Mich interessiert brennend, was Madelyn dazu gebracht hat, mit Tucker Schluss zu machen. Ich habe das Gefühl, dass es schlimm ist. Sogar sehr schlimm, denn ich schätze Mads nicht so ein, das sie aus Lust und Laune die Beziehung mit dem Kerl beendet. Es scheint nämlich so, als sei ihr Leben durchgeplant, von vorne bis hinten, und er ist sicherlich Hauptbestandteil von diesem Plan. Zumindest gehe ich davon aus.
Trotzdem besitze ich genug Taktgefühl, um sie nicht darauf anzusprechen, als wir am Mittwochmorgen zusammen im Musikkurs sitzen, in dem wir immer noch Projektpartner sind.
Die letzten zwei Tage war sie nicht in der Schule, aber auch darauf spreche ich sie nicht an.
Stattdessen beobachte ich stumm, wie sie an ihrem Bleistift herum kaut und angestrengt auf die Tafel starrt. Sie sieht nicht wirklich fit aus. Unter ihren Augen zeichnen sich tiefe Ringe ab und ihr Haar fällt ihr nicht wie sonst seidig auf die Schultern, sondern ist zu einem lockeren Zopf in ihrem Nacken gebunden. Aber das steht ihr irgendwie. Ihr hübsches Gesicht kommt damit mehr zur Geltung.
Jetzt kneift sie konzentriert die Augen zusammen und schürzt die Lippen. Gott, diese Lippen. Bestimmt sind sie genauso weich, wie sie aussehen.
Urplötzlich wendet sie den Blick zu mir und erwischt mich beim Starren. »Geht's dir gut?« Provokant zieht sie die Brauen hoch.
Ich lache leise. »Mir könnte es nicht besser gehen, jetzt, da du mich wieder mit deiner Anwesenheit beehrst.«
Wie ich erwartet habe, läuft sie leicht rosa an und wendet sich dann wieder ihrem Blatt zu.
Wir beide wissen, dass zwischen uns sehr viele unausgesprochene Dinge in der Luft liegen, die wir nicht so einfach ignorieren können. Da wäre zum Beispiel dieser verrückte Moment, als sie mich beim Verlassen meiner Haustür geradezu angefleht hat, ihr meine möglich aufkeimenden Gefühle zu gestehen. Und trotzdem hat sie mich im gleichen Moment aus ihrem Leben verbannt. Zumindest auf der Ebene, wo ein kleiner Teil von mir sie gerne hätte.
Ich frage mich, was ihr so schwer fällt daran, sich auf mich einzulassen. Sie ist nicht so hochnäsig wie ihre Freunde und trotzdem scheint sie irgendetwas davor zurückzuhalten, mich als mehr als nur einen Kumpel zu betrachten. Irgendetwas muss in ihrem hübschen Köpfchen vor sich gehen, irgendetwas Triftiges, Bedeutendes. Ich wünschte, sie würde es mir offenbaren.
Aber ehrlich gesagt bin ich auch nicht besser. Ich habe mir auch selbst verboten, sie in mein Leben zu lassen, es auf den Kopf zu stellen, und an meiner Dunkelheit teilhaben zu lassen. Abgesehen davon, dass ich keinerlei Zukunft in uns sehe. Ich sehe in niemandem eine Zukunft, dank meinen Eltern. Ich glaube nicht an die wahre Liebe. Das habe ich noch nie.
Und trotzdem stellt sie verrückte Dinge mit meinem Herzen an, die ich nicht ganz erklären kann.
»Ich habe schon mal einen Text mit Information verfasst«, sagt sie in diesem Moment und reißt mich damit aus meinen Gedanken.
Ich sehe auf und sie drückt mir einen dicken Stapel festes, glänzendes Papier in die Hand. Solches, für das du im Copyshop immer viel mehr hinblättern musst, als für das normale, dünne. Aber das war klar, dass ihre Familie nur solches Papier besitzt.
»Was ist eigentlich mit dir los?« Sie zieht die Brauen hoch. Heute ist sie ungeschminkt und deutlich müde.
»Nichts ist los.« Schnell greife ich nach dem Papier und schaue die Blätter durch. Stapelweise engbedruckte Seiten springen mir entgegen. Ich pfeife leise. »Hast du eigentlich nichts Besseres zu tun?«, ziehe ich sie auf, doch ihr Gesichtsausdruck wird kalt und abweisend.
Sie wendet sich ab und achtet nicht mehr auf mich. Stirnrunzelnd starre ich ihren Hinterkopf an.
»Tut mir leid«, ich räuspere mich leise, »das war nicht so gemeint.« Doch sie dreht sich trotzdem nicht zu mir. Über die Schultern wirft sie mir nur ein leises »kümmere dich einfach um deine Aufgaben« zu.
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Zwischen uns zwei Welten
RomansMadelyns Leben ist strukturiert, berechenbar und durchgeplant. Ihre beste Freundin ist die Tochter der wichtigsten Geschäftspartner ihrer Eltern, ihr Freund ist ein reicher Vorzeigeschwiegersohn, ihre Noten immer perfekt und später soll sie die ber...