TW: SELBSTVERLETZUNG, SELBSTHASS
Mit einen Stöhnen wachte Remus Lupin auf. Er lag in einem Bett im Krankenflügel, wie so oft am Morgen nach Vollmond. Verbände lagen um seinen Körper und er hatte Kopfschmerzen. "Ah, Sie sind wach! Ich will Sie mir noch einmal ansehen, dann können Sie aber auch gehen." Madam Pomfrey begann, die Verbände zu lösen und nickte zufrieden: "Bis in einem Monat, Mister Lupin!" Remus stand auf, zog sich seine Schuhe an und schlüpfte in seine Robe. Auf seinem Weg nach draußen kam er an einem Bett vorbei, in dem ein bekannter Junge lag. Sirius Black! Dicke Verbände lagen um den gut trainierten Körper, die grau- blauen Augen waren geschlossen und das so oft grinsende Gesicht war blass. Plötzlich war die letzte Nacht wieder da.
Remus jaulte und brüllte vor Schmerz, während er sich verwandelte. Dann stand er plötzlich im Raum: ein großer schwarzer Hund, der schwanzwedelnd auf ihn zu lief. Remus drehte durch: dieser Raum war SEIN Revier! Dieser Eindringling musste verjagt werden! Kochend vor Zorn sprang der Werwolf nach vorne und packte den Hund mit seinen Krallen. Dieser jaulte überrascht auf, wehrte sich aber nicht. Noch immer in Rage schlug der Wolf auf ihn ein, bis der Hund schließlich den Schwanz einzog und davon humpelte. Zufrieden, sein Revier verteidigt zu haben, legte der Werwolf den Kopf in den Nacken und heulte.
Ein schwarzer Hund. Sirius Black. Der Hund war Sirius, sein bester Freund! Remus Atem beschleunigte sich. Er bekam Panik, was hatte er getan? Er wirbelte herum und rannte davon, während die ersten heißen Tränen über sein Gesicht liefen. Wo konnte er jetzt hin? In den Schlafsaal? Nein, er durfte James und Peter nicht in Gefahr bringen. Bibliothek? Da würden sie als erstes nach ihm suchen, also auch nicht. Nach draußen? Er hatte keine Jacke, er würde im Schnee erfrieren, ganz dumme Idee. Der Raum der Wünsche? Ja, da konnte er alleine sein. Niemand würde hinein kommen und er könnte so niemanden verletzen. Er sprintete die Treppen hinauf in den siebten Stock. "Ich brauche einen Ort, an dem ich alleine sein kann und wo mich niemand stören kann!" Die Tür erscheint und er betritt den Raum. Ein Bett, ein Tisch, einige Sessel, ein gut gefülltes Bücherregal, viel Schokolade und ein Badezimmer. Ja, hier kann er eine Weile bleiben. Noch immer schluchzend wirft sich Remus auf das Bett. Er vergräbt sein Gesicht in den Kissen und beginnt noch stärker zu weinen.
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Sirius öffnet die Augen und fährt mit der Hand über seine Augen. Sein Schädel und der Rest seines Körpers pochen vor Schmerzen. "Hey, Padfoot, alles okay?" James beugt sich über ihn und mustert ihn besorgt. Auch Peter ist hier und wirkt nervös: "Was ist eigentlich passiert?" Sirius seufzt: "Ich dachte, ich könnte Moony so helfen. War echt dämlich." Prongs zieht die Augenbrauen hoch: "Das war Moony?" Sirius nickt nur, dann stützt er sich hoch und blickt sich suchend um: "Wo ist er?" Peter sucht ebenfalls nach dem jungen Werwolf: "Weiß ich nicht, er ist nicht im Gemeinschaftsraum aufgetaucht, wir dachten er wäre hier." Sirius ließ den Kopf hängen, er machte sich unfassbare Sorgen um seine besten Freund. Madam Pomfrey untersuchte den Animagus noch einmal, dann verließen die drei Jugendlichen den Krankenflügel. Ihr Schlafsaal war noch immer leer, auch im Gemeinschaftsraum gabt es von Remus keine Spur. "Vielleicht... ist er in der Bibliothek?", schlug Peter vor. Sofort sprangen sie auf und machten sich auf den Weg. Aber in der Bibliothek war der Werwolf nicht. Seufzend setzten sich die drei auf eine der Bänke im Flur. Sirius schüttelte den Kopf: "Wo ist er bloß?" James legte seinem Freund die Hand auf die Schulter: "Er ist bestimmt in Ordnung, gib ihm Zeit."
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Entgegen James Hoffnungen war Remus nicht okay. Nachdem er keine Tränen mehr hatte, schlurfte er ins Bad. Angewidert musterte er die Narben auf seinem Gesicht und Oberkörper. Zitternd öffnete er eine Schublade, der Inhalt gefiel ihm: Verbandszeug und, weiter hinten, einige Rasierklingen. Nachdem er sich mit den Rumtreibern angefreundet hatte, war er davon losgekommen. Jetzt schlossen sich seine Finger wieder um die Klinge. Langsam setzte er sie an seinen Arm, neben die feinen Narben, die dort silbrig schimmern. Er drückte zu. Warmes Blut lief über seinen Arm und scharfer Schmerz zuckte durch seinen Körper. Er atmete erleichtert aus, es tat so gut. Vorsichtig verband er den Schnitt, dann legte er die Stirn an den Spiegel. Er hasste sich dafür, was er getan hatte, er hätte Sirius umbringen können! Knurrend zog er seinen Zauberstab: "Confringo!" Der Spiegel zersprang in tausend Scherben. Remus ließ sich an der Wand herunter rutschen und vergrub sein Gesicht in den Händen. Er begann wieder zu weinen. War Sirius inzwischen wach? Oder war er immer noch bewusstlos? Dutzende Fragen schossen durch seine Kopf. Nach einigen Stunden rumhängen, weinen und drei Riegeln Schokolade- Vor allem um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen. ER hatte Sirius versprochen, sich nie wieder selbst zu verletzten- beschwerte sich sein Magen. Er sollte jetzt doch zum Essen gehen. Er schlurfte in Richtung Große Halle, da sah er seine Freunde am Griffendortisch. Er durfte sich ihnen nicht nähern, durfte sie nicht in Gefahr bringen. Er drehte sofort um und verschwand in seinem Versteck. Das Abendessen musste halt ausfallen. Er würde dann so früh essen, dass kaum jemand da wäre und seine Hausaufgaben nicht in der Bibliothek erledigen. Er könnte sich über den Raum der Wünsche Kleidung und Schulsachen besorgen und würde dann im Unterricht alleine sitzen. Er wird jeden Kontakt abbrechen müssen, sonst kann er jemanden in Gefahr bringen. Was wenn der Wolf nochmal zuschlägt? Wenn er jemanden tötet? Er könnte auch schwänzen... Um wirklich sicherzugehen... Das wäre sicher das Beste. Remus rollte sich in dem Bett zusammen und schlief schließlich ein, unruhig und von Albträumen geplagt.
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Sirius machte sich immer mehr Sorgen: Remus war nicht beim Essen, nicht im Schlafsaal, nicht in der Bibliothek, wo denn dann? Unruhig wälzte sich der ältere Black- Bruder in seinem Bett hin und her, unfähig, Schlaf zu finden.