Bring mich nachhause

1.4K 70 4
                                    


Stürmisch und mit kaltem emotionslosen Blick betrat Thranduil die Stallungen. Es war dunkel und er blickte sich suchend um. Seine Anwesenheit füllte den Raum mit Kälte. Er war kalt. Er war wie ein mächtiger Eisberg. Oberflächlich gesehen einfach einseitig mit einer frostigen herzlosen Seite, aber das was tief unter dem Meeresspiegel lag, die gefühlvolle und liebenswerte Seite, konnte niemand sehen. Niemand, außer Nerwen. Sie vermutete, dass der König mehr als nur ein kaltblütiger Regent war.

Thranduil sah nach rechts, als er ein vertrautes Geräusch vernahm. Dort standt majestätisch zwischen den anderen gewöhnlichen Pferden sein Reittier. Ein imposanter Hirsch. Er gehörte wohl auch zu den wenigen, die Thranduil als liebenswert und warmherzig betrachteten.

"Komm, mein Freund.", sagte der König und griff das gesattelte Tier an der Trense und führte es nach draußen ans Tageslicht. Die Sonne wurde von finsteren Wolken bedeckt, als der König ins Licht trat. Sofort vielen alle Augen auf ihn. Schockiert und hilflos standen diese Elben um ihren geköpften Fürsten. Planlos liefen sie in der Gegend herum. Thranduil schüttelte nur seinen Kopf und drehte sich von den unverständnisvollen Blicken weg. Er wollte nur noch weg von diesem elendigen Ort, aber vorher würde er noch Nerwen holen.

"Warum?", eine schluchzende zarte Frauenstimme kämpfte sich durch die erdrückende Stille. Thranduil hielt inne und unterbrach seinen Weg zu Nerwen, doch er drehte sich nicht um.

"Warum, habt ihr ihn getötet?", spuckte die Frau Thranduil hinter her, welche wahrscheinlich die Frau oder Tochter des Fürstens gewesen sein muss. "Er hat euch nichts getan!"

Thranduil wirbelte herum, doch die platinblonden Haare wehten nicht so leicht wie sonst, der herabfallende Regen erschwärte die weichen Stränen.

Seine Augen bohrten sich wie Eisblitze durch das gebrochene Herz der jungen Elbin, die trauernd vor dem toten Körper lag.

"Ihr seid ein Monster!", beschimpfte sie den König mit zitternder Stimme. "EIN MONSTER!"

"Sprecht nicht zu mir von Monstern! Ihr liegt gerade selbst neben einem.", brüllte er mit donnernder Stimme. "Der Mann, den ihr verteidigt, hatte es nicht verdient auch nur eine Sekunde länger zu leben." Er erinnerte sich an Nerwen, die vor wenigen Augenblicken schmerzerfüllt vor seine Füße viel und nicht mehr stehen konnte.

Bedrohlich ging er mit schnellen Schritten auf die Elbin zu. "Ihr verdeidigt einen Schänder." Er fixierte sie mit seinen frostigen Blicken. "Einen Vergewaltiger" Seine Linke Hand glitt zu seinem silbernen Schwert. "Einen Mörder." Er zog das Schwert aus der Halterung. "Und einen abgehobenen Narren, der Gott spielt."

Die silberne Klinge küsste vorsichtig den zarten Hals der Elbin. Voller Angst blickte sie zu Thranduil, Tränen bildeten sich in ihren Augen, doch der Regen verwischte sie im Gesicht und es schien so als wären sie nie da gewesen.

"Werdet ihr mich jetzt töten?", die braunen warmen Augen flehten ihn an.

"Wollt ihr das denn?", fragte er und sah sie eindringlich ein.

Mit letzter Kraft schüttelte die Frau ihren Kopf. Die nassen Haare, die nasse Kleidung, sie sah aus wie ein Häufchen Elend.

"Seht ihr.", Thranduil lies vom Hals der Elbin ab und steckte sein Schwert zurück in die Halterung. "Ihr wisst genauso gut wie ich, dass er es nicht wert war."

Mit diesen Worten drehte er sich um und setzte seinen Weg fort. Zurück ließ er ein verunsichertes Volk, eine trauernde Frau und einen Toten. Es war ihm im diesen Moment gleichgültig, ob er damit eine Familie zerstört hatte oder ein paar hundert Elben um ihre Existenz brachte. Es war ihm egal. Für ihn machte es keinen Unterschied.

Er ließ seinen Hirsch vor der Krankenstation stehen und trat ein. Durchnässt stand er im Türrahmen und blickte auf Nerwen. Schwach erwiederte sie Thranduils liebevollen und mitfühlenden Blick. Er setzte sich neben sie auf das kleine schmale Bett. Zärtlich griff er nach ihrer Hand.

"Ich bring dich nachhause.", sagte er und strich ihr sanft die blonden Haarsträhnen aus dem Gesicht, sie verdeckten so viel von ihrer Schönheit. Sie lächelte schwach.

"Nachhause?", fragte sie.

"Mein Palast. Dein zukünftiges Zuhause.", der König zwang sich ein mildes Lächeln für Nerwen aufzusetzen.

"Als Dienstmädchen?", fragte sie und spottete dabei ein wenig über sich selbst.

"Nein.", sagte Thranduil und drückte sanft ihre Hand. "Als Lady Nerwen."

Nerwens Augen fingen an zu strahlen. Sie leuchteten regelrecht. Und sie sagten ja, ja zu Thranduil und zu allem an ihm. Er hatte ihr gezeigt, wie wertvoll sie eigentlich ist. Sie ist nicht nur eine minderwertige Zofe, die den ganzen Tag Wäsche macht. Sie war eine Frau und sie hatte einen Wert. Sie war kein Objekt.

"Dann bringt mich nachhause.", sagte sie und musste grinsen, was Thranduil ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Ein Echtes diesmal.

Die Krankenhelferinnen halfen Nerwen auf und zogen ihr einen warmen Mantel an. Thranduil zog sie auf den großen Hirsch und setzte sie vor sich. Nerwen lehnte sich an die starke Schulter des Königs und genoss das Gefühl von Sicherheit.

Der König und Lady Nerwen ritten über den nassen Waldboden. Der kleine Weg führte sie geradewegs auf die Hauptstraße, direkt zu Thranduils Hallen. Die schwarzen und toten Bäume hielten ein wenig den starken Regen davon ab, den König und seine Begleitung zu ertränken. Doch die Wolken umschlossen immer mehr den Düsterwald und brachten eine bedrohliche Finsternis mit sich.

"Ab jetzt werden die Tage wieder heller aussehen."


I see it in your eyes (Thranduil ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt