Kapitel 5 || River

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Durch die dünne Wand dringt laute, seltsames Technomusik zu mir und helles Lachen. Austin hat mal wieder Jungenbesuch, so wie die meiste Zeit. Genervt drehe ich meine Musik in meinen Kopfhörern noch lauter, um gegen die Geräuschkulisse anzukommen, und lege mich mit dem Kopf zur Decke gerichtet, auf mein Bett.

Die dumpfen Bässe meiner Musik wummert mir ins Ohr und nun höre ich beinahe gar nichts anderes mehr. Diese Kopfhörer waren das Geschenk von Louis letztes Jahr, sie waren teuer, das weiß ich. Eigentlich will ich nicht, dass er mir teure Sachen schenkt, aber er tut es jedes Jahr aufs Neue.

Die niedrige Decke über meinem Bett ist mit ein paar Fotos von mir und meinen Freunden bestückt, sie sind beinahe das Einzige wirklich Persönliche in meinem Zimmer. Meine Gedanken schweifen ab, während ich sie mustere.

Plötzlich kommt mir ein komischer Gedanke. Ich stelle mir vor, dass sich ein Foto von mir und Madelyn auch ganz gut an dieser Stelle machen würde. Ein Foto, wo sie dieses hübsche Lächeln lächelt, das fast nie zum Vorschein kommt. Zumindest soweit ich weiß.

Ich schüttle den Kopf. Was tue ich hier überhaupt? Ich kenne sie nicht einmal richtig. Außerdem verkörpert sie genau die Art von Mensch, mit denen ich normalerweise nichts zu tun habe, weil ich weiß, dass sie mich niemals akzeptieren würden. Und jetzt bin ich auch noch auf einer Schule, umringt genau von diesen Menschen.

Tief seufzend stütze ich mich auf meine Ellbogen und versuche den Gedanken irgendwie zu vertreiben. Aber irgendwie ist da immer ihr Gesicht, wenn ich versuche, etwas anderes zu denken.

Und gestern auf dem Dach, da hab ich so eine seltsame Verbindung zwischen uns gespürt. Eine, die ich so noch nie gespürt habe, bei niemandem. Eine, die seltsam vertraut war. Und ich bin mir sicher, sie hat es auch gespürt.

Mein Handy vibriert und ich entsperre es. Eine Nachricht von Kenzie wird mir angezeigt und ich tippe etwas unsicher darauf. Eigentlich ist es etwas ganz Normales, dass wir und schreiben. Auch in unserem Gruppenchat mit Mia und Louis schreiben wir alle beinahe rund über die Uhr, und wenn wir uns nur irgendwelche sinnlosen Sticker, Memes und Gifs schicken.

Aber seit der ganzen Kenzie-steht-auf-dich-und-will-es-nur-nicht-offe-sagen – wie Louis es genannt hat – Sache und vor allem nach dem Wochenende, wo sie definitiv nochmal ein Level weiter gegangen ist, mit ihren anzüglichen Blicken, habe ich ein mulmiges Gefühl wegen ihrer Nachricht.

Heute Abend, kleine Party bei mir. Komm gegen 18:30 Uhr.

Ich ziehe die Brauen hoch. Party bei Kenzie? Das kam auch lang nicht mehr vor. Und ist vielleicht auch keine sonderlich gute Idee. Kenzie hat ein paar Probleme, vor allem wenn es um Alkohol geht, und wir versuchen eigentlich so oft es geht, sie davon abzubringen. Aber im Endeffekt ist es ihre eigene Entscheidung. Wir können ihr nicht das restliche Leben die Haare halten. Den entscheidenden Schritt muss sie selber machen.

Außerdem ist keiner von uns ein super tolles Vorbild, weil auch wir anderen drei öfter Mal zur Flasche greifen. Manchmal fühle ich mich schlecht, aber dann denke ich wieder daran, dass es nicht unsere Schuld ist, wenn sie nicht damit umgehen kann und ihr Limit nicht kennt, anders als wir.

Auch wundert mich, dass es von ihren Eltern aus erlaubt ist. Sie hat nicht gerade ein gutes Verhältnis zu ihnen. Wahrscheinlich sind sie gar nicht da.

Ich rolle mich auf dem Bauch, tippe schnell eine bejahende Antwort, und stehe schließlich auf. Mein Magen knurrt, ich brauche dringend etwas zu essen.

In der Küche angekommen öffne ich den Kühlschrank und schaue in mein Fach. Außer einer Packung Käse ist es leer. Fluchend haue ich mit der flachen Hand gegen die Außenverkleidung des Schranks und spähe in die anderen Fächer. In Austins liegt nur eine Packung Salami und bei Jackie ihr ganzes veganes Zeug, das ich ihr jetzt nur ungern klauen will. Sonst bekomme ich Ärger.

Zwischen uns zwei WeltenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt