Ikaros

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gewidmet Kathy_Anne_Reading, die hier weder mit Cent noch mit Obsidianen zahlen muss

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Wir gehen zurück zu den anderen. Tess grinst mich breit an. „Gut gemacht, Teri!" wiederholt er unbewusst Arias Worte.

„Was?" frage ich verdattert und Tess lacht. „Du warst deutlich zu verstehen. Daidalos übrigens auch. Was für ein Egoist!"

„Egozentriker", verbessere ich und alle sehen mich verdutzt an. Aria will wissen: „Wie meinst du das?"

„Daidalos stellt sich nicht bewusst vor alle anderen, wie es Egoisten tun. Er hat noch nicht gemerkt, dass andere Geschöpfe auch Gefühle haben. Er hält sich allen Ernstes für den Mittelpunkt der Welt. Das heißt, sich und sein Wissen."

Tess runzelt die Stirn. „Irgendwie habe ich den Eindruck, dass du auch nicht gerade unwissend bist."

„Er hat alles gelesen, was wir an Schriftrollen hier haben, das meiste sogar mehrmals", erklärt Fee und ich stutze. „Woher weißt du denn das?"

„Weil ich die Rollen ausgesucht habe, die sie dir hinlegten", erläutert sie. „Pasiphae hat darauf gedrungen, dass du Beschäftigung und Bildung bekommst. Aber ich wars, die die Rollen ausgesucht hat. Und ich war schon erstaunt, wie schnell die Diener kamen und meinten, du bräuchtest neue. Du liest ganz schön schnell."

Ich zucke die Schultern. „Außer lesen und trainieren konnte ich da ja wenig machen."

Tess begutachtet meinen Körper, den der Perizoma fast völlig freilässt. „Das sieht man."

Laus hat sich inzwischen neben Ikaros gekniet. „Daidalos war nicht einmal traurig", sagt er leise. „Es ist ihm egal, dass Ikar tot ist. Er wollte ihn nur sehen, um festzustellen, was mit seiner Erfindung nicht geklappt hat."

„Das sehe ich auch so", sage ich wütend. „Das Gestell ist nicht stark genug, um der Fallgeschwindigkeit zu widerstehen. Außerdem hat er nur die Schwungfedern der Vögel benutzt. Vögel haben aber auch Daunenfedern und ich denke, dass auch die zum Fliegen wichtig sind."

„Das könnte sein", Aria nickt verstehend. „Aber das hilft Ikar leider nicht mehr."

„Ihm hilft gar nichts mehr", meint Laus bekümmert. Aber dann hebt er den Kopf. „Vielleicht doch!"

Wir wissen alle, worauf er hinauswill. Tess zuckt die Schultern. „Einen so schönen Jungen holen sich die Götter früh. Vielleicht war seine Zeit einfach abgelaufen."

„Und wenn nicht?" beharrt Laus.

„Versuch's ruhig", sage ich rau. „Schaden kann es ihm ja nicht mehr."

Auch Aria und Fee stimmen zu. Tess jedoch hat Bedenken. „Du hast gesagt, er würde etwas davontragen, wenn du ihn erweckst. Ikaros hat sich wohl jeden einzelnen Knochen gebrochen. Was ist, wenn er als Krüppel erwacht?"

Die Aussicht erschreckt uns alle. Können wir Ikar zu so einem Leben verurteilen?

Laus denkt einen Moment lang nach. „Das glaube ich nicht", erklärt er dann. „Als ich starb, waren Mund, Nase und Augen voller Honig. Asklepios gestand mir, er habe damit gerechnet, dass ich blind erwache und vielleicht nie mehr durch die Nase atmen könne. Aber das geschah nicht."

„Du meinst, das Blatt heilt möglicherweise nur die Todesursache, nicht aber andere Verletzungen?" frage ich. „Dann wage den Versuch. Ikar kam zu Tode durch die unzähligen Verletzungen, die ihm der Sturz zugefügt hat. Die sollte das Gift also heilen."

„Wenn es überhaupt wirkt", Fee schluchzt auf. „Ich will nicht, dass die Götter ihn holen, nur weil er schön ist. Was wollen sie überhaupt mit ihm?"

Ich frage mich, ob Fee die Schriftrollen, die sie mir herausgesucht hat, eigentlich selbst gelesen hat. Ich jedenfalls habe da einige Vorstellungen, was die Götter von Ikaros wollen könnten. Und ja, auch die Götter, nicht nur die Göttinnen.

Laus hat das Medaillon geöffnet und holt nun ein lanzettförmiges, dunkelgrünes Blatt heraus. „Weg mit euch", sagt er nervös. „Wenn ich versehentlich einen von euch berühre ..."

Wir weichen zurück. Sterben wollen wir alle noch nicht.

Zitternd nähert sich Laus' Hand Ikars Gesicht. „Ich hab das noch nie gemacht", merkt Laus an. Sachte berührt er Ikars Lippen. „Ich weiß nicht genau, wie es abläuft."

„Wie war es denn bei dir?" fragt Fee und erntet einen verächtlichen Blick von Laus. „Das habe ich nicht mitbekommen. Man merkt nicht viel, wenn man tot ist, weißt du."

Es liegt mir auf der Zunge, Laus zu fragen, wie sich das angefühlt hat, aber ich schweige lieber. Wenn Laus diese Erfahrung mit mir teilen möchte, wird er es von selbst ansprechen. Und vorher werde ich ihn nicht damit bedrängen.

„Schaut!" ruft Aria und lenkt unsere Aufmerksamkeit wieder auf Ikaros. Dessen Körper hat zu flimmern begonnen und das Blut, welches das Gras um ihn herum tränkt, verschwindet plötzlich. Dann scheint eine Welle aus Licht von seinem Kopf bis hinunter zu seinen Füßen zu laufen – so hell, dass wir alle die Augen abwenden müssen. So bekommt keiner von uns mit, was als Nächstes geschieht.

Als das Flimmern vor meinen Augen nachlässt, wende ich mich wieder Ikaros zu. Und höre gleichzeitig eine schwache Stimme: „Was ist denn jetzt los?"

Keiner von uns hat gesprochen. Die Frage hat das Geschöpf gestellt, welches zu unseren Füßen liegt und nun die Augen öffnet. Und seine Frage ist mehr als berechtigt.

Laus hat recht gehabt, das Blatt konnte Ikar wiedererwecken. Aber auch Tess' Bedenken waren durchaus berechtigt, stelle ich fest.

 Aber auch Tess' Bedenken waren durchaus berechtigt, stelle ich fest

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Ikaros lebt wieder. Aber er ist kein Mensch mehr.

 Aber er ist kein Mensch mehr

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Unstern unter der Sonne ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt