Kapitel 22 || River

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Seit mehr als zwei Wochen versteckt sich Madelyn nun bei mir. Sie schläft in meinem Bett, trägt meine Pullover und kauft sogar zusammen mit mir ein. Endlich ist Essen im Haus und dafür sind auch Austin und Jackie dankbar. Sie verstehen sich echt gut mit Mads und die meisten Abende verbringen wir damit, zusammen zu kochen und danach irgendwelche dummen Filme zu gucken, bevor Jackie zu ihren Nachtschichten los muss. Ab und zu ist sogar Pherb – Austins Fast-Freund – dabei und er ist wirklich ein witziger Kerl.

Natürlich verbringen wir auch viel Zeit damit, uns zu küssen. Irgendwie hat sich das so eingependelt. Aber immer, wenn es droht mehr zu werden, mache ich einen Rückzieher. Ich weiß, dass sie genervt davon ist, aber sie sagt nichts. Die Wahrheit ist, dass ich mich einfach nicht traue, so weit mit ihr zu gehen. Ich habe Angst, dass danach alles anders sein wird.

Sie spricht mich auch nicht mehr nach den Küssen auf meine Gefühle an und verlangt nicht, sie ihr zu nennen oder überhaupt zu benennen. Vielleicht reichen ihr die Küsse als Platzhalter für meine fehlenden Worte.

In der Schule gehen wir Tucker und den anderen so gut es geht aus dem Weg, aber ich spüre, wie sie Madelyn angeekelt anstarren. Uns ist klar, dass sie in Kontakt mit ihren Eltern stehen und wir schließen schon Wetten darüber ab, wann sie bei mir zuhause aufkreuzen oder Madelyn einfach vom Schulgelände schleppen. Sie selber ignoriert noch immer die ganzen Nachrichten und Anrufe.

Aber ihr geht es gut. Sie lacht viel und sie scheint ... glücklich zu sein. Und ich bin ein Teil an ihrem Glück, was mir wiederum mehr bedeutet, als sie zu ahnen scheint.

Noch immer halte ich sie von meiner Familie fern. Nicht, weil ich mich schäme. Sie weiß schließlich jetzt alles. Nein – ich halte mich fern, weil ich selbst beschlossen habe, anzufangen, glücklich zu sein, jetzt wo ich auch noch die perfekte Voraussetzung dazu habe. Nämlich sie.

Rory versteht das. Rory versteht sowieso alles. Und sie ermutigt mich, hält mich aber trotz allem auf dem Laufenden. Meine Mutter hat sich aufgerafft und geht wieder zu den Selbsthilfetreffen. Ich bin froh darüber, denn sähe ich keine Verbessrung, würde ich Rory nicht mit ihr alleine lassen.

Kenzie, Mia und Louis habe ich auch eine Weile nicht mehr gesehen. Mia und Louis meinten, dass ich mich erstmal eine Weile fernhalten solle, bis Kenzie sich beruhigt hat. Ich weiß, dass sie es nur gut meinen, aber es verletzt trotzdem. Doch ich weiß, wie gern sie mich haben. Sie werden mich nicht einfach fallen lassen, sondern sich wirklich bei mir melden, wenn sich die ganze Sache wieder etwas gelegt hat.

Madelyn hat heute länger Schule und ich habe beschlossen, mal wieder alleine einkaufen zu gehen. Und zwar endlich mal wieder Gemüse. Denn Madelyn kauft vor allem nur Schokolade und Nudeln. Ich kann es ihr aber nicht verübeln. Bei ihr zuhause gab es immer nur gesundes Zeugs und nie Süßigkeiten, oder irgendetwas, was dazu beitragen könnte, zuzunehmen. Und so sehr ich ungesunde Leckereien mag – mein Magen sehnt sich mal wieder nach einem richtig gesunden Essen.

Im Supermarkt ist kaum etwas los. Die meisten Menschen hocken jetzt noch in ihren Büros oder in der Schule. Deshalb habe ich freie Fahrt und lasse mir Zeit, verschiedenes Essen in den Wagen zu packen und schon zu überlegen, was ich damit kochen könnte. Natürlich lassen meine Gedanken eine gut gelaunte Madelyn, mit Austins alberner Weihnachtskochschürze an, nicht aus.

Als ich gemächlich an der Alkoholabteilung vorbeirolle, halte ich abrupt inne.

Kenzie steht vor dem Regal und besieht sich die verschiedenen Flaschen. In ihrer Hand baumelt ein Korb, in dem sich schon eine Weinflasche und zwei andere Flaschen, deren Inhalt ich nicht definieren kann, liegen.

In diesem Moment erblickt sie mich und lässt vor Schreck fast den Korb fallen. Doch im letzten Moment räuspert sie sich und ihre Miene wird scheinbar gleichgültig. »River.«

Zwischen uns zwei WeltenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt