Müde fiel ich ins Bett und schlief beinahe sofort ein.
Ein tiefes grollendes Geräusch durchbrach die gespenstische Stille der Nacht, die in Dark Hollow herrschte. Scheinwerferlicht erhellte die alte Straße, blendete die Geister, die im dichten Nebel, der in den Vorgärten und auf den Gehwegen waberte, beinahe mit der Umgebung verschmolzen. Langsam näherte sich das Grollen.
Aus dem Nebel tauchte ein großes, lackschwarzes Motorrad auf, das langsam die Midnight Alley hinab fuhr. Knapp unter dem Lenker, im schwachen Schein einer Straßenlaterne konnte man die silbernen geschwungenen Initialen "V.H." erkennen.
Der Fahrer dieses Motorrads war unter seinem schwarzen Helm nicht zu erkennen. Er trug eine Lederjacke, zerrissene schwarze Jeans und schwarze Lederboots. Seine Hände waren umschlungen mit ebenfalls schwarzen fingerlosen Handschuhen. Alles in allem gab der Unbekannte einen angsteinflößenden Eindruck ab. Ihm würde man ungern nachts alleine auf der Straße begegnen.
Der Kopf des Fahrers schwenkte schon beinahe inspizierend nach rechts und wieder nach links, als würde er sich ganz genau merken wollen, wie jedes einzelne Haus aussah. In einem Haus brannte jedoch, trotz dass es mitten in der Nacht war, noch Licht in einem Zimmer im ersten Stock. Es war das Haus mit der Nummer 3, vor welchem der Unbekannte sein Motorrad zum Stehen brachte, seinen Kopf anhob und direkt in die Augen eines jungen Mannes mit erdbeerblonden Haaren schaute, der seinen Blick erwiderte und die Augenbrauen verwirrt zusammenzog.
Dann, als hätte ihn jemand gerufen, gab der Fremde Gas und entfernte sich aus dem Sichtfeld des Hausherren von Midnight Alley 3. Nur noch das fahle rote Rücklicht des Motorrads war durch den Nebel zu erkennen.
Das Motorrad fuhr nicht nach Wincrest weiter, nein, es bog direkt in die Gloom Gardens ab. Abermals prägte sich dessen Fahrer seine Umgebung gut ein, bis er sein Gefährt wendete und durch ein riesiges Tor aus schon teilweise rostigem alten Eisen fuhr.
Es war das Tor zu Gloom Park.
"Jimin, kannst du mir die weiße Schokolade aus dem Vorratsraum holen?", rief ich meinem besten Freund zu, der gerade vorne im Laden stand und einige der selbstgemachten Pralinen in der Theke drapierte. Konzentriert und ohne aufzuschauen erhielt ich ein kurzes "Ja" als Antwort. Zufrieden widmete ich mich wieder meiner Arbeit.
Es waren nun einige Tage vergangen, in denen ich Namjoon nicht mehr gesehen hatte. Generell gab es in dieser Zeit keine übernatürlichen Vorkommnisse, bis auf ein paar Geister, die man nachts in der Dunkelheit tuscheln hören konnte. Ich hatte das Gefühl, dass mir der Kontakt mit dem Vampir in gewisser Weise die Augen geöffnet hatte. Es hatte mir die Augen für die Welt der übernatürlichen Kreaturen geöffnet. Denn seit Neuestem, genau genommen seit vorgestern Abend, konnte ich auf einmal Geister sehen.
Es passierte, als ich gerade hinaus zum Briefkasten schlenderte, da ich morgens vergessen hatte die Post ins Haus zu holen. Die Uhr hatte auf halb neun gestanden, als ich die Haustür geöffnet, hinaus auf den Schotterweg gestapft war und zwei Geister erwischt hatte, wie sie durch meinen Vorgarten schwebten. Ich wollte zwar nicht zugeben, dass ich mich erschreckt hatte, aber... ich bin fast auf meinem Hintern gelandet, als ich die zwei Gestalten im Augenwinkel bemerkte.
Hoseok wäre vermutlich vor Lachen gestorben und hätte gemeint, dass es für mich ja eigentlich nichts Besonderes mehr sein sollte einen Geist zu sehen. Aber im Gegensatz zu dem lustigen Poltergeist wurde einem der Begriff "Geist" beinahe ins Gesicht geschleudert. Normale Geister waren nichts im Vergleich zu einem Poltergeist. Während Hoseok noch mehr oder weniger menschlich aussah und nur ein wenig an Farbe verloren hatte, waren diese Kreaturen der Inbegriff von Übernatürlich. Sie sahen nicht einmal ansatzweise nach einem Menschen aus.
Ihre Körper waren durchsichtig und irgendwie verschwommen. Bekleidet waren diese Wesen mit zerrissenen Fetzen, die die Bezeichnung "Kleidung" eigentlich nicht verdient hatten. Leere Augenhöhlen schauten ihn an, die die verzerrten Grimassen des fahlen Gesichts noch gruseliger wirken ließen. Zu sagen ich hätte Angst wäre übertrieben. Ich hatte keine Angst. Respekt, das würde wohl eher zutreffen. Zudem konnte ich getrost darauf verzichten mit einem Geist an einem Tisch zu sitzen.
Schon bei dem Gedanken daran, wie viele Geister wohl im Keller oder im Speicher meines alten Hauses wohnten, graute es mir. Dabei waren Geister wohl noch die geselligsten und vor allem harmlosesten unter den Schattenwesen.
Meinen Kopf schüttelnd, um die unangenehmen Gedanken zu vertreiben, begann ich die Schokolade in einem Wasserbad zu schmelzen. Ich war scheinbar so abwesend, dass ich gar nicht bemerkt hatte, wie Jimin mir die Packung auf die Arbeitsfläche gelegt hatte. Als ich die nun flüssige weiße Schokolade in kleine Förmchen gegossen hatte und pinken Glitzer und je ein kleines Zuckerherz darauf platziert hatte, stellte ich das Tablett zum Abkühlen in den Kühlschrank.
Ein Lied vor mich her summend, wusch ich mir schnell die Hände, löste den Knoten der weißen Schürze und hängte sie an ihren vorgesehenen Haken an der Tür. Aus dem Laden hörte ich Jimins Kichern. Verwundert zog ich eine Augenbraue nach oben und verließ die Küche. Der Orangehaarige stand an der Theke. Einen Unterarm hatte er auf die hohe Theke gestellt und legte seinen Kopf darauf ab. Ja, das war eindeutig die Pose die er einnahm, wenn er flirtete.
Und dann sah ich auch schon den Grund dafür und ja, ich konnte es eindeutig nachvollziehen. Vor der Theke stand ein Mann, denn ich noch nie zuvor gesehen hatte. Er war definitiv sehr attraktiv, das musste man ihm lassen.
Braune Augen, nicht zu harte Gesichtszüge, etwas längere schwarze Haare, die ihm lockig an den Seiten ins Gesicht fielen: Dieser Typ passte auf jeden Fall in Jimins Beuteschema. Und auch der Fremde schien Jimins Anblick nicht kalt zu lassen. Lässig hatte der Schwarzhaarige seine Hände in die Hosentasche seiner schwarzen Lederjacke gesteckt und sah Jimin tief in die Augen. Die Beiden schienen sich angeregt zu unterhalten.
Um nicht so zu wirken als würde ich sie belauschen, fing ich an die Theke ein wenig aufzuräumen und betrachtete dabei die Kleidung des Mannes etwas genauer. Seine Lieblingsfarbe war vermutlich schwarz, denn ich fand, außer seinem silbernen Schmuck, nichts, was eine andere Farbe hatte. Kombiniert zu der schwarzen Lederjacke trug er ein schwarzes Shirt mit einem etwas zu großen Ausschnitt und eine ebenfalls schwarze ausgewaschene Jeans. An seinen Ohren baumelten einige Ohrringe und um seinen Hals trug er eine silberne Kette mit einem kleinen Kreuz als Anhänger.
Schließlich wandte sich Jimin mir zu. Seine Augen strahlten und seine Lippen hatten sich zu einem breiten Lächeln geformt. "Hey Jin, hast du Lust gleich noch mit uns in eine Bar zu gehen?" Bittend sah er mich an und ohne zu zögern nickte ich. "Na klar, warum nicht.", lächelte ich zurück und ließ meinen Blick einen Moment zu dem Schwarzhaarigen schweifen.
Als ob ich meinen besten Freund mit einem wildfremden Typen, den er vor fünf Minuten kennengelernt hatte, nachts in eine Bar gehen lassen würde. Der könnte sonst was mit Jimin anstellen.
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Na, wer hat eine Idee wer V.H. ist?
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•Desperate Vampire• ~ Namjin
Hayran Kurgu"Verzweifelter Vampir sucht lieben Blutspender. Bei möglichem Interesse melden Sie sich bitte bei folgender Adresse: Gloom Gardens 11a" Die Anzeige stand Donnerstag Morgens in der Zeitung. Jin war sich sicher, es wäre nur ein dummer Scherz. Doch das...