Kapitel 6 || Madelyn

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Bedächtig streiche ich über den Stoff der Jacke und erwische mich selbst dabei, wie ich sie an meine Wange drücke und den weichen Stoff auf meiner Haut spüre. Kurz schnuppere ich daran. Er riecht so gut, das ist mir schon bei unserem letzten Treffen aufgefallen. Ich seufze tief.

»Was zur Hölle tust du da bitte?«

Erschrocken fahre ich zusammen und drehe mich zu der belustigten Stimme um. Gabriella steht neben meinem Auto und trommelt nun laut gegen die Wagentür, während sie den Kopf durch das offene Fenster steckt und mich fragend ansieht.

Schnell lasse ich die Jacke sinken und stopfe sie in meinen Rucksack. »Nichts«, erwidere ich hastig und lächle sie gezwungen an.

Stirnrunzelnd deutet sie auf die Tasche. »Von wem ist die Jacke?«

Ich räuspere mich kurz und steige dann aus dem Auto aus. »Von Tucker natürlich«, sage ich schnell und gehe voraus, um nicht noch mit mehr Fragen dazu bombardiert zu werden.

Sie sagt tatsächlich nichts mehr zu dem Thema, sondern geht still neben mir her. So still, dass es schon beinahe untypisch für sie ist. Fragend drehe ich mich zu ihr.

»Alles gut bei dir?«

Als wäre sie aus wichtigen Gedanken gerissen worden, schaut sie mich perplex an und nickt dann langsam. Ich glaube es ihr nicht, aber beschließe nicht weiter nachzufragen, wenn sie offensichtlich keine Antwort geben möchte. Also laufen wir still nebeneinander her und reden nicht miteinander.

Bis Cassandra kurz vor dem Schulhaus dazu stößt und Gabriella stürmisch in die Arme zieht. Und mich nicht.

Verwundert und definitiv angepisst schaue ich sie an, aber sage nichts dazu. Sie allerdings beginnt jetzt etwas zu sagen – und zwar redet sie von irgendeiner Sache die Gabriella und ihr gestern passiert ist.

Ich versuche wirklich, mich nicht aufzuregen. Aber ich kann nichts gegen die Wut tun. »Ihr habt euch gestern getroffen?«, frage ich betont unbeteiligt, auch wenn ich innerlich koche. Ob vor Wut, Enttäuschung oder sogar Eifersucht, weiß ich nicht.

Sofort gucken mich beide an, Gabriella mit einem unbehaglichen Ausdruck und Cassandra fast mit einem provozierendem. Ich verstehe nicht, was sie gegen mich hat, ich habe ihr wirklich nie etwas getan. Und eigentlich haben wir uns oberflächlich auch immer ganz gut verstanden.

»Habe ich dir vergessen Bescheid zu sagen?« Sie klimpert mit den langen Wimpern und ich verziehe das Gesicht.

»Schon gut. Ich musste sowieso die Schultour machen.« Ich bringe so viel Würde auf, wie es nur geht und betrete dann das Schulhaus. Cassandra macht mich verrückt und am liebsten würde ich ihr meine Meinung sagen, aber ich war noch nie ein Fan von Streit oder Dramen. Lieber bleibe ich im Hintergrund, auch wenn ich weiß, dass die andere Person etwas nicht richtig gemacht hat. Trotzdem schweige ich und lasse es mich über mich ergehen.

Cassandra und Gabriella haben hinter mir ein angeregtes Gespräch, aber ich höre nicht mehr hin und bleibe an meinem Spint stehen. Sie gehen einfach vorbei, ohne mich zu beachten und ich schüttle den Kopf.

Seufzend ziehe ich meine Bücher aus dem Spint und als ich die Türe wieder zuschlage, springe ich erschrocken einen Satz zurück und japse überrascht auf.

River steht vor mir, seitlich an den Spinten gelehnt. Jetzt lächelt er mich an und es ist ein wirklich schönes Lächeln. Schnell verdränge ich meine lästigen Gedanken.

»Hi?«, mache ich etwas unbeholfen und sein Lächeln wird breiter.

»Guten Morgen«, antwortet er beschwingt und läuft mir sofort hinterher, als ich mich auf den Weg zu meinem ersten Kurs mache.

Zwischen uns zwei WeltenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt