Alte Freunde

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Eine ganze Weile schon saß Nerwen hoch oben auf einem Vorsprung, der schon vor Jahrtausenden aus dem Stein gerissen wurde. Frei ließ sie ihre Beine baumeln und genoss die Ruhe, die die Einsamkeit mit sich brachte. Versunken in ihren Gedanken und ihrer Trauer merkte sie nicht, wie sich ihr jemand näherte.

"Ihr seht niedergeschlagen aus.", sprach sie eine starke weibliche Stimme an.

Hastig und verschickt fuhr Nerwen herum. Sie schluckte ihren Schrecken herunter und atmete erleichtert aus. Verwegen strich sie sich eine lockere Strähne hinters Ohr. Die junge Elben, die sie so eben aus den Gedanken gerissen hatte, grinste schelmisch. "Ich habe euch erschreckt."

Freundschaftlich bot sie Nerwen ihre Hand an. Diese nahm sie dankend an, doch zu ihrer Überraschung hatte die Unbekannte kein Interesse daran ihr aufzuhelfen. "Oh nein, ich stelle mich euch nur höflich vor, Nerwen. Mein Name ist Tauriel." Die Rothaarige löste den freundschaftlichen Händedruck und wende sich von der zierlichen Gestalt Nerwens ab. "Das ist die erste Lektion, die ihr lernen solltet: vertraut nie auf die Hilfe eines Fremden."

Nerwen lächelte milde: "Ich tat es schon und ich wurde nicht enttäuscht." Sich des Sieges der Argumentation gewiss, sah sie der rothaarigen Elbin eindringlich in die Augen. Sie würde nicht nachgeben. 

Der Ton verschärfte sich: "Steht auf!"

Nerwen verkreutzte ihre Beine und lehnte sich entspannt zurück, frech grinste sie Tauriel an. "Wieso sollte ich?"

Etwas verblüfft zog Tauriel eine Augenbraue hoch und musterte ihre neue Bekanntschaft. "Was seid ihr, ein Kind?"

Sie drehte sich um und ging. Etwas beschämt blickte Nerwen zu Boden, wahrlich war das kein Verhalten, was man von einer erwachsenen Persönlichkeit erwarten würde. Doch was wollte diese Elbin von ihr? Sie musste ihr nicht gehorchen und ihre durchgängige belehrende Art nervte sie.

Nerwen entschied sich ihr nachzulaufen. Sie musste einen kleinen Zahn zu legen. Die Rothaarige hatte lange Beine und bewegte sie grazil vorwärts wie ein junges Einhorn und genauso schnell war sie auch. Leicht nach Luft ringend kam Nerwen neben ihr an und versuchte bei ihrem Stechschritt mit zu halten. "Ich bitte um Entschuldigung.", flüsterte Nerwen angesichts ihres Luftmangels.

"Akzeptiert.", sagte Tauriel trocken und setzte ihren Weg fort.

Nerwen holte wieder auf "Was wolltet ihr eben von mir?"

Augenblicklich hielt Tauriel an und stellte sich Nerwen gegenüber. "Euch ein Angebot unterbreiten. Ihr steht nicht länger unter dem Schutz eures Königs und die dunklen Armeen klopfen an die Türen des Elbenreiches. Verschafft euch selber den Schutz, den ihr benötigt."

Fragend sah Nerwen Tauriel an. "Ihr kennt Thranduil?"

Tauriel sah in Erinnerung schwelgend zum Himmel. "Ja, zumindest dachte ich, ich würde ihn kennen." Tauriel setzte ihren Weg fort und ließ Nerwen an Ort und Stelle zurück.

Genervt von der Unaufhaltsamkeit dieser Frau verdrehte Nerwen die Augen.

"Ich nehme euer Angebot an.", rief Nerwen ihr nach. Abrupt blieb Tauriel stehen. Nerwen konnte ihre Handlung nicht deuten, da die Rothaarige mit dem Rücken zu ihr stand doch eine gewisse Handbewegung die sie an wies ihr zu folgen, überzeugte die junge Elbin. Sie schloss wieder zu Tauriel auf und ging ebenfalls mit langen großen Schritten neben ihr her.

"Es wird nicht einfach.", versuchte Tauriel Nerwen einzuschüchtern.

"Das ist mir bewusst.", sagte diese entschlossen. Tauriel hatte Recht. Es ist genug Zeit vergangen in der sie sich auf die Hilfe und den Schutz der anderen verlassen hat. Sie konnte weder ihr eigenes Leben schützen, noch das eines Hilfebedürftigen und das führte immer wieder dazu, dass sie ausgenutzt werden konnte, zumindest in der Vergangenheit. Es stimmte Thranduil trug sie immer auf Händen, doch nun wo er fort war, war sie wie jede andere Elbin. Allein und schutzbedürftig. Und wie das enden würde, hatte sie vor ein paar Tagen am eigenen Leib selbst erfahren.

Angekommen am Rande der Stadt machte Tauriel Halt. Sie öffnete die Tür zu einer Halle unter den Bergen. Fackeln und verschiedene Arten von Lichtquellen erhellten die finstere Höhle. 

"Setz dich.", Tauriel drückte Nerwen auf einen Hocker, der an einer Art Sammelstätte für Rüstungen und Ähnlichem platziert war. Ohne das ein Wort gewechselt wurde, wies Tauriel eine Elbin dazu an sich Nerwen ihrer anzunehmen. Ohne zu zögern begann diese Nerwens Haare zusammenzunehmen. Danach wies die schweigsame Elbin sie an aufzustehen.

"In diesen Hallen werden unsere Krieger ausgebildet. Elben und...", Tauriel deutete mit ihrer Hand in die Runde. "Zwerge. Seitdem unser Volk bedroht wird, sind wir dankbar für jede Hilfe, die uns angeboten wird."

Etwas unsicher sah Nerwen Tauriel in die Augen. "Meint ihr es gibt Hoffnung? Ich hab Dlak mit eigenen Augen kämpfen sehen, er ist ein Barbar und seine Armee ist stark."

Ernst sah Tauriel sieh an. "Hoffnung gibt es immer. Auch, wenn du sie nicht sehen kannst."

Nerwen nickte stumm.

"Also, fangen wir an." Tauriel reichte Nerwen ein Schwert. 

Verdutzt sah diese sie an. "Aber das ist ja aus Holz."

"Sind wir mal ehrlich, was habt ihr erwartet?", Tauriel grinste "Na los, hopp, hopp. Wir wollen sehen, was ihr könnt.", hastig scheuchte sie die blonde Elbin vor sich her.

Entmutigt stieß Nerwen ihren heißen Atem aus. "Oh man."

I see it in your eyes (Thranduil ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt