundemüde von unseren anstrengenden Arbeitstagen gewesen waren, haben wir stundenlang telefoniert. Wir haben uns über Gott und die Welt unterhalten, über das Tanzen und Lucas Musik. Ich hab ihm von meinen Nichten erzählt und er hat mir von seinen miserablen Versuchen berichtet, seiner Schwester Annina den Cha Cha Cha beizubringen. Ehe wir uns versahen war es schon weit nach Mitternacht aber keiner von uns hat Anstalten gemacht aufzulegen. Irgendwann muss ich wohl eingeschlafen sein, zumindest der Position nach zu urteilen, in der ich gerade aufgewacht bin, mein Handy immer noch in der Hand, doch der Anruf längst beendet. Dementsprechend überfahren fühle ich mich jetzt auch, während ich gähnend durch den Flur tapse. In der Küche stelle ich die Kaffeemaschine an, noch bevor ich nach dem Lichtschalter suche. In weiser Voraussicht habe ich sie gestern schon mit Kaffeepulver und Wasser befüllt, sodass ich jetzt nur noch auf den Knopf drücken muss, damit sich der angenehme Geruch in meiner Küche ausbreitet. Noch halb in meiner Traumwelt gefangen kann ich nicht verhindern, dass meine Gedanken erneut abschweifen und ich frage mich unwillkürlich, was Luca wohl gerade macht. Wahrscheinlich Frühstück, stelle ich mit einem amüsierten Grinsen fest. Während mein Kaffee leise blubbernd durch die Maschine läuft lasse ich meinen Blick durch die Wohnung schweifen und ein freudiges Kribbeln macht sich in meinem Körper breit, als ich das heutige Datum lese, das in großen schwarzen Lettern auf die vorderste Seite meines Kalenders gedruckt ist. Der 6. Dezember. Nikolaustag. Und damit auch der Tag, an dem ich mit meiner Schwester und meinen süßen Nichten telefoniere, bevor ich sie traditionsgemäß morgen besuchen fahre. Nachdem der Kaffee durchgelaufen ist, greife ich nach der Packung Milch in meinem Kühlschrank...und stöhne im nächsten Moment genervt auf. Testweise schüttle ich den Karton nochmal, in der Hoffnung, dass ich einfach noch zu verpennt bin und halluziniere, aber das Ergebnis bleibt das Gleiche: Keine Milch mehr. Und wenn es etwas gibt, das ich überhaupt nicht abkann, dann ist es Kaffee ohne Milch. Das ist wie Bambi ohne Klopfer. Oder wie Spagetti ohne Parmesan. Ich hätte noch ne Menge mehr Vergleiche, aber ich denke, ihr versteht was ich meine. Kurzerhand treffe ich also eine Entscheidung und steuere meine Haustür an, um meine alte Nachbarin um Milch anzuflehen, auch auf die Gefahr hin, mir dann wieder drei Stunden lang anhören zu müssen, wie ihre Katze einen Haarball ausgekotzt hat. Aber da sie nun mal die einzige Nachbarin ist, die um diese Uhrzeit überhaupt die Tür öffnet, ist das meine beste Option. In Gedanken schon bei meiner redlich verdienten Tasse Kaffee schlüpfe ich in meine Sneaker, reiße die Haustür auf...und kollidiere im nächsten Moment so heftig mit etwas weichem, dass ich erschrocken aufquietsche. Der Stoß reißt mich von den Füßen und ich versuche panisch und mit den Armen rudernd mein Gleichgewicht wiederzufinden. Kurz bevor ich den Kampf verlieren und unsanft mit dem Boden Bekanntschaft machen kann, schlingt sich ein Arm um meine Taille und bewahrt mich damit vor einem äußerst unangenehmen Abgang. Endlich finde ich mein Gleichgewicht wieder und mache mich gerade bereit, dem Übeltäter eine ordentliche Standpauke zu halten aber jedes Wort bleibt mir im Hals stecken, als mein Blick auf das Gesicht meines Gegenübers fällt. "Luca?!", stoße ich fassungslos hervor. "Was tust du denn hier?" Tatsächlich steht da mein ehemaliger Tanzpartner, ein undefinierbares Gewirr aus Geschenkpapier, Tannenzweigen und rotem Stoff in den Händen, und starrt mich mindestens genauso überrumpelt an wie ich ihn. "Was...ich...du...", stottert er etwas unbeholfen herum, während er versucht die Gegenstände irgendwie hinter seinem Rücken zu verstecken, bis er es letztendlich aufgibt und seufzend die Hände sinken lässt und damit auch unseren Kontakt abbricht. "Hey, Christina", begrüßt er mich mit einem schiefen Grinsen, während ich immer noch mit offenem Mund im Türrahmen stehe und zu verstehen versuche, was hier gerade abgeht. Luca ist hier. In Köln. Obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass er momentan einen Haufen Auftritte in der Schweiz hat. "Was tust du hier?", wiederhole ich deshalb meine Frage von vorher, woraufhin Luca sich schüchtern auf die Unterlippe beißt. "Es sollte eigentlich eine Überraschung sein", gesteht er schließlich und legt das Geschenkpapier und die andern Sachen neben der Eingangstür auf den Boden. "Eigentlich wollte ich ein paar Geschenke hier drapieren und dich dann erst wecken. Du weißt schon, wegen dem Nikolaus und so. Ich hab nur nicht damit gerechnet, dass du so früh schon auf den Beinen bist." Mit jedem seiner Worte werden meine Augen größer. Normalerweise hätte ich jetzt etwas gesagt, vorzugsweise etwas freches, das Luca zum Lachen bringt, aber ich kann nicht. Ich bekomme einfach kein Wort heraus. Luca lacht leise auf und fährt sich verlegen mit einer Hand durch seine eh schon total verwuschelten Haare. "Ein toller heimlicher Verehrer bin ich, was?" Mit einem schiefen Grinsen blickt er auf die Geschenke herunter und mein Herz bleibt stehen. Für einen Moment bleibt alles stehen. "V-Verehrer?", hauche ich ungläubig doch zu meiner Überraschung lacht Luca schnaubend auf. "Ach komm schon Christina, so blind kannst du doch gar nicht sein. Als ob ich mich einfach so sechs Stunden in den Zug gesetzt habe um dir Geschenke vor die Tür zu legen." Fast schon ein wenig schüchtern macht er einen Schritt auf mich zu. Jetzt stehen wir uns direkt gegenüber, so nah, dass ich die winzigen Sprenkel in seiner Iris erkennen kann und die kleine Narbe unter seinem Auge, die ihm Cyril wohl mal beim Baseball spielen verpasst hat. Luca holt tief Luft, ehe der den Mund aufmacht, seine Augen immer noch auf mein Gesicht fixiert. "Ich hab gehofft dich zu beeindrucken", flüstert er und bringt mein Herz damit schon wieder gefährlich ins Stolpern. Ich schlucke hart und für einen Moment verliere ich mich in dem tiefen Braun seiner Augen, doch dann reiße ich mich los und schüttle ungläubig den Kopf. "Du hast mich doch schon längst beeindruckt", wispere ich ebenso leise zurück. Abwesend hebe ich die Hand und lege sie auf seine Brust. Sein Herz rast genauso sehr wie meines. Lucas Blick gleitet über mein Gesicht und bleibt einen Moment zu lange an meinen Lippen hängen, als dass es ein Versehen gewesen wäre. "Christina...", murmelt er heiser. Es ist die Möglichkeit zurückzuziehen, die letzte Chance ein Veto einzulegen aber selbst wenn ich wollte, könnte ich nicht. Es ist als würde von Luca eine magische Anziehungskraft ausgehen, gegen die ich schon viel zu lange machtlos bin. Dass er jetzt einfach so die Initiative ergriffen und mich komplett überrascht hat, it dabei eh nur der letzte Tropfen im Fass. Also nicke ich nur kaum merklich und gebe Luca so die stumme Erlaubnis. Ich sehe gerade noch wie sich seine Lippen zu einem Lächeln verziehen, dann senkt er den Kopf und im nächsten Moment küsst er mich. Warm und weich treffen sich unsere Lippen zum ersten Mal und in meiner Brust breitet sich eine Wärme aus, die sich schlagartig in meinem ganzen Körper verteilt. Luca seufzt leise, als ich sanft in seine Unterlippe beiße und das Geräusch schickt ein unfassbares Kribbeln durch meinen Körper. Als Antwort vergrabe meine Finger in seinem Hoodie und ziehe ihn noch näher an mich, wenn das überhaupt noch möglich ist. In dem Moment gibt es für mich nur noch Luca. Luca, dessen Bartstoppel über meine Hautkratzen, dessen Finger über meine Wange streichen und dessen Körper sich an meinen drückt, so fest, dass nicht mal mehr ein Blatt Papier zwischen uns passen würde. Seine Hände wandern zu meiner Hüfte und er schiebt mich sanft rückwärts in meine Wohnung. Das Geschenkpapier und all die anderen Überraschungen sind vergessen und bleiben achtlos im Flur liegen, während er mich bestimmt gegen die Wand drückt. Seine Finger schieben sich unter mein Oberteil...und meine Hose vibriert. Gleichzeitig klingelt es schrill. Irritiert sehe ich nach unten und stöhne auf, als ich das leichte Leuchten meines Handys durch den Stoff meiner Schlafanzughose sehe. Ich lehne die Stirn gegen Lucas Schläfe und ringe nach Luft, während ich mit einer Hand mein Handy aus der Tasche fummle. "Lass es klingeln", murmelt Luca, während er sanft meine Mundwinkel küsst und ich bin wirklich verleitet nachzugeben, bis mein Blick auf den Namen fällt, der mir vom Bildschirm entgegenleuchtet. "Shit!", entkommt es mir, so laut, dass Luca erschrocken zurückzuckt. Natalia. Verdammt nochmal, wie konnte ich das nur vergessen? "Tut mir leid, das ist meine Schwester. Wir wollten heute telefonieren, wegen dem Nikolaus und..." Lucas sanfte Berührung an meiner Wange stoppt mich und er lächelt mich verständnisvoll an. "Schon gut, geh ruhig ran. Ich warte derweil."
"Danke", murmle ich schüchtern, ehe ich mich vorbeuge und ihm noch einen schnellen Kuss auf die Lippen drücke, immer noch komplett fassungslos darüber, das ich das jetzt einfach so tun kann. Ich laufe ins Wohnzimmer, den neutralsten Ort in meiner Wohnung, hole nochmal tief Luft und hebe schließlich ab, kurz bevor das Klingeln verstummt, während Luca sich am anderen Ende des Raums gegen den Türrahmen lehnt. Es dauert ein paar Sekunden, bis die Verbindung steht, doch dann strahlt mir Natalias Gesicht entgegen. "Hey Schwesterherz", begrüßt sie mich fröhlich und obwohl sie sich den denkbar schlechtesten Augenblick für unser Telefonat rausgesucht hat, breitet sich ein glückliches Lächeln auf meinem Gesicht aus. "Guten Morgen", entgegne ich, während ich möglichst unauffällig versuche meine Haare und Klamotten zu richten. Noch immer kommt mein Atem abgehackt und ich hoffe inständig, dass man mir nicht anhört, dass ich mit dem Kopf gerade noch ganz woanders war. Allerdings hat meine Schwester einen sechsten Sinn was heiße Themen angeht und so dauert es auch nicht lange, bis sie den Kopf schief legt und mich stirnrunzelnd mustert. "Sag mal wieso bist du denn so rot im Gesicht? Stör ich dich grade bei irgendwas?" Ich schüttle so schnell den Kopf, dass ich beinahe von der Couch gekippt wäre. "Duschen", entgegne ich hastig. "Ich war grade duschen." Natalia nickt zögerlich. Dass meine Haare kein bisschen nass aussehen, lässt sie dabei unkommentiert und wechselt zum Glück zu einem unverfänglicheren Thema. Luca, der immer noch von der anderen Seite des Wohnzimmers aus zusieht, muss sich heftig auf die Unterlippe beißen, um bei meiner mehr oder minder glaubwürdigen Aussage nicht in Gelächter auszubrechen. Ich werfe ihm einen bösen Blick zu, doch das lässt ihn nur noch breiter grinsen. Vollidiot. Schließlich ist es seine Schuld, dass ich so durch den Wind bin, auch wenn er furchtbar süß dabei aussieht. Im nächsten Moment wird meine Aufmerksamkeit wieder auf den Bildschirm gelenkt, als auf einmal ein aufgeregtes "Tante Tina!" durch den Lautsprecher hallt und mir beinahe das Trommelfell wegpustet. Im nächsten Moment schiebt sich auch schon ein kleiner Wuschelkopf ins Bild und Emma quietscht begeistert auf, als ich ihr zuwinke. Sophias Kopf folgt ein paar Sekunden später und gleich darauf winken die beiden wie wild in die Kamera und kriegen sich dabei gar nicht mehr ein vor lauter Gekicher. "Hallo ihr zwei Rabauken", begrüße ich die beiden lachend, während Natalia sich die Mädchen jeweils auf ein Knie setzt, um den Laptop vor seinem sicheren Tod zu bewahren. "Guck mal, 'Schenke Mama!" Begeistert hält Sophia ein Bild in die Kamera, das eher aussieht als wären ein Haufen Farbtuben explodiert, das aber offensichtlich ein Geschenk an Natalia war und mein Herz schmilzt beinahe dahin. "Das sieht wirklich toll aus, Süße", lobe ich sie, was der Kleinen ein so blendendes Strahlen entlockt, dass mir ganz warm wird und dass Luca nur ein paar Meter weiter steht, in meinem Wohnzimmer, lindert das Gefühl auch nicht unbedingt - nicht dass ich das unbedingt wollen würde. Emma und Sophia erzählen mir noch eine Weile lang aufgeregt von der tollen neuen Puppe, die sie zum Nikolaus bekommen haben, bevor sie sich eben dieser zuwenden und wieder ein bisschen Ruhe einkehrt. Ich quatsche noch ein wenig mit meiner Schwester aber trotzdem kann ich nicht verhindern, dass mein Blick immer wieder zu Luca huscht, der mittlerweile am anderen Ende der Couch sitzt und mich gerührt beobachtet. Ich kann einfach nicht anders. Zum wiederholten Male heute beschleunigt sich mein Herzschlag und ich lenke meine Konzentration schnellstens wieder auf den Bildschirm, bevor ich meine Selbstbeherrschung doch noch aus dem Fenster werfe. Die Abkühlung kommt aber relativ schnell und zwar in Form meiner süßen Nichte, deren nächster Satz mein Herz innerhalb einer einzigen Sekunde in die Hose rutschen lässt. "Wer da bei Tante Tina, Mama?", fragt Emma scheinheilig und beugt sich auf dem Schoß meiner Schwester nach vorne. Die sieht ihre Tochter verwundert an, während ich panisch einen Blick zu Luca werfe, der aber immer noch auf der anderen Seite der Kamera und damit außer Sichtweite sitzt. Sie kann ihn also gar nicht sehen, oder? Auch Natalia scheint sichtlich verwirrt. "Was? Wen meinst du denn?"
"Da!" Emma streckt eine kleine Hand in Richtung Kamera, während sie scheinbar auf etwas auf dem Bildschirm zeigt. "Schpiegl", fügt sie überzeugt hinzu und patscht auf den Computer, sodass das Bild erstmal ordentlich wackelt. Jetzt runzelt auch meine Schwester die Stirn und rückt näher an den Bildschirm heran. "Emma hat Recht, wer ist denn da bei dir?" Scheiße. "Niemand!", antworte ich viel zu schnell. "Schwesterlein, lüg mich nicht an! Ich seh doch genau dass sich da hinter dir jemand in der Fensterscheibe spiegelt!" Erschrocken drehe ich mich herum und mein Herz setzt aus. Tatsächlich ist es draußen noch so dunkel, dass sich in der Spiegelung der Scheibe klar und deutlich Lucas Umrisse abzeichnen. Zwar kann man nicht erkennen wer genau dort steht aber die Ausrede "Das ist nur mein Jackenständer" zieht in dem Moment auch nicht mehr. Verdammt, verdammt, verdammt. Hilfesuchend sehe ich zu Luca, aber der schaut genauso überrumpelt aus der Wäsche wie ich, was meiner Schwester natürlich nicht entgeht, die beim Anblick meiner mittlerweile tomatenroten Wangen die Augen aufreißt. "Oh mein Gott", haucht sie und drückt die Zwillinge instinktiv fester an sich, als sie aufgeregt ein Stück näher an den Bildschirm rutscht. "Es ist Luca, oder? Bitte sag mir, dass es Luca ist", fleht sie mich an und ich muss beinahe lachen, weil sie wirklich aussieht wie ein kleines Kind an Weihnachten. Trotzdem zögere ich, ihre Frage zu beantworten, schließlich haben Luca und ich noch nicht einmal darüber geredet, was das zwischen uns ist. Himmel, er ist schließlich erst vor einer halben Stunde hier aufgetaucht und hat mich aus heiterem Himmel geküsst! Ehe ich mir allerdings noch weiter den Kopf darüber zerbrechen kann, was wir jetzt sind oder nicht sind, nimmt Luca mir die Entscheidung ab, indem er kurzerhand auf der Couch neben mich rutscht und seinen Kopf ebenfalls ins Sichtfeld der Kamera schiebt. "Hi", begrüßt er meine Schwester fast ein wenig schüchtern und greift im selben Atemzug nach meiner Hand, um unsere Finger in meinem Schoß zu verschränken, als wäre es das natürlichste der Welt. Sofort legt mein Herzschlag wieder einen Zahn zu und ich beiße mir schnell auf die Lippe, um das glückliche Lächeln zumindest ein bisschen in Schach zu halten. Jetzt erst fällt mir auf, dass Natalia noch immer nichts gesagt hat und ich sehe ängstlich zu ihr. Würde meine Schwester plötzlich nicht mehr einverstanden mit Luca sein, käme das einem Weltuntergang gleich, denn ich fühle mich definitiv nicht in der Lage mich zwischen den Beiden zu entscheiden. Aber zu meiner sichtlichen Erleichterung sind meine Ängste völlig unbegründet, denn die Stille rührt bloß daher, dass meine Schwester schlicht und ergreifend sprachlos ist. "Oh Mann, ich hatte wirklich Recht", murmelt sie fast ehrfürchtig, während sie Luca anstarrt als wäre er ein seltenes Relikt in irgendeiner Museumsausstellung. Im nächsten Moment quietscht sie begeistert auf und klatscht so übermütig in die Hände, dass Emma und Sophia auf ihrem Schoß ihre Mama aus großen Augen erschrocken ansehen. "Oh mein Gott, ich hatte wirklich Recht! Es ist Luca!"
Luca, der sich bisher eher zurückgehalten hat, lacht leise und rutscht noch ein Stück näher an mich, um besser auf den Bildschirm sehen zu können, sodass er sich jetzt mehr oder weniger an meine Seite drückt. "'allo", quäkt Emma in dem Moment und drückt sich vor Neugierde die Nase fast am Bildschirm platt, was ihr ihre Schwester natürlich keine zehn Sekunden später nachmacht. Etwas unsicher blicke ich zu Luca, kann aber nicht den geringsten Anschein von Unwohlsein bemerken. Stattdessen winkt er in die Kamera und lächelt vorsichtig. "Hallo ihr zwei. Ich bin der Luca", stellt er sich etwas verlegen vor. "Christina hat schon viel von euch erzählt, wisst ihr das?"
"Lula!", plappert Sophia fröhlich nach, ohne auf den Rest des Satzes einzugehen und mein Herz schmilzt dahin, als Luca daraufhin breit in die Kamera strahlt. "Ach Gott, ihr seid so unfassbar süß", schwärmt Natalia weiter, nachdem sie die Kids einigermaßen gebändigt hat und ich senke verlegen den Blick. Das Lächeln auf meinen Lippen kann ich allerdings nicht verstecken. "Ich wusste von Anfang an, dass ihr wie füreinander geschaffen seid!", seufzt sie theatralisch, während mein Blick wieder auf unseren verschränkten Händen liegt. Im Gegensatz zu Lucas Hand ist meine regelrecht winzig und trotzdem - so kitschig das auch klingt - scheinen sie perfekt ineinander zu passen, wie zwei Puzzelteile. "Heißt das, ihr seid jetzt zusammen?" Völlig überrumpelt fährt mein Kopf nach oben und ich reiße die Augen auf. "Nein! Ich meine..." Unsicher sehe ich Luca an. "Ich...ich weiß nicht. Willst du?"
"Also wenn du mich hiermit ganz offiziell fragst ob ich dein Freund sein möchte, dann lautet die Antwort auf jeden Fall ja." Fast ein wenig schüchtern drückt er meine Hand und in meinem Magen flattert es wie wild. Ein verlegenes Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus und ich beiße mir auf die Lippe. "Das wäre schön." Ein paar atemlose Sekunden verstreichen, in denen wir uns einfach nur anlächeln. Unfähig, mich länger zurückzuhalten, lehne ich mich näher zu ihm und dann... "Na super!", reißt uns Natalias Stimme aus dem Moment, so unsanft, dass wir beide gleichzeitig zusammenzucken. Meine Schwester stört das allerdings nicht im Geringsten. So gut es mit den Mädchen auf dem Schoß geht, klatscht sie euphorisch in die Hände. "Dann kannst du Luca ja morgen gleich mit nach Hause bringen." Ich verschlucke mich an meiner eigenen Spucke und sehe meine Schwester völlig überrumpelt an. Aber bevor ich überhaupt die Chance bekomme, etwas zu sagen, kommt Luca mir zuvor und sagt, obwohl er nicht mal weiß wovon meine Schwester reder: "Ich würde sehr gerne mitkommen, vielen Dank für die Einladung." Jetzt ist er derjenige, den ich überrascht anschaue. In meinem Kopf wirbelt alles durcheinander und ich bin so abgelenkt, dass ich gar nicht mehr richtig mitkriege, wie Natalia und die Zwillinge sich verabschieden und die Verbindung beendet wird. Erst Lucas amüsiertes Lachen reißt mich aus meiner Schockstarre. "Was...was ist gerade passiert?", stammle ich völlig überfordert, was ihn nur noch mehr zum Lachen bringt. "Deine Schwester mag mich", sagt Luca als er sich wieder etwas beruhigt hat und ich kann deutlich den Stolz in seiner Stimme hören. "Und wie. Wahrscheinlich sogar mehr als gut für meine Nerven wäre", grummle ich und Luca grinst. Die Sache ist nämlich die: Obwohl ich mich wirklich freue, dass Natalia Luca schon in ihr Herz geschlossen hat - war sie es doch, die mich dauernd damit geärgert hat, wie gut wir doch zusammenpassen würden - mache ich mir dezente Sorgen um ihre geistige Verfassung. Seit meiner geplatzten Verlobung mit Evgeny hat sie ständig versucht mich irgendwie wieder aufs Spielfeld zu bringen, hat mir Dates mit Kollegen organisiert, die mir die Lust auf jegliche Art von Verabredungen mit einem männlichen Wesen, das nicht Andrzej heißt, gehörig verdorben haben. Dass ich jetzt endlich seit langer Zeit wieder richtig glücklich bin, kommt deshalb einem Weltwunder gleich und ich befürchte, dass sie ihre Freude darüber an uns auslassen wird. "Keine Sorge, ich bin mir ziemlich sicher, dass ich auch noch die "Wehe du tust meiner Schwester weh, dann trete ich dir in den Hintern"-Rede bekomme", beschwichtig Luca mich grinsend, der wohl meine Gedanken gelesen hat. "Und das macht dir wirklich nichts aus?" Luca runzelt verwirrt die Stirn. "Was, dass deine Schwester sich Sorgen um dich macht? Wieso sollte es?"
"Nein, ich...ich meine, dass sie dich so plötzlich zu uns eingeladen hat...Geht dir das denn nicht ein bisschen zu schnell?"
"Geht es dir denn zu schnell?"
"Nein!", erwidere ich so hastig, dass ich beinahe über das Wort gestolpert wäre. Verlegen senke ich den Blick auf meine Hände und murmle leise: "Ich möchte nur nicht, dass du dich überrumpelt fühlst oder meine Familie dich mit ihrer Direktheit verjagt. Ich..." Ich schlucke. "Ich will dich nicht verlieren, verstehst du?" Schüchtern hebe ich den Blick und treffe sofort auf Lucas, in dessen Augen ein so liebevoller Ausdruck liegt, das mein Herz sich fast schon schmerzhaft zusammenzieht. "Deshalb hab ich auch nie irgendwas gesagt, bezüglich..." Hilflos gestikuliere ich zwischen ihm und mir hin und her. "...du weißt schon. Uns." Zu meiner Überraschung zeigt Luca allerdings nicht das geringste Anzeichen von Überforderung. Ganz im Gegenteil. Kopfschüttelnd hebt er eine Hand, um ganz zaghaft die Linien meines Kiefers nachzuzeichnen und ich kann nicht anders als mich in seiner Berührung zu verlieren. "Ich mag dich, sehr sogar, falls du das noch nicht gemerkt hast. Und ich mag deine Familie, denn sie haben einen der bodenständigsten, schönsten und bewundernswertesten Menschen aus dir gemacht, den ich jemals kennenlernen durfte und ich bin mehr als glücklich, dass deine Schwester mich eingeladen hat." Ich halte den Atem an, als er mit dem Daumen über meine Wange streicht und mich eindringlich ansieht. "Du wirst mich nicht verlieren, Christina. Nicht solange ich da ein Mitspracherecht habe." Ich schlucke hart.
"Versprochen?"
"Versprochen."
"Okay", flüstere ich leise und strecke mich ein Stück, sodass Luca mir auf halben Weg entgegenkommen und mir einen sanften Kuss auf die Lippen drücken kann, bevor er seine Arme fest um meinen Rücken schlingt und ich mich zufrieden seufzend an ihn kuschle. Auch wenn der Tag nicht im Geringsten so angefangen hat wie ich das in Aussicht hatte, hab ich gegen das Ende definitiv nichts einzuwenden.

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