Kapitel 7 || River

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Madelyn ist perfekt. Und zwar so perfekt, dass es mehr als ätzend ist. Ihre reichen Freunde, ihr Freund mit dem bestimmt riesigem Erbe, ihre reichen Eltern, ihr Haus, dass wahrscheinlich viel zu groß ist und in einen der reichen Viertel steht. Sie ist ruhig und lächelt, wann immer sie lächeln soll. Die Lehrer mögen sie und sie scheint eine gute Schülerin zu sein. Sie scheint all das zu sein, was ich nicht bin.

Und vielleicht bin ich ein gemeiner Mistkerl, aber ich stehe zu meinen Worten. Alles, was ich zu ihr gesagt habe, entspricht der Wahrheit und ich habe keine Lust, eine Spielfigur von ihr zu werden, die sie immer dann benutzt, wenn sie ihr Leben mal wieder zu langweilig findet und Abwechslung braucht. Denn so geht das nicht. Dafür bin ich nicht bereit und es ist besser, wenn ich mich von ihr fernhalte, um nicht doch in dieses Muster zu fallen.

Außerdem habe ich genug eigenen Scheiß in meinem Leben zu bewältigen, da brauche ich nicht auch noch eine reiche Zicke, die mich für ihre kleinen Luxus Problemchen ausnutzen will.

Und trotzdem taucht immer wieder ihr verletzter Ausdruck vor meinem inneren Auge auf, ohne, dass ich es verhindern könnte.

Die Wohnung ist still, als ich den Flur betrete. Leise schließe ich die Tür hinter mir und streife die Schuhe von den Füßen, so wie es Mom immer möchte.

Auf leisen Sohlen gehe ich Richtung Küche, die gleichzeitig Ess- und Wohnzimmer ist. Als ich den Raum betrete, fällt mein Blick sofort auf meine Schwester die mit eingezogenen Schultern auf dem Stuhl am Küchentresen hockt und eine Tablette in ein Glas Wasser wirft.

»Rory?« Behutsam nähere ich mich ihr und lege die Hand auf ihre Schulter.

Sofort blickt sie auf und schenkt mir ein kleines, schwaches Lächeln. Ihre Augen sind gerötet und geschwollen vom Weinen, ihre Wangen sind nass und ebenfalls rot und unter ihren Augen liegen tiefe Schatten. Das rötliche Haar, das sie von Mom hat, fällt ihr strähnig auf die Schultern. »River«, schluchzt sie und ich nehme sie in den Arm, ohne noch irgendetwas zu sagen.

»Alles ist gut, ich bin jetzt hier«, flüstere ich in ihre Haare und streiche sanft mit den Händen über ihren Rücken. Ich spüre, wie mein T-Shirt nass wird und drücke sie noch fester an mich. Als ich mich wieder von ihr löse, sehe ich sie besorgt an. »Was ist diesmal passiert?«

Sie schluchzt erneut. »Wir haben uns gestritten. Und dann ist sie wieder in die Bar gegangen.«

Ich schlucke hart und nehme das Glas mit der nun aufgelösten Tablette darin vom Tisch. »Bleib du hier, ich schaue nach ihr.«

Dankbar sieht sie mich an und ich gehe auf die Schlafzimmertür meiner Mom zu.

Eigentlich sollte Rory jetzt in der Schule sein, aber wahrscheinlich hat Mom sie wieder angerufen, so wie jedes Mal, wenn sie sich volllaufen lässt. Ihr ist es egal, dass ihre Tochter dafür die Schule schwänzen muss, nur weil sie ihr Leben nicht in den Griff bekommt, seit unser Vater uns verlassen hat.

Ein bitterer Geschmack bildet sich in meinem Mund, als ich an ihn denke. Ich hasse ihn. Noch mehr, als ich meine Mom dafür hasse, was sie Rory antut.

Ich habe auch kein Verständnis dafür, dass Mom es so schlimm findet, dass er nun fort ist. Er war schlecht für uns, vor allem für sie. Hat sie gegen Ende behandelt wie Dreck und hat schon tagsüber in irgendwelchen Pubs herumgehangen. Er war ein echter Schlägertyp und hat meine Mom am Schluss nicht mehr ansatzweise geliebt. Genauso wenig wie mich.

Doch das war einst anders. Meine Eltern waren jung als sie mich bekamen. Sie waren glücklich und Hals über Kopf verliebt. Aber davon war nach ein paar Jahren nichts mehr zu sehen oder zu spüren.

Zwischen uns zwei WeltenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt