Kapitel 8 || Madelyn

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River ist perfekt. Und zwar so perfekt, dass es mehr als ätzend ist. Er mit seiner beschissenen Ist-mir-egal-was-alle-von-mir-denken Einstellung, seinem dämlichen frechen Grinsen und einem Leben, das nur so nach Freiheit zu schreien scheint. Ihm es egal, dass er hier nicht reinpasst, er macht einfach sein Ding. Er kann so richtig leben, das hat er mir auf dem Dach bewiesen, weiß wie's geht und hat dazu noch so beschissene Talente, wie Klavier spielen, und das bestimmt nur, um irgendwelche Mädchen herumzubekommen. Er scheint all das zu sein, was ich nicht bin.

Und trotzdem ist es bestimmt gut, dass er gegangen ist. Ja, er hat mich verdammt verletzt, aber im Endeffekt hatte er recht. Ich kann es ihm also nicht verübeln, obwohl ich seitdem immer wieder über ihn nachgrüble, ohne es zu wollen.

Das Wasser fühlt sie eiskalt auf meiner Haut an, als ich hinein springe. Kurz friere ich, aber schnell gewöhnt sich mein Körper an die Temperatur und ich beginne, in schneller Geschwindigkeit zu schwimmen.

Ich muss besser sein als gestern, sonst schaffe ich es nicht, bei den Meisterschaften zu schwimmen. Und wenn ich das nicht schaffe, gucken mich meine Eltern wieder mit diesem enttäuschten Ausdruck an, wie sie mich schon einmal angesehen haben, vor zwei Jahren, als ich es nicht geschafft habe.

Zwei ganze Wochen waren sie kalt und distanziert – noch mehr als sonst. Und ich habe es schier nicht ausgehalten, es waren die schlimmsten zwei Wochen meines Lebens.

Nie wieder will ich diesen Blick bei ihnen sehen, ich will sie nie wieder enttäuschen. Genau deshalb muss ich jetzt noch schneller werden.

Fest entschlossen beschleunige ich meine Geschwindigkeit und stoße nach ein paar Sekunden am Beckenrand an. Schnell drehe ich mich um und schwimme wieder zurück.

Atemlos stütze ich mich auf dem Beckenrand ab und drücke den kleinen Knopf auf der Stoppuhr um meinen Hals. Es ist genau eine Sekunde weniger als gestern, aber ich bin noch immer nicht zufrieden. Ich wollte mindestens zwei Sekunden besser sein.

Wütend schlage ich mit der flachen Hand auf das Wasser, sodass es zu allen Seiten spritzt.

Ich hasse es, zu schwimmen. Nicht, dass ich es an sich schlimm finde, aber am Schwimmen für Wettbewerbe habe ich überhaupt keinen Spaß. Ich hasse diesen Konkurrenzkampf und dass man ständig besser und besser werden muss, obwohl man schon alles gibt. Aber das reicht nicht. Nie reicht es. Ich muss immer schneller werden. Schneller. Besser. Nie sagt mir jemand, dass ich es nun geschafft habe und endlich entspannen kann. Immer nur wird mir gesagt, dass es das nächstes Mal sicher noch schneller gehen würde.

Das hängt mir alles so sehr zum Hals heraus, aber ich kann nichts daran ändern. Ich schwimme seit ich ein kleines Mädchen bin und meine Eltern setzten viel darauf.

Seufzend stütze ich mich am Beckenrand ab und ziehe die Schwimmbrille von den Augen. Kurz atme ich tief durch und lasse meinen Körper einfach schwerelos im Wasser schweben.

Die Türe wird aufgerissen und ich fahre erschrocken zusammen.

Ein Typ betritt die Schwimmhalle der Schule, aber ich kann nicht erkennen, wer es ist.

Normalerweise bin ich um diese Uhrzeit hier noch ganz alleine. Niemand kommt auf die Idee, um sechs Uhr morgens in der Schule schwimmen zu gehen.

Außer ich und dieser Typ da.

Dieser nähert sich jetzt dem Becken und als er mich sieht bleibt er ruckartig stehen.

Endlich steht er so nah, dass ich sein Gesicht erkennen kann und mir stockt erschrocken der Atem.

Es ist River.

Missbilligend verziehe ich das Gesicht und mustere ihn. Er trägt eine schwarze Badehose und hat ein Handtuch über die Schulter geworfen. Und leider sieht er ziemlich gut aus, auch wenn ich mich für den Gedanken am Liebsten geohrfeigt hätte.

Zwischen uns zwei WeltenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt