Medea

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„Ich war wohl ziemlich doof", beginnt Medea ihre Geschichte

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„Ich war wohl ziemlich doof", beginnt Medea ihre Geschichte. „Wißt ihr, Iason tauchte plötzlich bei uns auf, mit einem großen Schiff, einer Menge junger Männer und einer abenteuerlichen Geschichte, wie er über das Schwarze Meer gesegelt ist. Ihm scheinen sämtliche nur möglichen Unbilden auf einer einzigen Fahrt widerfahren zu sein, die unsere Händler auf all ihren Unternehmen zusammen nicht erlebt haben. Ich hätte es damals schon erkennen sollen.

Iason ist ein faszinierender Mann. Nicht nur, dass er sehr gut aussieht und sehr sportlich ist, er kann jeden mit seinem Lächeln und seinen Reden gefangennehmen. Vor allem mit seinen Reden. Als wir seinen Abenteuern lauschten, wohlwissend, dass ein Großteil davon erfunden ist, verstanden wir dann auch, wie er so viele Gefährten für seine Fahrt hatten gewinnen können. Er kann einfach jeden bereden. Er erzählt so lebendig und treuherzig, dass man ihm alles glauben möchte, obwohl man weiß, es stimmt nicht. Er ist wie ein Fischer, der von seinem Fang erzählt; es ist etwas Wahres dran. Aber wenn er sagt, der Fisch war soooo groß – tut mir leid", sie hat die Arme ausgebreitet und damit sowohl Fee als auch Nausithoos einen Nasenstüber versetzt, „dann kann man mindestens zwei Drittel davon abziehen.

Uns war gleich klar, dass Iason ein Aufschneider ist, aber auch eine wahre Bereicherung für langweilige Abende. Aber wir glaubten, er sei einfach ein guter Geschichtenerzähler und gebe nur vor, alles selbst erlebt zu haben, um seine Erzählungen lebensechter zu gestalten. Erst später ... aber ich will nicht vorgreifen.

Ich habe mich in ihn verliebt, das ist wahr. Aber ich war nicht völlig blind. Iason erklärte uns nach einigen Tagen, warum er eigentlich gekommen war. Er wollte das Goldene Vlies, das Fell jenes Widders, der Phrixos und Helle übers Schwarze Meer gebracht hatte."

„Das ist Unsinn", unterbreche ich. „Chrysomallos lebt doch noch. Solltet ihr ihn etwa schlachten? Über Poseidons und Hermes' Kopf hinweg?"

„Das wußte Iason eben nicht. In Thessalien glaubt man, wir hätten Chrysomallos geopfert, zum Dank dafür, dass er Phrixos und Helle gerettet hat. Als ob das eine Art sei, seinen Dank abzustatten!" Medea schlägt wütend auf eines ihrer Kissen ein. Eine kleine Feder wirbelt durch die Luft.

Medea niest und fährt fort: „Iason wußte nur, dass Kolchis reich ist und das dem goldenen Vlies zu verdanken ist. Unsere Flüsse sind reich an Gold und wir nutzen das dichte Vlies von Schaffellen, um den Goldsand aufzufangen. Aietes versuchte ihm das zu erklären, aber Iason begriff das nicht. Er wiederholte immer wieder, er sei gekommen, den Drachen zu töten, der das Vlies bewache und das Vlies nach Iolkos mitzunehmen. Wir wollten ihn abweisen, aber vorher prüfte ich ihn.

Ich gab ihm an einem Abend eine Kylix aus nahezu weißem Ton. Er war angetan von der Ehre, so feines Trinkgeschirr zu bekommen; den wahren Grund ahnte er nicht. In den Weinkrater schüttete ich ein Wahrheitsserum."

„So musste er die Wahrheit sagen?", fragt Laus, doch Medea schüttelt den Kopf. „Ich kenne keine Tränke, welche jemanden zu etwas zwingen, was er nicht will. Das Serum verfärbt sich, wenn derjenige, der von ihm trinkt, eine Unwahrheit erzählt. Als Iason berichtete, die sechsarmigen Gegeneis hätten Felsen auf die Argo geworfen, verfärbte sich der Wein in seiner Trinkschale rot, was dank der weißen Schale gut zu sehen war. Aber er blieb hell, als Iason uns gestand, warum er das Vlies wollte.

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