Kapitel 12 || Madelyn

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Erschrocken reiße ich die Augen auf. Irgendetwas stimmt hier ganz und gar nicht. Ich weiß noch nicht, an was es liegt, aber ich vermute, am Licht. Nie ist es morgens so hell in meinem Zimmer. Und die Decke, sie fühlt sich ganz anders an, als meine ... Das Zimmer, es sieht auch nicht aus wie meins, wie ich jetzt langsam blinzelt feststelle.

In mein Blickfeld schiebt sich ein Kopf mit dunklen, gewellten Haaren und blauen Augen. Woher kenne ich ...?

»River?«, kreische ich fassungslos und richte mich ruckartig auf.

»Guten Morgen, guapa.« Er grinst mich an.

Mit aufgerissenen Augen mustere ich ihn und schüttle langsam ungläubig den Kopf. »Wie ...?« Erinnerungsfetzen letzter Nacht schwappen an die Oberfläche meines Gehirns und nun verziehe ich das Gesicht. Es dauert mindestens fünf weitere Sekunden, in denen ich nur stumm dasitze, dann ist mir alles wieder eingefallen. »Oh mein Gott.«

»Ich würde mich zwar selbst nicht als Gott bezeichnen, aber ich glaube, dass trifft es schon ganz gut.«

Ich werfe River mit einem Kissen ab, das er spielend in der Luft fängt und aufs Fußende des Bettes legt. Mit den Händen fahre ich mir durch die zerzausten Haare. Wie konnte das alles geschehen? Wie konnte ich hier landen?

Tucker taucht in meinen Gedanken auf und damit auch die Situation von gestern Nacht. Fast muss ich mich bei dem Gedanken an ihn übergeben. In mir wächst solche Abscheu gegen ihn, dass ich nicht weiß, ob ich ihn jemals wieder mit anderen Augen sehen kann. Ob ich ihm jemals wieder in die Augen sehen kann. Allein wenn ich an sein Gesicht denke, könnte ich schreien, so schrecklich und widerwärtig kommt mir es nun vor. Unglaublich, dass ich diese Lippen noch vor nicht viel mehr als vierundzwanzig Stunden freiwillig geküsst habe. Jetzt sträubt sich alles in mir, je wieder in seine Nähe zu kommen.

»Mads?«, fragt River behutsam.

Verwundert sehe ich auf. »Mads?«, wiederhole ich.

Er zuckt bloß mit den Schultern. »Ist mir gerade nur so rausgerutscht. Ich kann dich auch lieber Maddy nennen oder –«

»Nein!«, ich räuspere mich, verlegen, über meine heftige Reaktion. »Mads ist gut.«

Er lächelt. Aber wenn er den wahren Grund kennen würde, warum ich nicht will, dass er mich Maddy nennt, würde das Lächeln ihm bestimmt schnell wieder vergehen.

Tucker. Tucker nennt mich so. Und alles, was mit Tucker zu tun hat, lässt mich jetzt erschaudern, obwohl das Ganze nicht einmal zehn Stunden her ist. Aber es fühlt sich schon an wie ein tiefliegender, immer bleibender Schock.

»Geht's dir gut? Du bist blass.« Rivers Miene ist besorgt und er rutscht ein Stück näher zu mir heran. Erst jetzt bemerke ich, dass er auf einem rollbaren Stuhl sitzt, den er genau neben das Bett geschoben hat.

Ich gehe nicht auf seine Frage ein. »Ist das hier dein Zimmer?«, frage ich stattdessen und sehe mich um.

Er nickt.

Die Wände sind weiß, der Boden aus holzmusterndem Laminat und die Möbel simpel gehalten. Der Schreibtisch steht direkt vor dem Fenster, hinter dem gerade die Sonne aufgeht. Der Raum ist nicht wirklich aufgeräumt, aber auch nicht richtig unordentlich.

Er ist das komplette Gegenteil von meinem riesigen Zimmer, mit den pompösen, verschnörkelten Möbeln, der teuren Deko und dem immer ordentlichen Zustand. Aber das gefällt mir irgendwie.

Mein Blick fällt nun auf das Bett, in dem ich liege. Eine dunkelblaue, große Bettdecke hüllt mich ein. »Und«, ich muss aus einem für mich unerfindlichen Grund schwer schlucken, »ist das hier dein Bett?«

Zwischen uns zwei WeltenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt