Kapitel 28 || River

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Der Alkohol ist logischerweise noch immer nicht aus meinem Blut raus. Obwohl mittlerweile ein paar Stunden vergangen sind und es schon Nachmittag ist, fühle ich mich abwechselnd noch immer etwas angetrunken oder mir geht es richtig dreckig. Möglicherweise habe ich das ja auch verdient. Schließlich bin ich ein Angsthase.

Seufzend drehe ich mich auf den Rücken und starre an meine Zimmerdecke. Ich kann mich daran erinnern, wie ich genauso lag, als ich Madelyn frisch kennengelernt habe. Damals schaute ich die Fotos von mir und meinen Freunden an, die hier über meinem Bett hängen, und stellte mir vor, wie gut sie dazwischen aussehen würde.

Ich denke das noch immer.

Doch noch immer habe ich kein Bild von ihr, weil ich nie auf die Idee gekommen bin, sie zu fotografieren. Wie dumm von mir.

Austin ist mittlerweile von der Arbeit zurück, aber hat sich mit Pherb in seinem Zimmer verkrochen. Ich glaube zwischen denen ist wirklich etwas Ernstes. Etwas, was ich von Austin nicht gewöhnt bin. Aber ich gönne es ihm von ganzen Herzen.

Wenn es so weiter geht, dass er so erwachsen und vernünftig wird – damit meine ich, dass er regelmäßig zur Arbeit geht und eine Beziehung führt –, dann bin ich mir sicher, dass er bald auszieht.

Was hält einen fast fünfundzwanzig jährigen noch in einer WG mit einem Fast-noch-Teenager und einer jungen Frau, die irgendwelche Traumen mit sich schleppt?

Aber wenn er wirklich auszieht, werde ich ihn vermissen. Und zwar sehr vermissen. Er ist einer der tollsten Menschen, die ich jemals getroffen habe. Er und Jackie haben mir mit sechzehn das Gefühl gegeben, endlich ein zuhause gefunden zu haben. Und dafür werde ich ihnen immer dankbar sein.

Seufzend rolle ich mich auf meinen Bauch und schnappe mein Handy vom Nachttisch. Erschrocken stelle ich fest, dass mir Rory geschrieben hat. Sofort öffne ich die Nachrichten und mein Herz sackt mir fast bis in die Hose.

Du musst sofort herkommen, steht da einfach nur. Keine Erklärungen, keine verpassten Anrufe. Nur diese einfache Nachricht, die schon vor fast zwanzig Minuten verschickt wurde.

Angst macht sich in mir breit. Was ist bloß passiert? Sofort springe ich auf und renne zur Haustür. Dort zwänge ich mich in meine Schuhe und nehme kurzerhand das Skateboard. Es ist schneller, falls Berufsverkehrstau herrscht, was um diese Uhrzeit definitiv der Fall sein könnte.

Noch nie bin ich so schnell gefahren wie heute. Ich rase an allen Leuten vorbei, fahre beinahe welche um, die mir dann wütend hinterherrufen. Aber mir ist das alles sowas von egal.

Die Panik und Angst macht sich immer weiter in mir breit.

Was, wenn etwas Schreckliches mit Mom passiert ist?

Wenn sie wieder getrunken hat?

Wenn sie möglicherweise Rory dabei wehgetan hat?

Hektisch krame ich beim Fahren mein Handy aus der Tasche, auch wenn das mehr als gefährlich ist, bei dem Tempo, das ich hinlege. Aber es ist mir egal.

Schnell wähle ich Rorys Nummer. Doch sie geht nicht ran.

»Verdammt!«, brülle ich, woraufhin ich von vielen Passanten schief gemustert werde.

Ich ignoriere sie und fahre nur noch schneller.

Als ich wenige Augenblicke später vor dem Häuserblock stehe, springe ich vom Board und ziehe zitternd den Schlüssel aus der Tasche.

Vor dem Haus steht ein alter, schwarzer Van, der bestimmt auch schon bessere Tage gesehen hat. Ich schiebe mich an ihm vorbei und betrete das graue Treppenhaus.

Zwischen uns zwei WeltenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt