Christmas (3)

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Alec


Anschließend wandern wir ins Wohnzimmer, in dem wir uns gemeinsam auf der Couch niederlassen – Magnus dicht neben mir, weswegen wir einen Blick von meiner Mutter ernten, den wir gekonnt ignorieren. Unser Sohn spielt mit Isabelle und Simon am Boden vor dem leuchtenden Christbaum, während mein Bruder ein wenig abseits sitzt und ihnen zusieht. Manchmal schwenkt sein Blick auch zu uns und unseren verschränkten Händen. Gerade als ich meinen Kopf in Magnus' Halsbeuge schmiege, kommt meine Schwester auf uns zu. „Ich könnte dir dein Zimmer zeigen, wenn du möchtest.", bietet sie an, was mich zu Magnus sehen lässt. „Bleibt ihr heute hier?", fragt sie weiter. „Ich schätze nicht, Isabelle. Unsere Eltern werden damit nicht so einverstanden sein und daheim gibt es ebenfalls noch Geschenke, die Max wahrscheinlich heute noch öffnen möchte.", lächle ich, während Magnus zustimmend nickt. „Aber werden wir euch irgendwann wieder sehen?" Isabelles Stimme hat einen traurigen Ton angenommen, weshalb ich sofort aufstehe und sie in die Arme nehme. „Natürlich. Wir bleiben in Kontakt und ihr könnt uns vielleicht auch einmal besuchen. Ich werde nicht wieder einfach verschwinden. Versprochen.", flüstere ich in ihre schwarzen Haare, woraufhin sie nickt. „Und jetzt zeig uns mein altes Zimmer. Habt ihr es zu einem Fitnessraum verwandelt?" Mit einem heiteren Ton versuche ich die Stimmung wieder zu heben, worauf Isabelle auch sofort eingeht. Ich nehme Magnus an der Hand und sehe noch einmal nach unserem Sohn, bevor wir meiner Schwester in den oberen Stock folgen.

„Wir haben alles genau so gelassen, wie du es zurückgelassen hast. Mom hat sich geweigert, dein Zimmer zu betreten. Für sie gab es das Zimmer nach deinem Verschwinden nicht mehr.", erklärt Isabelle, während sie die Türklinke meiner Zimmertür hinunterdrückt. „Hast du es denn nachher noch einmal betreten?", frage ich und sehe mich ein wenig um. Es ist wirklich alles genau so. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das noch einmal zu sehen bekomme. Unglaublich viele Gefühle überkommen mich und ich drücke die Hand meines Mannes. Dieser sieht mein Zimmer zum ersten Mal.
„Ja, das habe ich. Womöglich zu oft. Ich habe die Wochen danach in deinem Bett geschlafen und gehofft, dass du zurück kommst. Aber sobald dein in der Bettwäsche hängen gebliebener Duft verschwunden ist, habe ich realisiert, dass das nicht passieren wird.", beichtet sie uns, was mich traurig werden lässt. Ich bereue nicht, was ich getan habe, denn vielleicht wäre es noch schlimmer gewesen, wäre ich geblieben. Aber ich hätte mich melden sollen. Es war so falsch von mir, sie zurückzulassen. Ich wusste, dass Isabelle an mir hing und es scheinbar noch tut.
„Es tut mir so leid.", hauche ich, doch sie schüttelt den Kopf. „Das möchte ich hinter mir lassen, denn jetzt bist du wieder da und verlässt uns hoffentlich nie wieder.", lächelt sie, auch wenn ich erkenne, dass es nicht hundertprozentig echt ist.
„Was war eigentlich der Auslöser dafür, dass du gegangen bist? Sie haben sich doch nicht anders verhalten als sonst auch. Oder du hättest mit mir sprechen können." Verwundert sehe ich meine Schwester an, während ich einen Arm um Magnus' Schultern lege. „Sie haben es euch nie erzählt?" Izzy schüttelt den Kopf.
„Zu dem Zeitpunkt hatte ich mich gerade in Magnus verliebt. Wir waren frisch zusammen. Kaum vorstellbar, dass wir dreizehn Jahre später eine glückliche dreiköpfige Familie werden. Jedenfalls habe ich ihm einen Brief schreiben wollen, da mir Mom zu dem Zeitpunkt mein Handy abgenommen hat. In diesem Brief habe ich geschrieben, dass ich mich vor meiner Familie noch nicht geoutet habe und er deswegen nichts gegenüber ihnen erwähnen soll. Ich wollte ihm den Brief in den Postkasten schmeißen, aber Mom hat ihn zuerst gefunden. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sauer sie wurde. Nicht dass ich sie schon so unglaublich enttäusche, jetzt bin ich auch noch schwul. Ich wollte nicht mehr bei ihr sein und mir anhören, dass ich nicht normal bin. Deswegen habe ich euch ein paar Abschiedszeilen geschrieben, mir unauffällig mein Handy geholt und bin zu Magnus.", erkläre ich, während Magnus meine Hand drückt. Er weiß, es war schwer für mich. Er hat mich all die nachfolgende Zeit getröstet und mir geholfen, wenn es mir schlecht ging. Er hat mir erlaubt, bei ihm zu bleiben, bis wir umgezogen sind. Wäre er nicht für mich dagewesen, weiß ich nicht, was ich getan hätte. Ich hätte wieder zurück müssen.

„Es tut mir so leid, Alec. Aber du hättest zu mir kommen können. Ich hätte dir geholfen und das weißt du.", versichert mir meine kleine Schwester mit glasigen Augen. Auch wenn ich weiß, dass sie nicht mehr klein ist, wird sie für mich immer meine kleine Schwester bleiben. Meine nervige, kleine Schwester, der ich helfen muss, die Cornflakes vom oberen Regal zu holen oder die ich mit ihren Freunden auf eine Party oder ins Kino führen muss. Ich habe all das sehr gerne für sie gemacht und für Max hätte ich das ebenfalls gerne getan. Aber meine Eltern hätten mich vermutlich gar nicht mehr gelassen.
„Ja, natürlich weiß ich das, Isabelle.", nehme ich sie in den Arm. „Aber du hättest mich nicht vor ihnen beschützen können und das ist ok. Ich bin dein großer Bruder. Ich beschütze dich.", versichere ich, während ich merke, wie Magnus uns liebevoll betrachtet. „Und wenn wir schon dabei sind ... bist du sicher, dass dieser Simon dir niemals das Herz brechen wird?", frage ich schmunzelnd, was Izzy sofort wieder lachen lässt. Sie löst sich von mir und verschränkt ihre Arme vor der Brust. „Ich bin neunundzwanzig Jahre alt, Alec. Ich glaube vor Liebeskummer kann ich mich selbst schützen. Das hast du verpasst. Aber trotzdem weiß ich, dass Simon der richtige ist und mir niemals wehtun würde."
Ich nicke und lege ihr eine Hand an den Arm. „Dann freut mich das."
„Ich werde jetzt wieder runter gehen und mich mit eurem unglaublich süßen Sohn beschäftigen. Ihr könnt euch vielleicht noch ein wenig umsehen, aber du kennst hier sowieso alles.", zuckt Isabelle die Schultern und stolziert dann zur Tür hinaus. „Aber wir nehmen Max dann wieder mit zu uns. Behalte dir das im Kopf.", rufe ich ihr hinterher, während ich noch sehe, wie sie den Kopf schüttelt. „Ich garantiere für nichts."

Malec Oneshots & Short storys (german)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt