Kapitel 26 || River

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Fassungslos starre ich auf die Stelle, an der Madelyn noch vor wenigen Sekunden stand. Ich kann nicht glauben, was so eben geschehen ist. Ich kann nicht glauben, was Tucker, dieser Mistkerl, ihr angetan hat.

Am liebsten würde ich zu ihm gehen und ihm meine Meinung geigen. Oder – noch besser – ihm mitten ins Gesicht schlagen. Bis er blutet. Denn das hätte er mehr als nur verdient.

Aber ich lasse es. Schließlich will ich nicht von der Schule fallen und reiche Kids wie er sind vor dem Gericht immer im Recht, egal, wer der Täter ist.

So langsam verstreut sich die Zuschauertraube wieder und die Schüler gehen ihre eigenen Wege, zu irgendwelchen Kursen. Die angespannte Stimmung verweht und es scheint so, als wäre die Situation von eben nie passiert. Als hätte Madelyn nie gesagt, dass Tucker sie fast vergewaltigt hätte.

Die Wut brodelt in mir und bringt mich fast dazu, meine Prinzipien doch über Bord zu werfen und Tucker zu verprügeln. Aber ich halte mich zurück. Versuche ruhig zu atmen. Und starre dann wieder auf die Stelle, wo Madelyn eben noch stand.

Ich wünschte, sie wäre geblieben.

Ich wünschte, ich wäre für sie da.

Ich wünschte, wir könnten endlich reden.

Die letzte Woche ohne sie war die Hölle für mich. Niemals hätte ich gedacht, dass ich sie so vermissen würde. Niemals hätte ich gedacht, dass sich ohne sie alles so grau und leer anfühlt. Und niemals hätte ich gedacht, dass sie mir wirklich so viel bedeutet.

Ja, ich wusste, dass sie wichtig für mich ist.

Aber so wichtig?

Doch sie bedeutet mir verdammt viel. So viel, dass es mir Angst macht. Dass es mir die Kehle abschnürt. Mir den Atem raubt. Aber mich auch schweben lässt. Meine Haut zum Kribbeln und meinen Körper auf angenehme Art und Weise zum Beben bringt.

Seufzend wende ich mich ab und drehe mich um. Zu meiner Verwunderung steht Tucker plötzlich genau vor mir.

Ich ziehe die Brauen hoch und schaue ihn herausfordernd an. »Was willst du?«

Er lacht nur und sieht mich genauso provozierend an. »Ich will gar nichts von dir. Ich verstehe einfach nicht, was sie an dir hat. Du bist nur ein armer Kerl, der zufällig ein Stipendium bekommen hat. Nichts wird sie bei dir halten. Das ist dir hoffentlich bewusst.«

Die Wut brodelt immer stärker in mir. »Sie hat mehr an mir, als an dir. Du bist einfach ein verdammtes Arschloch. Da hilft Geld auch nicht mehr.« Spöttisch hebe ich eine Braue und sein Gesichtsausdruck wird dunkel.

»Du Mistkerl hast mir meine Freundin ausgespannt«, presst er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Beinahe lache ich, aber unterdrücke es dann doch. »Du solltest dir mal selbst beim Sprechen zuhören, mein Gott. Du hast sie angefasst, als sie es nicht wollte. Du warst nicht nur ein beschissener Freund, sondern auch ein Fast-Vergewaltiger! Ich weiß ja nicht, ob du noch richtig im Kopf tickst, aber wenn du ernsthaft denkst, dass ich der Grund bin, warum sie Schluss gemacht hat, dann würde ich einen Arzt aufsuchen. Vielleicht hast du ja eine Gehirnkrankheit.«

Seine Faust trifft mich mit voller Kraft im Gesicht. Meine Nase gibt ein knackendes Geräusch von sich und sofort spüre ich das heiße Blut, das mein Gesicht hinab läuft. Schmerz durchzuckt mich und meine Dämme brechen.

Die Wut überschwemmt mich vollständig und ich kann nichts dagegen tun. Also schlage ich ihn zurück.

Er zuckt zurück und Blut läuft von seinem Gesicht und über meine Hände. Wutentbrannt hebt er wieder seine Faust und kommt schnell auf mich zu.

Zwischen uns zwei WeltenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt