Geist

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Dieser Morgen im Düsterwald begann mit einem ungewöhnlichem Bild. Die wärmende Sonne, welche diesen Ort sonst mied, blitzte durch die schwarzen Äste der hohen Baumkronen und erfüllte den Hof des Königs mit gleißendem Licht.

Die Sonnenstrahlen brachen energisch durch das Fenster des Schlafzimmers in dem der König immer noch friedlich schlief. Er lag alleine zwischen den sauberen Decken und Laken. Die hellen Strahlen der Sonne schienen ihm aufdringlich ins Gesicht. Thranduil wachte auf und blinzelte verschlafen in die Sonne. Suchend tastete seine Hand die linke Seite des Bettes ab. Sie war noch warm, jedoch leer.

In diesem Augenblick betrat Nerwen das Zimmer.

"Ihr seid schon angezogen?", fragte der König verschlafen und rieb sich die Augen. Vielleicht in der Hoffnung, dann ein anderes Bild vor seinen Augen zu sehen. Doch änderte sich nichts. Nerwen stand angezogen und gewaschen, fertig für ihren ersten Tag bei Hofe vor dem Bett dessen Herrscher. 

"Guten Morgen.", sagte sie und tat so, als hätte sie die Bemerkung seinerseits nicht gehört.

Ein Lächeln schlich sich auf die Lippen des Königs, er verstand. 

"Vermutlich habt ihr Recht.", sagte Thranduil und erhob sich aus seinem geliebtem Bett. "Wäre ich ein Prinz.", setzte er an und ging auf Nerwen zu. "Dann würden wir beide wahrscheinlich gerade durch diesen Garten da draußen spazieren und uns über die vergangenen Tage des Ring Krieges unterhalten und die edlen Taten des Herrn Frodo Beutlins bewundern." Sagte er mit einem Blick auf den königlichen Garten, der mehr tot als lebendig war. 

"In der Anwesenheit von Anstandsdamen selbstverständlich.", fügte der König noch hastig hinzu.

"Aber ihr seid kein Prinz, nicht wahr, mein Herr?", Nerwen hob provokant ihre Augenbraue, gleichzeitig lag jedoch der Klang von Unterwerfung und Ehrfurcht in ihrer Stimme. Diese doppelte Persönlichkeit der blonden Elbin ließ Thranduil einen angenehmen Schauer über den Rücken laufen. Ihre Art hatte etwas erfrischendes. Wie eine kalte Brise im Spätherbst, die die braunen Blätter durch die Luft fliegen ließ.

"Nein, ein Prinz bin ich wahrhaftig nicht.", sagte Thranduil, der nun auch den letzten Knopf seines dunklen Hemdes geschlossen hatte und die ebenfalls dunkle Robe über seine Schultern warf. 

Er bot Nerwen einladend seinen Arm an und zaghaft hakte sie sich bei ihm ein. Gemeinsam verließen sie Thranduils Schlafgemach und betraten die langen finsteren Gänge der Hallen. Sie waren aufmerksam und bedacht, niemand sollte sie entdecken. Für Mägde und Soldaten waren die beiden mit ihren langen Gewändern ein dunkler Schatten, eins mit der Dunkelheit.

Thranduil führte Nerwen an eine dunkle Eichentür, welche von schweren grünen Vorhängen verborgen wurde. Sie war niedrig, doch ein Zwerg würde hindurch passen.

Thranduil murmelte etwas in einer Nerwen unbekannten Sprache, dann knackte das Schloss der Tür. Ein Kalter Windzug rauschte durch die winzige Spalte zwischen Stein und Tür.

Thranduil öffnete die Tür, duckte sich und zwängte sich in den Gang. "Komm mit mir.", sagte er mutmachend zu seiner Begleiterin. Sie hatte Angst. Sie lief geradewegs in die Dunkelheit, eng bedrängt von kaltem Stein. Nirgendwo gab es nur einen einzigen Schimmer Tageslicht.

Doch Nerwen folgte dem König. Sie bückte sich ebenfalls und lief, ja sie kroch fast über den rauen Boden. Kaum hatte sie den Tunnel betreten, krachte die Eichentür wieder hinter ihr ins Schloss. Nerwen zuckte erschrocken. Panisch krabbelte sie zu Thranduil, hielt sich ängstlich an ihm fest.

"Hab keine Angst. Dieser Tunnel wurde vor tausenden von Jahren von Zwergen erbaut, als noch eine Bündnis zwischen Zwergen und Elben bestand. Lange vor der Zeit von Durin dem Unsterblichen. Mein Vater saß zu dieser Zeit gerade auf dem Thron dieses Landes.", erklärte der König in der Hoffnung, dass Mädchen ein wenig zu beruhigen. Er entzündete ein Sternenlicht gefangen in einer Kette, welche um seinem Hals hing.

Das Licht tanzte wild und voller Euphorie durch den Glas Tropfen. In diesem Augenblick dachte Thranduil hinter Nerwen eine Frau stehen zu sehen. Er erschrak und ließ ihre Hand los. Thranduil versuchte sich die Sache logisch zu erklären und kam zu dem Schluss, er hätte halluziniert, das kommt schonmal vor.

Besorgt sah Nerwen den König an: " Ist etwas? Du siehst so blass aus, noch mehr als sonst." Besorgt legte sie eine Hand auf seine Wange. Er ergriff sie und umschloss sie fest.

"Wir sollten zurück gehen.", sagte Thranduil dringlich. "Ich wollte dir etwas zeigen, aber ich vergaß, wie lang der Tunnel war und für so eine lange Strecke bist du nicht ausreichend gestärkt. Du hast ja noch gar nicht gefrühstückt.", sagte er hektisch und schob Nerwen zurück Richtung Tür, diese kippte dabei nach hinten um.

Augenblicklich schwang die Tür knarrend auf und Nerwen lag wieder auf dem kalten Granit Boden des Schlosses. Thranduil überlegte. Die Tür ließ sich ausschließlich nur mit einem Passwort öffnen. Verzauberte Türen öffnen sich nicht einfach so, dachte er zumindest. Nun trat auch Thranduil aus dem Tunnel hervor und nahm Nerwen in den Arm, die wieder auf beiden Beinen stand. Er umschloss sie fest mit seinen Armen, vergrub sein Gesicht in ihren Haaren und sog den Geruch, den er so liebte und welcher in jedesmal aufs Neue verführte in sich auf.

"Lass uns etwas Essen gehen.", sagte Nerwen, die anscheinend wirklich sehr hungrig war, denn ihr Magen gurgelte schon den ganzen Morgen vor sich hin.

"Natürlich, alles was du möchtest.", Thranduil löste sich aus der Umarmung und nahm Nerwen and der Hand. Gemütlich schlenderten sich zurück zu Thranduil Gemach, wo bereits ein prachtvolles Frühstück auf sie wartete.


I see it in your eyes (Thranduil ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt