Kapitel 16 || River

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Stumm sehe ich sie an. Plötzlich habe ich Angst. Ihre Augen schauen so intensiv in meine, dass ich eine kribbelnde Gänsehaut bekomme.

»Ach, ist das so?«, flüstere ich etwas hilflos und zur Bestätigung nickt sie. Es fällt mir verdammt schwer, mich zu öffnen. Gott, hätte ich doch nur die blöde Wette gewonnen. Aber ich bin kein Spielverderber und vielleicht ist die Frage ja gar nicht so schlimm. Außerdem habe ich das Gefühl, dass es mir gar nicht so schwer fallen wird, mich ihr zu öffnen. Ich hoffe, mein Gefühl irrt sich da nicht.

Ungern will ich von ihrer Frage in die Enge getrieben werden, aufstehen und einfach so davonrennen. Zuzutrauen wäre es mir jedenfalls.

Eigentlich hatte ich gehofft, sie hätte schon vergessen, dass sie noch eine Frage bei mir offen hat. Doch da habe ich mich wohl getäuscht.

Wenigstens wird die Frage nichts mit meinen Eltern zu tun haben, da sie das vorhin verneinte. Andererseits könnte sie es sich auch anders überlegt haben und –

»River?« Sie lacht leise, »ich kann praktisch sehen, wie es in deinem Kopf rattert.«

Etwas hilflos zucke ich mit den Schultern und drehe mich auf die Seite, sodass ich sie jetzt ganz im Blick habe. Sie macht mir die Bewegung nach.

»Also?« Unbehaglich schaue ich in ihre grünen Augen, die in diesem Licht eher wieder ins Braun übergehen. Wahrscheinlich liegt das am Schatten des Baumes.

Sie presst die Lippen zusammen und runzelt die Stirn. Fast scheint es mir, als würde sie den Atem anhalten. Dann atmet sie lange aus und nickt schließlich.

In meinem Kopf versuche ich mich davon zu überzeugen, dass ihre Frage nicht schlimm sein wird.

Es wird alles gut werden, alles gut, alles –

»Wieso glaubst du, dass es zwischen uns beiden nicht funktionieren könnte?«

Verblüfft starre ich sie an. Niemals hätte ich mit so einer Frage gerechnet. Niemals hätte ich gedacht, sie würde die Frage auf uns beziehen. Ich dachte, sie nutzt sie aus, um mehr über mich zu erfahren.

Sie scheint selbst etwas verwundert über ihre Frage zu sein.

»Das ... also ...« Ich schlucke. Keine Ahnung, wo ich überhaupt anfangen soll. Sie will eine richtig ehrliche Antwort? Dann muss ich verdammt tief graben und das wird verdammt schwierig für mich.

Sie scheint meinen inneren Kampf zu bemerken, denn plötzlich steht sie auf und zieht mich mit nach oben. Wir stehen so dicht bei einander, dass ihre Haare mich an den Wangen kitzeln. Sie sieht zu mir auf und unsere Blicke treffen sich.

Ich muss daran denken, wie sie sich vorhin über mir gebeugt hatte. Wie ihre weichen Hände mein Gesicht nachfuhren. Und dann ... dann war sie kurz davor mich zu küssen.

Natürlich musste ich Panik bekommen und den Moment zerstört, obwohl ich nichts lieber machen würde, als sie zu küssen.

»Okay, vielleicht war die Frage etwas ... unüberlegt«, gibt sie zu uns bringt – leider – wieder einen Abstand zwischen uns. Sie dreht sich zum Wasser und hebt erneut Steine auf, die sie über den See hüpfen lässt. »Aber es interessiert mich wirklich.«

Ich stelle mich stumm neben sie und werfe ebenfalls wieder mit Steinen. Nach einer Weile atme ich resigniert aus. »Mads, was willst du eigentlich von mir hören? Es ist doch offensichtlich, warum nie irgendetwas zwischen uns funktionieren könnte.« Aus irgendeinem Grund werde ich von Zorn gepackt und werfe die Steine heftiger auf den See hinaus.

Sie gehen sofort unter.

Madelyn schweigt ein paar Augenblicke lang und folgt mit dem Blick meinen Steinen. Doch dann packt sie meinen Arm und dreht mich halb zu ihr um.

Zwischen uns zwei WeltenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt