Kapitel 2 || River

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Manchmal denke ich, ich befände mich unter einer riesigen Glaskuppel, ausgeschlossen von der Welt, ganz allein und abgeschottet. Ich kann zwar alle anderen hören und sehen, aber das Alles nur durch diese dicke, milchige Glaswand. Als würde ich sie nur durch Watte hören und durch einen verschwommenen Film wahrnehmen.

Das beste Gefühl ist die Freiheit. Sie lässt mich dieses Glaskuppel-Gefühl vergessen. Aber leider fühle ich sie viel zu selten, obwohl es so scheint, als würde ich sie andauernd spüren. So würde ich jedenfalls denken, wenn ich von außerhalb auf mein Leben gucken würde. Doch so ist es nicht. Irgendetwas hindert mich daran.

Oder irgendwer.

Das huscht mir durch den Kopf, als ich den Augen des fremden Mädchens begegne, das ein Stück entfernt von mir steht und zu mir herüber schaut. Ihre Augen sind eine Mischung aus einem hellen braun und grün und sie haben so etwas magisches an sich, dass ich den Blick nicht mehr abwenden kann, auch wenn ich es wollte.

Sie hält mich mit ihrem gefangen, raubt mir die Luft zu Atmen.

Sie raubt mir die Luft zu atmen? Wie betrunken bin ich eigentlich? So ein Kitsch denke ich normalerweise nicht mal in diesem Zustand.

Der Mund des Mädchens öffnet sich einen Spalt breit, aber sie bewegt sich nicht von der Stelle, wendet auch die Augen kein Stück ab.

Ich will mich gerade in Bewegung setzen, einfach irgendetwas tun, nur um nicht so untätig hier rum zu stehen, als sich ein großer, blonder Junge sich dem Mädchen in den Weg stellt.

Der Blickkontakt bricht, aber ich versuche sie weiterhin im Auge zu behalten. Der Typ greift jetzt nach ihrer Hand und zieht sie Richtung Hauseingang. Erst jetzt bemerke ich, dass sie in der Schlange zum Club steht, was wiederum bedeutet, dass sie ziemlich reich ist und definitiv nicht in meiner Liga spielt.

Doch bevor sie im Inneren des Clubs verschwindet, sucht sie noch einmal meine Augen und schaut mich so intensiv an, als müsste sie mich ins Gedächtnis einbrennen.

Erst jetzt schaue ich auf den Rest von ihr, nicht nur auf die Augen und ihren Mund. Sie hat mittellange, braune, glatte Haare, die ihr ein bisschen zerzaust über die Schultern fallen. Ihr Gesicht ist rundlich, aber gleichzeitig definiert, was ich nicht so ganz verstehe. Sie hat eine kleine, kurvige Figur, welche in einem blauen, braven Kleid steckt. Ihre Wangen sind gerötet, ob vor Scham oder Hitze, weiß ich nicht.

Dann verschwindet sie.

»Was schaust du der Kleinen da so hinterher? Sie ist nicht mal ansatzweise in deiner Liga.« Eine Flüssigkeit wird auf meine Jacke verschüttet und ich fahre genervt herum. Luis steht unschuldig und mit riesigen, geröteten Augen mir gegenüber, sein Becher, den er in der Hand hält, wackelt wieder gefährlich vor sich hin.

»Was ist dein Problem?«, fahre ich ihn an und wische mir mit der Hand über meinen Ärmel, was keine gute Idee ist, denn jetzt klebt sie und riecht nach Wodka, den er sich da gerade pur reinschüttet.

»Wow, da ist aber jemand gereizt. Schalt mal ab und feiere mit uns«, empfiehlt mir Luis und kräuselt seine Nase.

Wir kennen uns schon Ewigkeiten und er ist einer meiner besten Freunde, aber manchmal würde ich ihm einfach gerne eine reinhauen, weil er einfach nervt.

Wie jetzt gerade.

Doch ich verdrehe einfach nur die Augen und reiße ihm den Becher aus der Hand. Er flucht und motzt mich an, aber ich ignoriere sein Gezeter und sage ernst: »Willst du nicht lieber aufhören für heute? Du hattest schon ziemlich viel.«

»Das ist ja echt süß von dir, aber du musst dir echt keine Sorgen um mich machen«, lallt er und möchte wieder nach dem Becher greifen, gerät dabei aber ins Schwanken und ich fange ihn gerade noch auf, bevor er hinfällt.

Zwischen uns zwei WeltenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt